Selbst im Falle einer positiven Entscheidung über die Zertifizierung des Nord Stream 2-Betreibers wird die Pipeline voraussichtlich erst im September 2022 Zugang zum Gasverteilnetz in Europa erhalten, teilte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, am Montag auf einer Pressekonferenz mit.
„Experten erwarten auf die eine oder andere Weise auch bei einer schnellen positiven Entwicklung der Ereignisse nicht vor September 2022, unabhängig vom Ausgang, die Pipeline ans Netz anzuschließen“, sagte der Parlamentarier. „Wir haben ein abgeschlossenes Infrastrukturprojekt, es wird jetzt rechtlich geprüft“, sagte Lambsdorff und erinnerte daran, dass das Zertifizierungsverfahren ausgesetzt wurde. „Die Bundesnetzagentur wird entscheiden, ob [der Pipeline-Betreiber] zugelassen wird oder nicht, das heißt zertifiziert wird oder nicht. Und dann hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, diese Entscheidung noch einmal zu überprüfen.“
Nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die deutsche Regulierungsbehörde habe die Zertifizierung des Nord Stream 2-Betreibers ausgesetzt, weil dieser die EU-Energievorschriften nicht einhalte, ließ die Reaktion am Markt nicht lange auf sich warten. Die Gaspreise in Europa stiegen sofort zu Beginn der Handelssitzung um acht Prozent und sind inzwischen auf ein neues Rekordhoch geklettert. Terminkontrakte für den 14. Dezember erreichten am Vortag einen Rekordwert von 118 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das sind gut zehn Prozent mehr als am Freitag. Im Oktober waren die Preise schon einmal in die Höhe geschnellt. Damals wurden 117,50 Euro pro MWh verlangt.
Der Betreiber von Nord Stream 2, die Nord Stream 2 AG, teilte mit, dass sie sich als Entwickler eines gewerblichen Investitionsprojekts nicht zu politischen Debatten äußern kann.“ Das Unternehmen sei dabei, eine Tochtergesellschaft in Deutschland zu gründen, um die Einhaltung aller Regeln und Vorschriften zu gewährleisten. Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, hat den Zertifizierungsprozess als „technische, bürokratische und juristische Arbeit“ bezeichnet und dazu aufgerufen, „nichts zu überstürzen“.
Um mit dem Pumpen von Gas beginnen zu können, benötigt der Nord Stream 2-Betreiber die Genehmigung der deutschen Regulierungsbehörde. Die Zertifizierung wurde ausgesetzt, da der Betreiber mit Sitz in der Schweiz eine Tochtergesellschaft in Deutschland registrieren muss.
Der Bau von Nord Stream 2 wurde am 10. September 2021 vollständig abgeschlossen. Ursprünglich war die Fertigstellung für Ende 2019 geplant, der Bau verzögerte sich jedoch aufgrund von US-Sanktionen. Die Gaspipeline besteht aus zwei Leitungen mit einer Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr, die von der russischen Küste über die Ostsee bis nach Deutschland führen.
[hrsg/russland.NEWS]
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