In der russischen Lebensmittelbranche herrscht ein harter Kampf um Mitarbeiter. Vor allem im Bäckerhandwerk ist der Bedarf nach Menschen mit und ohne Berufsausbildung groß, berichtet Dmitri Semenow, Präsident der russischen Bäckerverbandes. Wie das Personalproblem gelöst werden soll und wie es mit den Brotpreisen aussieht, beschreibt das russische Amtsblatt Parlamentskaja Gaseta (PNP).
Das Brotbacken ist nicht der profitabelste Teil der Lebensmittelindustrie des Landes. Die Löhne können nicht mit denen in anderen Branchen konkurrieren. Laut Semenow verlassen viele Fachkräfte die Bäckereien und gehen in die Fleischverarbeitung oder wählen Branchen, in denen sie mehr verdienen. In der Lebensmittelindustrie liege der durchschnittliche Personalmangel derzeit bei bis zu 35 Prozent. Je nach Fachrichtung.
Der Industrie fehlen einfach die Arbeitskräfte. Es sei durchaus möglich, einen Bäcker über einen längeren Zeitraum von Grund auf auszubilden, sagt der Fachmann. Aber es gibt niemanden, der ausbildet. Selbst in St. Petersburg und Moskau gebe es nicht genügend Bäcker.
„Ein Student im dritten oder vierten Semester hat zum Beispiel nichts dagegen, im Sommer Teilzeit zu arbeiten“, so der Chef des Bäckerverbandes. „Ich biete ihm 45.000 Rubel für die Arbeit in einer warmen Bäckerei mit einer Zwölf-Stunden-Schicht. Und ein Geschäft, das Süßigkeiten verkauft, bietet ihm 50.000 Rubel. Und hier hat man die Wahl: nur im Laden zu sitzen oder im Sommer in die Backstube zu gehen, in der es trotz Belüftung und Kühlung ziemlich heiß ist. Oder zum Beispiel in einem der Lager von Wildberry oder Ozon zu arbeiten, die sich jetzt sehr schnell in den Regionen entwickeln. Und für eine Stelle als Lagerarbeiter werden ihm 70.000 angeboten.“
„Unter den aktuellen Bedingungen denken wir unter anderem über die Zusammenarbeit mit ausländischen Fachkräften nach“, sagt Semenow. Wir rechnen und überlegen jetzt, wie wir ausländische Arbeitskräfte für unsere Produktion gewinnen können, auch wenn sie ungelernt sind.
Wie Juri Katsnelson, Präsident der Russischen Bäcker- und Konditoreninnung (ROSPiK), gegenüber dem Parlamentsblatt PNP erklärte, kann das auf rund 230.000 Personen geschätzte Defizit an Fachkräften frühestens in fünf Jahren ausgeglichen werden. Wenn man bedenkt, dass der Anteil derer, die nach der Ausbildung in ihrem Fachbereich arbeiten, nicht mehr als 56 Prozent der Gesamtzahl der Absolventen der Bildungseinrichtung beträgt, kann der Zeitraum für die Behebung des Fachkräftemangels bis zu 10 Jahre betragen.
„Der Preisanstieg für Brot und Backwaren lag im Jahr 2023 unter der Inflationsrate und wird auch im Jahr 2024 nicht über der Inflationsrate liegen“, so die ROSPiK. Den Haupteinfluss auf die Einzelhandelspreise hat die Handelsspanne, die 35 Prozent erreicht. Die Bäcker schlagen vor, das Problem der hohen Handelsspannen in den Einzelhandelsketten durch die Entwicklung eines eigenen Einzelhandels durch die Bäcker zu lösen.
Die Industrie sei nicht daran interessiert, die Preise für ihre Produkte zu erhöhen. Eine Neuverhandlung der Preise mit den Einzelhändlern sei schwierig bis unmöglich, sagt der Verbandschef der Bäcker Semenow. „Wir sind natürlich für Stabilität, aber es gibt eine Inflation.“ Grundsätzlich stiegen die Kosten für Brot. Wie für alle anderen Produkte auch. Eine andere Sache sei, dass Brot ein sozial wichtiges Produkt ist. Es ist ein Grundnahrungsmittel und die Unternehmen könnten die gestiegenen Kosten nicht einfach auf die Verkaufspreise umlegen. Eine besondere Verantwortung liege bei den regionalen Verwaltungen, die direkten Einfluss auf die Gestaltung der Tarife für Dienstleistungen von natürlichen Monopolen und auf die Kosten für öffentliche Dienstleistungen haben.
In Anadyr – Hauptstadt des Autonomen Kreises der Tschuktschen im äußersten Osten Russlands nahe Alaska – kann ein Laib Schwarzbrot 350 Rubel kosten. Das liegt daran, dass die Zutaten nur während der Schifffahrtssaison, also praktisch einmal im Jahr, importiert werden können. Im Rest des Fernen Ostens ist es billiger und kostet bis zu 100 Rubel. Das billigste Brot werde im Kaukasus verkauft, so der Semenow. Zum Beispiel in Inguschetien und Nordossetien. Dort ist das Brotbacken ein Massenphänomen. Das billigste Brot im Norden des Landes gibt es in Tuwa im südlichen Sibirien an der Grenze zur Mongolei. Im vergangenen Jahr kostete ein Weizenbrot (700 Gramm) bester Qualität in einem Geschäft 23 Rubel. Das liegt daran, dass die lokalen Behörden die Industrie subventionieren.
Auf russischem Territorium sind 18.200 Unternehmen im Bäckerhandwerk tätig, davon 6.600 in ländlichen Gebieten. Kleinst- und Kleinbetriebe machen 95,7 Prozent der Bäckereien aus, während das mittlere Segment 3,2 Prozent und das industrielle Segment 1,1 Prozent der registrierten Unternehmen ausmachen. Im Jahr 2023 waren in Russland fast 210.000 Personen mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren in Unternehmen aller Eigentumsformen beschäftigt. In Russland gibt es rund 60 Hochschulen und 155 Fachmittelschulen, die Ingenieure für Bäckereiproduktion, Köche, Konditoren sowie Bäckerei- und Konditoreifachleute ausbilden. Jedes Jahr schreiben sich rund 50.000 Personen ein.
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