Kein Hustenlöser mehr? Weitere Medikamente könnten vom russischen Markt verschwinden© russland.news

Kein Hustenlöser mehr? Weitere Medikamente könnten vom russischen Markt verschwinden

In Russland könnte sich der Mangel an einer großen Menge von Arzneimitteln verschärfen. Ein Teil von ihnen ist bereits aus den Apotheken verschwunden und Ende Juli sandte das russische Gesundheitsministerium einen Brief an medizinische Einrichtungen, in dem 196 Medikamente aufgelistet waren, die in nächster Zeit vom russischen Markt verschwinden würden. Ein russischer Kardiologe erklärt: „Das Gesundheitsministerium veröffentlicht jedes Jahr eine Liste mit Höchstpreisen für wichtige Medikamente. Wie die Preise zustande kommen, regelt der Markt. Und wenn die Preise zu niedrig sind, ist es einfach nicht rentabel, die Medikamente zu verkaufen.

Besonders verschwinden die billigsten russischen Medikamente vom Markt, wie das sehr alte Antibiotikum Ampicillim, das etwa 20 Rubel pro Ampulle kostet. Aber durch die Kosten des neuen Systems der QR-Codes lohnt es sich nicht mehr, sie zu verkaufen.“

Später zog das Gesundheitsministerium jedoch das Dokument „zur Präzisierung“ zurück, berichtet das russische Exil-Magazin Cholod, die diese Liste erhalten hat. Die Liste soll auch lebenswichtige Medikamente, von denen einige in Russland keine Analoga haben, enthalten.

Viele der Medikamente aus der Liste gibt es bereits nicht mehr auf dem russischen Markt, andere sind tatsächlich „veraltet“ und wurden deswegen gestrichen. Für sie existieren modernere und qualitativ hochwertigere Alternativen. Zum Beispiel bestätigte der deutsche Konzern GlaxoSmithKline auf Anfrage von Cholod, dass unter anderem keine Impfung zur Vorbeugung von Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geliefert werden.

Die Liste enthält auch mehr als dreizehn Antibiotika, antibakterielle und antivirale Medikamente. Manch russischen Ärzten bereitet das potenzielle Verschwinden von modernen Antibiotika große Sorge, besonders in Moskauer Privatkrankenhäusern. „Ärzte für Normalsterbliche kennen diese Antibiotika sowieso nur aus medizinischen Fachzeitschriften, da sie in den staatlichen Krankenhäusern üblicherweise nicht verfügbar sind“, kommentiert ein russischer Mediziner den vermeintlichen Mangel an Antibiotika.

Es handelt sich im Brief vom Gesundheitsministerium auch um Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen. Die meisten von ihnen werden von der israelischen Firma Teva hergestellt. Experten zufolge sind die russischen Analoga in Bezug auf Qualität unterlegen und haben viele Nebenwirkungen, während die Teva-Präparate in Krankenhäusern, in denen Patienten mit Krebs behandelt werden, aktiv eingesetzt werden.

Teva begann bereits im Jahr 2020 aufgrund wirtschaftlicher Unrentabilität damit, seine Medikamente schrittweise vom russischen Markt zurückzuziehen. Ein Onkologe einer der russischen Privatkliniken sagte jedoch gegenüber Cholod, dass die russischen Analoga schon lange im Einsatz sind: Man könne nicht behaupten, dass sie „schlechter sind, weil keine Studien durchgeführt wurden, die die Wirksamkeit von Generika mit der Wirksamkeit des Originals verglichen hätten“.

Die Liste enthält auch Medikamente zur Behandlung von HIV. Es gibt allerdings Analoga, die in Russland hergestellt werden. Hier liegt jedoch ein Problem bei den Lieferungen vor: Einige Regionen warten monatelang auf Lieferungen oder können aufgrund fehlenden Budgets keine Medikamente kaufen, wodurch die Menschen ohne Therapie bleiben. Die Liste umfasst auch in Russland beliebte Medikamente gegen Husten und Schleim, fiebersenkende Mittel für Kinder, Schmerzmittel, Inhalatoren für Asthmatiker, Tabletten und Lutschtabletten gegen Halsschmerzen. Darüber hinaus werden in dem Brief auch Impfstoffe aufgeführt, wie zum Besipiel Infanrix gegen Diphterie.

Der Rückzug von Arzneimitteln vom russischen Markt könnte durch den Konflikt mit der Ukraine und den eingebrochenen Rubelkurs beschleunigt sein.

Ein Praktiker an der medizinischen Front will die aktuelle Situation nur indirekt mit dem Krieg erklären: „Die Situation in der Medizin ist seit vielen Jahren so schlecht, dass es schwer ist, sie signifikant zu verschlechtern. Nur der geringe Stellenwert der Sozialfürsorge in den Prioritäten des kriegführenden Staates sei hinzukommen.“ Das Problem sei „älter als der Krieg, vor allem wegen hoher Kosten für Korruption und Verwaltung“.

Das Gesundheitsministerium macht die Hersteller für die Einstellung der Lieferungen verantwortlich und warnt vorsorglich vor „illegalem Import von Arzneimitteln aus dem Ausland“ und dem „Auftreten einer großen Menge von Fälschungen auf dem Markt“.

 [hrsg/russland.news]

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