„Das derzeitige Wachstumsmodell der russischen Wirtschaft hat sich erschöpft. Für die weitere Entwicklung brauchen wir den Sprung auf die nächste technologische Stufe”, sagte Maxim Oreschkin, stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung und ehemaliger Wirtschaftsminister, in einem Interview mit der Zeitschrift Experte.
Russlands Wirtschaft entwickelt sich aktiv, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass „das schlummernde, ungenutzte Potenzial“, vor allem die Humanressourcen und die Produktion, aktiviert wurde. „Dieses Wachstumsmodell hat sich jedoch erschöpft“, so der hohe Kremlbeamte.
„Eine so niedrige Arbeitslosenquote wie in Russland finden Sie in keinem großen Land der Welt. Auch die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten ist recht hoch“, sagte er im Vorfeld des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg.
Laut Oreschkin muss die Wirtschaft, damit die Entwicklung weitergeht, „nicht einen Schritt nach vorne, sondern nach oben machen, auf die nächste technologische und organisatorische Stufe“.
Nach Angaben von Rosstat ist die Arbeitslosenquote in Russland seit Januar 2024 kontinuierlich gesunken und hat einen historischen Tiefstand erreicht. Im Januar 2025 verzeichnete sie jedoch zum ersten Mal seit Ende 2023 ein Wachstum: Sie lag bei 2,4 Prozent gegenüber 2,3 Prozent im Dezember (nicht saisonbereinigt).
Oreschkin sagte, dass die niedrige Arbeitslosigkeit ein weltweiter Trend sei, der „jetzt für immer bei uns ist”. Seiner Meinung nach spiegelt die Art und Weise, wie die Arbeitslosenquote berechnet wird, immer weniger die Situation in der Wirtschaft wider, da sich auch die Form der Beschäftigung wandelt: „Die Arbeit wird weniger prozess- und mehr projektbasiert, d. h. ad hoc.”
Im weiteren Verlauf des Interviews geht er auf die Auswirkungen digitaler Plattformen auf die wirtschaftliche Umstrukturierung ein. Seiner Meinung nach haben Plattformen einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft und es besteht keine Notwendigkeit, sie zu regulieren. „Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Regeln und Raum für Wachstum zu wahren”, so Oreschkin.
Russlands BIP ist laut der Statistik-Behörde Rosstat 2024 um 4,3 Prozent gewachsen. Laut der Aprilprognose des Wirtschaftsministeriums wird die Wirtschaft 2025 um 2,5 Prozent und 2026 um 2,4 Prozent wachsen. Für die nächsten beiden Jahre werden 2,8 bzw. 3 Prozent erwartet. Das konservative Szenario, das eskalierende Handelskonflikte und eine sich verlangsamende Weltwirtschaft berücksichtigt, sagt voraus, dass das BIP-Wachstum 2025 bei 1,8 Prozent und 2026 bei 1,2 Prozent liegen wird. In den Jahren 2027–2028 soll es sich dann auf 2,3 bzw. 2,9 Prozent beschleunigen.
Auch die Regierung und die Zentralbank prognostizieren, dass das russische BIP-Wachstum bis Ende 2025 niedriger ausfallen wird als im vergangenen Jahr. Präsident Wladimir Putin hält eine Abkühlung der russischen Wirtschaft für unvermeidlich. Er rief aber dazu auf, „sehr vorsichtig” zu handeln und eine „übermäßige Abkühlung wie in einer Kältekammer” zu vermeiden.
Putins Sprecher Dimitri kommentierte die Äußerungen zum erschöpften Wachstumsmodell der Wirtschaft mit der Zusicherung, „rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um das Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands aufrechtzuerhalten“. Die Regierung und die Präsidialverwaltung diskutieren aktiv über Ansätze zur Entwicklung der russischen Wirtschaft, aber es gibt „verschiedene Nuancen” in dieser Frage, so Peskow gegenüber der Zeitung RBK.
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