SIPRI: Waffenverkäufe russischer Unternehmen schwächeln

SIPRI: Waffenverkäufe russischer Unternehmen schwächeln

Laut einer Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) wuchs der Umsatz mit Waffen und Militärdienstleistungen der 100 größten Unternehmen der Welt im Jahr 2020 um 1,3 Prozent auf über eine halbe Billion US-Dollar. Von den insgesamt 531 Milliarden Dollar verkauften russische Unternehmen Produkte im Wert von 28,2 Milliarden Dollar, das sind 6,5 Prozent weniger als im Jahr 2019, teilte SIPRI mit.

Führend im Ranking der Länder mit Rüstungsverkäufern sind die USA mit 285 Milliarden Dollar, der US-Anteil am Gesamtrating beträgt 54 Prozent bei einem Wachstum gegenüber 2019 von 1,9 Prozent, gefolgt von China mit 66,8 Milliarden Dollar (Anteil 13 Prozent, Wachstum, 1,5 Prozent) und Großbritannien mit 37,5 Milliarden Dollar (Anteil 7 Prozent, Wachstum 6,2 Prozent).

2020 entfielen auf Europa 21 Prozent des Gesamtumsatzes der größten Unternehmen (109 Milliarden Dollar). Der Umsatz französischer Produzenten sank um 7,7 Prozent, während der Umsatz deutscher Unternehmen gegenüber 2019 um 1,3 Prozent auf 8,9 Milliarden Dollar stieg. Deutsche Firmen machten 1,7 Prozent der gesamten Waffenverkäufe der Top 100 aus. Rheinmetall, der größte deutsche Waffenhersteller, verzeichnete einen Anstieg der Waffenverkäufe um 5,2 Prozent. Der Schiffbauer ThyssenKrupp verzeichnete dagegen ein Minus von 3,7 Prozent.

Die in der Rangliste aufgeführten russischen Unternehmen verkauften im Jahr 2020 6,5 Prozent weniger Waffen im Wert von 26,4 Milliarden Dollar gegenüber 28,2 Milliarden Dollar im Jahr 2019. Damit setzt sich der Abwärtstrend seit 2017 fort, als die Waffenverkäufe russischer Unternehmen in den Top 100 ihren Höhepunkt erreichten. Insgesamt umfasst das Rating neun russische Firmen, deren Anteil 5 Prozent des Weltmarktes beträgt.

Der größte russische Rüstungskonzern Almaz-Antey und die United Shipbuilding Corporation, die Nummer eins unter den russischen Schiffbauunternehmen verzeichneten einen Rückgang ihrer Waffenverkäufe um 31 bzw. 11 Prozent. Russian Helicopters verlor 13 Prozent. Im Gegensatz dazu steigerte das Luftfahrtkonsortium United Aircraft Corporation ihre Waffenverkäufe um 16 Prozent. Noch deutlicher war das Einkommenswachstum des Holding Konzerns Radio Electronic Technologies (Wachstum von 22 Prozent) und der Holding Ruselectronics (39 Prozent).

Eine weitere wichtige Entwicklung in der russischen Rüstungsindustrie besteht aus der Diversifizierung der Produktlinien, dem allmählichen Übergang zur Produktion von zivilen Produkten. Russische Unternehmen setzen derzeit ein Regierungsprogramm um, das ihren Anteil am zivilen Umsatz bis 2025 auf 30 Prozent und bis 2030 auf 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes erhöhen soll.

Markus Bayer, Politologe des Bonner Internationalen Zentrums für Konfliktforschung (BICC) hat eine eigene Erklärung für die Schwäche russischer Rüstungskonzerne. Seiner Meinung nach stehen sie in direktem Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung des militärisch-industriellen Komplexes Chinas und Indiens, die viele Jahre lang die Hauptabnehmer russischer Waffen und militärischer Ausrüstung waren.

Auch russische Analysten fragen sich, ob Russland angesichts der Tatsache, dass der Weltwaffenmarkt während der Pandemie in keiner Weise gelitten hat, seinen Hauptkonkurrenten hinterhinkt und in welchen Bereichen eine Aufholjagd lohnt.

Iwan Konowalow, Entwicklungsdirektor der Stiftung zur Unterstützung von Technologien des 21. Jahrhunderts, hält die Analyse von SIPRI für „etwas willkürlich“. „Faktoren wie die Pandemie und Sanktionen aus dem Westen wirken sich auf den Waffenmarkt aus. Aber gleichzeitig reduzieren unsere Stammkunden – Algerien, Ägypten, China, Indien – ihre Einkäufe nicht. Aber im Allgemeinen hat die aktuelle Situation in der Welt die Brieftasche der Verbraucher russischer Waffen erheblich reduziert“, sagte er der Zeitung VZGLYAD.

Ähnliche sieht es Ilya Kramnik, Militärexperte und Wissenschaftler am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO). „Auf Basis der Daten für ein Jahr ist es wahrscheinlich nicht der Rede wert, über einen Rückgang der russischen Exporte zu sprechen. Schließlich ist der Waffenexport ein sehr träger Prozess, der im Kontext langer Zeiträume betrachtet werden sollte. Allerdings haben wir in den letzten Jahren bereits eine gewisse Stagnation genau erfasst. Die ganze Zeit drehten sich die Exporte um die 15-Milliarden-Dollar-Marke, mit leichten Schwankungen in beide Richtungen“, so der Experte.

Für die Stagnation der Exporte gibt es laut Kramnik vor allem zwei Gründe. Die erste sind US-Sanktionen. „Amerikanische Beschränkungen erschweren die Zusammenarbeit mit Russland für eine Reihe von Ländern, die befürchten, unter finanziellen Druck Washingtons zu geraten. Nur für die USA politisch wichtige Länder wie Indien können es sich leisten, bei uns Waffen zu kaufen“, erklärte Kramnik.

Der zweite Grund für die Stagnation sei die Unterrepräsentanz Russlands und das völlige Fehlen unserer Beteiligung in am Markt beliebten Segmenten. Gemeint seien die maritime Luftfahrt in der U-Bootabwehr und das Segment der unbemannten Flugzeuge. Allerdings, so der Experte, könne sich die Situation bei der Versorgung mit Drohnen verbessern, da unsere Luftfahrtindustrie an mehreren neuen Modellen mit gewissen Exportperspektiven arbeitet. Auch auf dem Helikoptermarkt sei Russland schlecht vertreten.

Kramnik erinnerte auch daran, dass russische Waffen, die im Ausland ausnahmslos beliebt sind, ihren Markt bereits erobert haben. „Wir haben zum Beispiel die Su-30-Kampfflugzeuge der vierten Generation an alle verkauft, die sie kaufen wollten und konnten“, so der Experte. Dies sei eine Maschine mit einer langen Lebensdauer, und so ist es unwahrscheinlich, dass sie bald ersetzt werden müssen.

Konowalow ist davon überzeugt, dass es Rüstungssegmente gibt, aufgrund derer Russland seine Exporte wiederum erheblich steigern kann. Russland habe schon jetzt bei einer Reihe von Waffenarten Wettbewerbsvorteile. „Im Bereich der Luftverteidigung haben wir offensichtliche Erfolge, viele Länder interessieren sich für die unsere neuen Flugabwehr-Raketensysteme.“ Gemeint sind S-500 Prometheus und Pantsir-S. Auch die im Nahen Osten bewährten Systeme der elektronischen Kriegsführung (EW) entwickeln sich für Russland in eine weitere profitable Richtung. Die neuen russischen U-Boot-Abwehrschiffe erfreuen sich lebhafter Nachfrage und der Verkauf von Panzern der Reihe Armat wird nicht extra beworben müssen, wenn der Preis stimmt.

Es sei an der Zeit, Angriffs- und strategische Drohnen zu entwickeln, zu produzieren und an ausländische Partner zu liefern, sagte Konowalow. „Um den Export zu steigern, müssen wir übrigens auch dem erfolgreichen Beispiel Chinas folgen und massenhaft Quadrocopter produzieren – sie sind mittlerweile sehr gefragt, sie sind im Kampf unter urbanen Bedingungen unverzichtbar.“

„Ein separates Segment ist die Robotik. Dies ist ein Trend der Zukunft, und hier haben wir eine solide Grundlage – die ganze Welt hat die Aktionen unserer Roboter in Syrien bei der Minenräumung, Evakuierung und vielen anderen Aufgaben sehr geschätzt. Und diese hohe Reputation müssen wir für die Exportförderung von Robotern nutzen“, erklärte der Analyst.

Auch Hyperschallwaffen könnten die Grundlage für einen erheblichen Anstieg der Exporte werden. „Aber hier müssen wir bedenken, dass wir, solange unser eigener Bedarf an dieser Art von Waffen nicht befriedigt ist und bis sich eine klare Käuferschicht gebildet hat, nicht führend im Verkauf sein werden“, so Konowalow.

Der Staatskonzern Rostec drängt darauf, den Schlussfolgerungen der SIPRI-Analysten keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da diese alle Berechnungen in Dollar und Euro vorgenommen haben. Erst letzte Woche haben Moskau und Delhi ein großes Abkommen über die militärisch-technische Zusammenarbeit für 2021 bis 2030 unterzeichnet. Neben der Lieferung russischer Waffen und militärischer Ausrüstung wollen Indien und Russland gemeinsam neue Waffentypen entwickeln.

Das russische Innenministerium hat bereits reagiert und vorgeschlagen, das Verfahren zur Bestätigung von Waffen für den Export zu ändern. Artikel 7 des föderalen Gesetzes „Über Waffen“ sollte geändert werden, wonach Waffen und Munition für die Ausfuhr aus Russland keine Stellungnahme des Innenministeriums über die Einhaltung der forensischen Anforderungen erfordern.

Das russische Verteidigungsministerium erhält jährlich 2,5 Billionen Rubel (etwa 27,7 Milliarden Euro), um sein Arsenal zu aktualisieren und zu warten. Das sind zwei Drittel des Militärbudgets des Landes für 2021 innerhalb eines langfristigen Anschaffungsprogrammes, das 2027 abgeschlossen sein wird.

Aus der Sicht des Kremls ist Russland in Sachen Waffen gut aufgestellt. Für Präsident Wladimir Putin gibt bezüglich des Atomwaffenpotenzials eine Parität zwischen Russland und den Vereinigten Staaten, aber Moskau sei führend bei vielversprechenden Entwicklungen. Laut Generalstabschef Walery Gerassimow geht es um Jars-Komplexe für die strategischen Raketentruppen, Trägerraketen für den Hyperschallgleiter Awangard und ballistische Raketen Bulawa für Atom-U-Boote.

Neun Länder besitzen Atomwaffen – Russland, USA, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Pakistan, China und Nordkorea. Ende September gab UN-Generalsekretär Antonio Guterres bekannt, dass die Welt mit etwa 14.000 Atomwaffen bestückt ist.
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[hrsg/russland.NEWS]

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