„Unsere Stärken symbiotisch zusammenführen“: Deutsch-Russische Initiative für Digitalisierung der Wirtschaft (GRID)Dmitrij Kononenko © AHK

„Unsere Stärken symbiotisch zusammenführen“: Deutsch-Russische Initiative für Digitalisierung der Wirtschaft (GRID)

Der Bereichsleiter Digitalisierung und Zukunftstechnologien bei der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau, Dmitrij Kononenko, spricht im Interview mit russland.NEWS über die Deutsch-Russische Initiative für Digitalisierung (GRID).

Herr Kononenko, eines der wichtigsten Ziele der GRID ist die Förderung der Modernisierung der russischen Wirtschaft und der Konkurrenzfähigkeit der deutschen und russischen Produkte. Wie muss man sich das genau vorstellen?

Dmitrij Kononenko: Die GRID wurde auf dem Petersburger Wirtschaftsforum im Jahre 2017 ins Leben gerufen, und die Idee dazu kam von höchster politischer Ebene. GRID ist ein Zusammenschluss russischer und deutscher Großunternehmen aus dem Hightech-Bereich, unterstützt durch die AHK, den Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft (OAOEV) und vom Russischen Verband der Industriellen und Unternehmer (RSPP). Diese drei Verbände koordinieren die Initiative und treiben die gemeinsamen Projekte voran. GRID soll zeigen, dass auch in herausfordernden politischen Zeiten der deutsch-russische Erfahrungsaustausch im Digitalisierungsbereich läuft und Unternehmen auf beiden Seiten ein großes Vertrauen zueinander haben. Deutsche IT-Technologien sind in Russland nach wie vor sehr gefragt und russische IT-Unternehmen sind für deutsche Kunden interessant. Beim Kernthema Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Produktion arbeiten Deutschland und Russland schon jetzt eng zusammen. Wir organisieren regelmäßige Veranstaltungen auf staatlicher und auf Businessebene, die das Großthema Digitalisierung und den Erfahrungsaustausch auf den Gebieten Industrie und Produktion, Handel, IT etc. vorantreiben. Wir organisieren Reisen für russische Unternehmen zu deutschen Betrieben und umgekehrt. Im Rahmen der GRID führen wir auch branchenspezifische Workshops oder runde Tische durch. Voriges Jahr hatten wir zum Beispiel runde Tische zum Thema Digitalisierung der Landwirtschaft in Moskau oder zu Sicherheitsfragen in der Industrie 4.0. In diesem Jahr findet am 5. Februar in Moskau bei RSPP ein runder Tisch zum Thema Digitalisierung der Leichtindustrie statt. Im März wird GRID bei der Russian Business Week vertreten sein und im April sind wir mit einer Podiumsdiskussion auf der Hannover Messe. Auch beim Petersburger Wirtschaftsforum und bei der Industriemesse in Jekaterinburg sind wir dabei.

Auf der deutschen Seite gehören zu den Gründungsmitgliedern Großkonzerne wie Siemens, SAP, Bosch oder Volkswagen. Warum ist die deutsche Wirtschaft an dieser Initiative interessiert?

Dmitrij Kononenko: Deutsche Technologien haben ein großes Marktpotenzial in Russland. Die Digitalisierung der Industrieproduktion ist jetzt auf der ganzen Welt im Gange und die Internettechnologien werden die Wirtschaft in der Zukunft maßgeblich prägen. Auch die russische Regierung ist sehr darum bemüht, die Industrie zu digitalisieren. Der Bedarf nach Industrie-4.0-Lösungen ist enorm. Und weil deutsche Unternehmen in Puncto Industrie 4.0 globale Kompetenzträger sind, sehen sie in Russland einen großen Markt. Auf der anderen Seite ist das Umfeld für deutsche Firmen in Russland in den letzten fünf Jahren schwieriger geworden. Ich nenne nur die im Gesetz verankerte Importsubstitutionspolitik im IT-Sektor. Es gibt öffentliche Aufrufe, sich von der westlichen Technik zu verabschieden und auf die einheimische Technik zu setzen bzw. den chinesischen Unternehmen zuzuwenden. Um in dieser Situation weiterhin auf dem Markt präsent zu sein und der asiatischen Konkurrenz Paroli bieten zu können, muss die deutsche Wirtschaft Flagge zeigen und aktiv werden.

Sie konnten auch wichtige russische Wirtschaftsverbände und IT-Firmen gewinnen, u.a. Rostelecom oder Kaspersky und die Skolkowo-Stiftung. Warum schließen sich russische Unternehmen der GRID an?

Dmitrij Kononenko: Russische Softwareingenieure und Programmierer gehören zu den besten weltweit. Man sieht das am Beispiel von Kaspersky, das im Sicherheitsbereich zu den Marktführern zählt, aber auch daran, dass russische IT-Spezialisten von internationalen Konzernen abgeworben werden und ins Ausland gehen. Also hat die russische IT-Branche sehr viel anzubieten und Deutschland ist für sie ein sehr lukrativer Exportmarkt. Die Stiftung Skolkowo zum Beispiel möchte mehr Partnerschaften zwischen russischen Startups und etablierten deutschen Unternehmen schließen. Die GRID hat in Fachkreisen in Deutschland und in Russland ein ziemlich starkes Standing. Wir rechnen fest mit neuen Mitgliedern noch in diesem Jahr.

Hierzulande herrscht die Vorstellung, dass die russische Wirtschaft ziemlich rückständig ist. Dabei sind die Russen, was Digitalisierung anbelangt, ziemlich weit vorne und zumindest in Großstädten läuft der ganze Alltag über von russischen IT-Unternehmen entwickelten Apps. Auf deutsch-russischen Konferenzen hört man immer, Deutschland könnte sich ein Beispiel daran nehmen…

Dmitrij Kononenko: Moskau ist im Alltag und im Bereich der städtischen Verwaltung sicherlich sehr vorangeschritten, was die Digitalisierung betrifft. Aber wenn Sie 300 km von Moskau wegfahren, sieht es damit schon anders aus. Allerdings gibt es in Deutschland auch Unterschiede zwischen Großstädten mit ihrer gut entwickelten Telekomunikations-Infrastruktur und einigen ländlichen Gebieten, wo es immer noch kein mobiles Hochgeschwindigkeitsinternet gibt. Augenscheinlich können sich unsere beiden Länder im Digitalisierungsbereich komplementär ergänzen. Deutschland hat sehr starke Maschinenbauer bzw. Hardware-Ingenieure. Was die Software Seite wie zum Beispiel künstliche Intelligenz oder Machine Learning betrifft, zählen russische Programmierer zur Weltspitze. Und diese Kombination von deutscher Ingenieurskunst und russischem Knowhow im Bereich der Programmierung bietet enorme Chancen für gemeinsame Projekte. Und das ist auch die Message von GRID: Wir sollten unsere Stärken symbiotisch zusammenführen. Wir zeigen: Russland ist bei weitem nicht nur Rohstofflieferant, sondern verfügt über hervorragende Kompetenzen im IT-Bereich.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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