Russischer Industrieller: Chance für neue Industrialisierung verpasstFoto: Mischa Blank

Russischer Industrieller: Chance für neue Industrialisierung verpasst

Die Öl- und Gaseinnahmen Russlands stiegen in der ersten Hälfte des Jahres 2022 um das 1,7-fache auf über 100 Milliarden Euro. Insgesamt erreichten die Haushaltseinnahmen knapp 235 Milliarden Euro, 24,4 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2021.  

Parallelimporte und die Ersetzung von Lieferanten aus dem Westen durch solche aus dem Osten glätten die wirtschaftliche Situation und lassen es so aussehen, als ob nichts geschehen wäre. Doch die Regierung spart dieses Geld noch immer für schlechte Zeiten auf und verpasst die Chance auf eine neue Industrialisierung. Nach Ansicht von Konstantin Babkin, einem bekannten Industriellen und Vorsitzenden der russischen Industrie- und Handelskammer, funktioniert die Importsubstitution noch immer nicht, und es wurden noch keine Schlussfolgerungen gezogen.

In einem Interview für die Zeitung Nakanune sagte er: „Die objektiven Bedingungen drängen uns immer noch dazu, eine unabhängige Wirtschaft aufzubauen, unseren eigenen realen Sektor zu entwickeln, Komponenten zu produzieren und eine neue Industrialisierung anzustreben. Aber hat die Regierung irgendwelche Schritte in diese Richtung unternommen? Nein, sie hat nichts getan – keine einzige Steuer wurde gesenkt, die Ausfuhrzölle auf Metall wurden nicht eingeführt, im Land ist es immer noch unverhältnismäßig teuer, die Zentralbank verfolgt immer noch dieselbe verrückte Politik. Und das, worüber wir in der Industrie- und Handelskammer gesprochen haben – eine neue Industrialisierung und eine Änderung des Vektors der Wirtschaftspolitik – hat die Regierung auch nicht interessiert“.

Wenn es jetzt eine vernünftige, angemessene Wirtschaftspolitik gäbe, würde Russland viel profitabler produzieren als andere Länder, und es gäbe einen raschen Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, glaubt Babkin. 

„Es ist schwer zu sagen, worauf die Regierung setzt. Wir haben immer noch einen riesigen Haushaltsüberschuss, Russland verkauft immer noch viel mehr Waren ins Ausland als es importiert. Die Regierung hat einen riesigen „Überschuss“ an Geld ­– etwa 50 Milliarden Euro, in den letzten sechs Monaten – und investiert es nicht in die Wirtschaft, sondern lagert es immer noch irgendwo auf ausländischen Konten. Sie sagen uns nicht, wo sie das Geld anhäufen, ob im Westen oder wieder in China.“ 

Er sehe keine „klare Strategie“ in der Arbeit der Regierung, klagte der Industrielle.

[hrsg/russland.NEWS]

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