Überblick über ausgewählte Aspekte der staatlichen Förderpolitik in Russland 2019

Überblick über ausgewählte Aspekte der staatlichen Förderpolitik in Russland 2019

Allgemein

Die russische Regierung billigte eine novellierte Version des staatlichen Programms zur Entwicklung der Landwirtschaft und stimmte seiner Verlängerung bis zum Jahr 2025 zu. In der überarbeiteten Fassung wurde das eingeplante allgemeine Budget des Programms von 2,2 Billionen auf 8,2 Billionen Rubel fast vervierfacht. Für das Jahr 2019 wurde die bewilligte Zuwendung von Finanzmitteln bedeutend vergrößert (von 297 Mrd. Rubel auf bis zu 793 Mrd. Rubel aus den Budgets aller Ebenen).

Den Planungen zufolge soll die Produktion der Landwirtschaft bis 2025 um 16,3 % in jeweils vergleichbaren Preisen gegenüber dem Niveau von 2017 wachsen. Aufgeschlüsselt soll die Pflanzenproduktion um 18 %, die Tierzucht um 11 % und die Lebensmittelherstellung um 30 % zunehmen. Die Rentabilität der Agrarproduzenten soll nach den Planungen nicht unterhalb von 10 % liegen.[1]

Das Landwirtschaftsministerium der Russischen Föderation stellte außerdem eine neue Konzeption für die Regionen vor, die auf die Stimulierung von „Wachstumsschwerpunkten“ der Agrarwirtschaft in den einzelnen Föderationssubjekten abzielt. Das Finanzierungssystem für die Förderung der Agrarbranche aus dem föderalen Etat soll zunehmend die Besonderheiten der einzelnen Regionen berücksichtigen.[2]

Unterstützung von Kleinunternehmen

Branchenexperten sehen im Fachkräftemangel sowie in der starken Konkurrenz durch Großunternehmen die Haupthindernisse der Entwicklung von klein- und mittelständischen Unternehmen im Agrarsektor und appellieren an eine stärkere Berücksichtigung der sozialen Rolle kleinerer Agrarunternehmen bei der Erhaltung ländlicher Räume.[3]

Im Zuge einer Untersuchung zur Effektivität der von Januar 2016 bis November 2018 durchgeführten Maßnahmen zur Förderung von Kleinunternehmen im Rahmen des staatlichen Förderprogramms für den Agrarsektor konstatierte der Rechnungshof der Russischen Föderation, dass diese Maßnahmen bislang noch keine wesentliche Wirkung gezeitigt haben.[4]

Die Leiter der kleineren landwirtschaftlichen Unternehmen und der bäuerlichen Betriebe äußern Vorbehalte gegen die gegenwärtige Zuweisung der staatlichen Förderung, da eine Konzentration auf große Holdinggesellschaften beobachtet wird. Die Landwirte bereiten aktuell Vorschläge zu Gesetzesänderungen im Agrarsektor vor. Einer der wichtigsten Punkte dabei ist die Wiederherstellung eines Beratungssystems für die Landwirte, aber auch die Einführung eines modernen marktorientierten inländischen Planungssystems in der Agrarbranche.

Der Entwurf zum nationalen Projekt „Kleine- und mittlere Unternehmen und die Unterstützung individueller Unternehmerinitiativen“ sieht unter anderem die Schaffung eines Fördersystems für Landwirte und für die Entwicklung ländlicher Kooperationsformen vor. Hierfür wird 2019 ein Finanzvolumen in Höhe von 7,4 Mrd. Rubel (ca. 100 Mio. €) bereitgestellt.[5]

Speziell für die Entwicklung kleiner Betriebsformen werden 2019 15,3 Mrd. Rubel vorgehalten (ca. 205 Mio. €), ca. 40 % mehr als im Vorjahr.[6] Den Regionen werden im Rahmen des föderalen Projektes „Gründung eines Fördersystems für Landwirte und die Entwicklung der ländlichen Kooperation“ zusätzlich 5,3 Mrd. Rubel (ca. 72 Mio. €) zur Verfügung gestellt.

Agrarversicherungen

Am 1. März 2019 traten gesetzliche Änderungen in Kraft, die Versicherungsdienstleistungen für Landwirte attraktiver gestalten und das Interesse der Versicherungsunternehmen an der Entwicklung des Marktes steigern sollen. Zu den Regelungen gehören u.a. die Abschaffung des Mindestgrenzwerts für den Eintritt des Versicherungsfalls bei Ernteverlusten bzw. Schäden bei Aussaaten mehrjährigen Kulturen, die Option für den Landwirt, jeweils eine oder mehrere Risiken gleichzeitig zu versichern, die Einführung einer im Versicherungsfall obligatorischen Abzugsfranchise in Höhe von 10 – 50 % sowie die Einführung einer Entschädigungszahlung im Falle einer Notschlachtung gesunder Tiere beim Auftreten von Tierseuchen.

Der Nationale Verband der Agrarversicherer (NSА) erhofft sich von den Maßnahmen eine spürbare Marktbelebung und ein stabiles Wachstum bei Agrarversicherungsdienstleistungen.[7]

Nach Prognosen des Landwirtschaftsministeriums sollen die Reformen bis zum Jahr 2020 zu einer Vergrößerung des Anteils versicherter Tierbestände auf bis zu 16,7 % und der versicherten Aussaatflächen auf bis zu 4,2 % führen.[8]

Ökologischer Landbau

Das im Vorjahr verabschiedete föderale Gesetz „Über die Herstellung organischer Erzeugnisse“ tritt am 01.01.2020 in Kraft. Zurzeit laufen hierzu die Vorbereitungen, die unter anderem mit der Implementierung eines nationalen Ökolabels für zertifizierte Ökolandbauerzeugnisse verbunden sind. Voraussichtlich bereits im Sommer 2019 erscheint das Label in seiner ersten Variante auf einzelnen Waren.[9]

Die russische Behörde für Qualitätskontrollen Roskatschestwo beabsichtigt, 2019 ein erstes vollständig russisches Zertifizierungszentrum für Ökolandbauprodukte nach internationalen Standards (EU, USA, Japan) zu gründen, in dem der ganze Wertschöpfungsprozess der Produktion, beginnend bei der Aussaat bis zum Ladentisch, überprüft werden soll. Die Testphase des Zentrums ist bereits im Gange. Die Gründung des Zertifizierungszentrums soll in einem halben Jahr abgeschlossen sein.[10]

In den einzelnen Föderationssubjekten wird auf regionaler Ebene eine rechtliche Basis zur Unterstützung der Ökolandbauproduzenten auf regionaler und lokaler Ebene geschaffen.[11]

Qualität und Sicherheit landwirtschaftlicher Produkte und Nahrungsmittel

2019 sind eine Reihe gesetzlicher Änderungen geplant, die normative Qualitätsmerkmale einer gesunden Ernährung präzisieren und die Haftung von Wirtschaftssubjekten für Erzeugnisse mit ungekennzeichneten Ersatzstoffen erhöhen. Unredliche Produzenten müssen mit einer Konfiszierung ihrer Ausstattung rechnen. Zugleich können Unternehmen, die Lebensmittel „der neuen Generation“ mit den nachgefragten Qualitätsanforderungen herstellen, auf staatliche Fördermittel hoffen.[12]

Ab 1. Juli 2019 soll das System der obligatorischen elektronischen Veterinärbescheinigung für alle Fertigprodukte aus der Tierhaltung (darunter auch Fleisch und Fisch, mit Ausnahme von Sauermilchprodukten) Anwendung finden. Ab 1. November 2019 soll das System auch auf Sauermilchprodukte ausgedehnt werden.[13] Im Rahmen des nationalen Projekts „Internationale Kooperation und Export“ ist geplant, ein Rückverfolgbarkeitssystem „vom Produzenten bis zum Ladentisch“ für Erzeugnisse aus Fischerei und Aquakulturen sowie pflanzliche Produkte zu implementieren. Ein entsprechender Zeitplan soll bis 31. Januar 2020 ausgearbeitet werden.[14]

Zur Erhöhung der Fleisch- und Milchqualität und zur Vorbeugung von Tierseuchen wird aktuell die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Kühe, Pferde, Hirsche, Ziegen und Schafe bis Ende 2021 vorgeschlagen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird aktuell in der Regierung behandelt und soll in Kürze zur Beratung der Staatsduma vorgelegt werden.[15]

Bis Ende 2019 soll eine obligatorische Laborkontrolle von Lebensmitteln eingeführt werden, die im Rahmen des Regierungsauftrags für soziale Einrichtungen (u.a. Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser) gekauft werden.[16]

Digitalisierung und Modernisierung des Agrarsektors

Im Rahmen des nationalen Projekts „Digitalisierte Landwirtschaft“ soll im Laufe des Jahres 2019 das System „Effektiver Hektar“ eingeführt werden, das eine umfassende Inventarisierung landwirtschaftlicher Bodenflächen vorsieht. Hierdurch soll eine effektivere Flächennutzung sichergestellt werden. Darüber hinaus soll bis Ende 2019 das automatisierte elektronische System „SMART Contract“ zur Unterstützung von Vertragsabschlüssen mit Empfängern staatlicher Subventionen einsatzbereit sein. In Planung befindet sich auch die groß angelegte Einführung differenzierter inländischer komplexer digitaler Lösungen für den Agrarsektor wie „Smart Farm“, „Smart Field“, „Smart Livestock“, „Smart Greenhouse“, „Smart Processing“, „Smart Storage“ und „Smart Administration“. Am Pilotprojekt „Digitalisierte Landwirtschaft“ des Landwirtschaftsministeriums sind 35 Regionen der Russischen Föderationen aktiv beteiligt.[17]

Im Rahmen des staatlichen Programms zur Entwicklung des Agrarsektors wird nach der Erneuerung des Maschinen- und Fuhrparks das Programm „Rossagroleasing“ neu aufgelegt. Das russische Landwirtschaftsministerium rechnet damit, dass das Unternehmen den Landwirten etwa 9.000 Landtechnik-Einheiten im Umfang von 35 Mrd. Rubel bereitstellen kann. Die Erneuerung des Fuhr- und Maschinenparks wird mithilfe staatlicher Subventionen für die Landtechnikhersteller gefördert. Hierfür werden 8 Mrd. Rubel (ca. 110 Mio. €) bereitgestellt. In Kombination mit weiteren staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ermöglicht diese Förderung den Landwirten einen einfacheren Erwerb neuwertiger landwirtschaftlicher Maschinen und Anlagen aus einheimischer Produktion.

In der Regierung werden derzeit Überlegungen angestellt, den Lokalisierungsgrad der Landtechnik nach einem neuen Punktesystem zu bewerten, das die bisherige Festlegung technischer Produktionsschritte anhand des Ortes ablösen soll. Die Einführung eines solchen Punktesystems könnte der Geltung einheitlicher „Spielregeln“ für russische und ausländische Landtechnikproduzenten Auftrieb verschaffen.[18]


[1] http://kvedomosti.ru/news/pravitelstvo-napravit-na-razvitie-selskogo-xozyajstva-4-2-trln-rublej.html, https://agro.ru/news/31639-na-gosprogrammu-dobavili-deneg

[2] http://mcx.ru/press-service/news/regionalizatsiya-pridast-dopolnitelnyy-stimul-razvitiyu-apk-subektov/

[3] http://kvedomosti.ru/news/ekspert-nazval-glavnuyu-problemu-malogo-agrobiznesa.html

[4] http://kvedomosti.ru/news/schetnaya-palata-priznala-neeffektivnoj-podderzhku-malyx-form-xozyajstvovaniya-v-apk.html

[5] http://www.dairynews.ru/news/pravitelstvo-vydelit-37-mlrd-rubley-na-podderzhku-.html

[6] http://mcx.ru/press-service/news/obem-gospodderzhki-malykh-form-khozyaystvovaniya-v-2019-godu-uvelichen-v-1-4-raza-do-15-3-mlrd-ruble/

[7] http://www.dairynews.ru/news/padenie-obema-rynka-selkhozstrakhovaniya-s-gospodd.html

[8] http://www.dairynews.ru/news/vstupayut-v-silu-novye-pravila-agrostrakhovaniya-s.html

[9] http://academy21.ru/novosti/10185-osobyy-znak-na-organicheskih-produktah-v-rf-mozhet-poyavitsya-letom.html

[10] https://agro.ru/news/31699-v-rossii-mogut-sozdat-centr-sertifikacii-organiki-po-mezhdunarodnym-standartam

[11] http://mcx.ru/press-service/regions/v-chuvashskoy-respublike-sozdaetsya-zakonodatelnaya-osnova-razvitiya-organicheskogo-selskogo-khozyay/, http://mcx.ru/press-service/regions/v-respublike-komi-rassmatrivayut-vopros-o-gosudarstvennoy-podderzhke-organicheskogo-selskogo-khozyay/, https://agro.ru/news/31556-voronezhskoi-organike-pomogut-subsidiyami

[12] http://kvedomosti.ru/news/gordeev-uluchshit-kachestvo-produktov-i-usilit-otvetstvennost-za-falsifikat-pomogut-izmeneniya-v-zakony.html

[13] http://www.dairynews.ru/news/minselkhoz-reshenie-o-vklyuchenii-gotovoy-molochno.html

[14] http://kvedomosti.ru/news/rossiya-zapustit-sistemu-proslezhivaemosti-ryby-i-produkcii-rastenievodstva.html

[15] http://www.dairynews.ru/news/na-parlamentskikh-slushaniyakh-v-gosdume-obsudili-.html

[16] http://www.dairynews.ru/news/laboratornyy-kontrol-goszakaza-prodovolstviya-mozh.html

[17] https://agro.ru/news/31586-v-regionah-nachali-cifrovizaciyu-apk, https://www.zol.ru/n/2dc93

[18] http://kvedomosti.ru/news/dlya-selxoztexniki-planiruyut-ballnuyu-sistemu-lokalizacii.html

Quellenhinweis: Mit freundlicher Genehmigung des „Deutsch-Russischen agrarpolitischen Dialog“

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