Die Gasförderung in Russland ist im Vergleich zum Vorjahr weiter rückläufig. Laut dem russischen Wirtschaftsblatt Kommersant sank die Gasförderung von Januar bis April im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 235 Milliarden Kubikmeter, im April um 10,3 Prozent auf 55 Milliarden Kubikmeter. Der Rückgang geht vor allem auf das Konto von Gazprom, das seine Produktion zwischen Januar und April um fast ein Viertel reduzierte. Die unabhängigen Produzenten, die mehr auf den heimischen Markt als auf Exporte in die EU ausgerichtet sind, haben ihre Produktion leicht gesteigert.
Das Produktionsvolumen der „anderen Untergrundnutzer“, das fast vollständig die Produktionszahlen des Monopolisten widerspiegelt, sank laut Kommersant im April um 20 Prozent auf 34 Milliarden Kubikmeter und im Zeitraum Januar bis April um 18,24 Prozent auf 150,9 Milliarden Kubikmeter, worin das Abfackeln von Gas enthalten ist. Der Rückgang der Gasförderung von Gazprom ist das Ergebnis eines Rückgangs der Exporte nach Europa, die nur noch in relativ geringen Mengen über die Ukraine und Turkish Stream erfolgen.
„Die Produktion von Gazprom bleibt unverhältnismäßig niedrig und das Unternehmen muss die Hauptlast bei der Regulierung der russischen Gasbilanz tragen, indem es die Bohrungen auf seinen Feldern reduziert, während die Exportnachfrage nach russischem Gas in Europa stark zurückgeht“, kommentiert die Higher School of Economics.
Im vergangenen Jahr musste Gazprom seine Produktion um 20 Prozent drosseln, weil der europäische Markt wegfiel. Gleichzeitig stieg die Produktion unabhängiger Produzenten, die stärker auf den heimischen Markt ausgerichtet sind. Unter diesen Umständen ist Gazprom gezwungen, sich wieder auf den Binnenmarkt zu konzentrieren. Zu diesem Zweck schlägt das Unternehmen Berichten zufolge eine Reform der Gaspreisbildung vor, um mit den unabhängigen Anbietern konkurrieren zu können.
Auch Gazprom Neft hat seine Gasproduktion deutlich reduziert, im April um 18 Prozent und in den ersten vier Monaten des Jahres um 18,4 Prozent.
Die unabhängigen Produzenten haben ihre Produktion leicht erhöht. Der größte unter ihnen, Novatek, steigerte seine Produktion im April um 1,6 Prozent. Im Vergleich zum März (plus 6 Prozent) hat sich das Produktionswachstum verlangsamt. Im Viermonatszeitraum blieb die Produktion in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Rosneft setzt die Produktionssteigerung durch Kapazitätserweiterungen aktiv fort (plus 76 Prozent im Zeitraum Januar-April und 83 Prozent im April). Das Unternehmen verbrenne nach wie vor große Mengen an Erdölbegleitgas und habe eine der schlechtesten Kennziffern in der Branche, was dessen sinnvolle Nutzung angeht.
Die Produktion der anderen großen Ölkonzerne, die im März bei sinkender Ölproduktion auch einen negativen Trend bei der Gasproduktion verzeichneten, hat sich stabilisiert. LUKOIL steigerte die Gasförderung im April um 2,5 Prozent auf 1,5 Milliarden Kubikmeter, in den letzten vier Monaten sank sie jedoch um 1,8 Prozent auf 6,2 Milliarden Kubikmeter. Tatneft und Baschneft steigerten ihre Gasproduktion im April, wenn auch nur symbolisch. Surgutneftegaz reduzierte die Förderung im April um 13,4 Prozent auf 604,4 Millionen Kubikmeter.
Der anhaltende Rückgang der Gasproduktion und die Stabilisierung der Gaspreise verschärfen die Lage der russischen Wirtschaft. Von Januar bis April beliefen sich die russischen Öl- und Gaseinnahmen auf 2,3 Billionen Rubel (derzeit etwa 28 Milliarden Euro), nur halb so viel wie im gleichen Zeitraum 2022. Das Haushaltsdefizit erreichte in den ersten vier Monaten einen Rekordwert von 3,4 Billionen Rubel, während für das Gesamtjahr 2,9 Billionen Rubel prognostiziert wurden.
Der unabhängige Öl- und Gasexperte Michail Krutikhin sieht die am 23. Mai von Gazprom präsentierten Ergebnisse für 2022 düster. Im ersten Halbjahr 2022 hatte Gazprom noch satte Gewinne von (2,4 Billionen Rubel) einfahren können, im zweiten Halbjahr ein Verlust von 1,2 Billionen Rubel. Der Gesamtgewinn des Unternehmens für das ganze Jahr sank um fast die Hälfte auf 1,226 Billionen Rubel. Gefragt ob Gazprom irgendwann in Konkurs gehen wird, wollte er dies nicht ausschließen: „In einer normalen Wirtschaft, nicht in einer Mobilisierungswirtschaft, würde die derzeitige Situation bedeuten, dass alles auf den Bankrott zusteuert. Und zwar freiwillig. Denn das Unternehmen hat seinen profitabelsten Markt verlassen.“
Experten erinnern daran, dass die Gasproduktionszahlen zu Beginn des vergangenen Jahres auf Rekordniveau lagen und der Effekt dieser hohen Basis bald nachlassen wird. Bereits im Mai dürfte sich der Rückgang verlangsamen und im Sommer wird sich die Produktion auf dem niedrigen Niveau des Sommers 2022 stabilisieren.
Gazprom selbst gibt an, dass die schlechten Berichtszahlen darauf zurückzuführen sind, dass das Unternehmen in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 mit höheren Steuern, insbesondere der MWB, belastet wurde. Am 30. Mai tagt der Vorstand, der entscheiden wird, ob Dividenden ausgeschüttet werden.
[hrsg/russland.NEWS]
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