Wirtschaftssanktionen: Wem schaden sie mehr?Moscow-City © russland.news

Wirtschaftssanktionen: Wem schaden sie mehr?

Jeder militärische Konflikt hat auch eine wirtschaftliche Komponente. Entweder als direktes Kriegsziel, wie beim Einmarsch der USA im Jahre 2002 in den Irak oder als Folge , wie bereits jetzt bei der Invasion Russlands in die Ukraine zu sehen ist  Die EU und die USA haben umfangreiche Sanktionen gegen Russland angekündigt, vor allem im finanziellen Bereich. In Brüssel wurde gestern das angekündigte Sanktionspaket geschnürt. Es umfasst die Bereiche Finanzen, Hochtechnologie und Transport.

Russische Banken sollen sich in der EU künftig kein Geld mehr ausleihen und auch kein Geld mehr verleihen können. Zudem soll die Refinanzierung russischer Staatsunternehmen in der EU verhindert werden. Ihre Aktien sollen nicht mehr in der EU gehandelt werden. Den führenden russischen Banken, wie der Außenwirtschaftsbankbank VEB oder der Sberbank Operationen mit westlichen Kreditinstituten untersagt werden. Im Raum steht auch eine Abkopplung der Russischen Föderation vom internationalen Zahlungssystem SWIFT. Das bedeutet nicht nur, dass die russischen Bürger ihre Kreditkarten im In- und Ausland nicht mehr einsetzen können, sondern vor allem die Verrechnungen in den internationalen Handelsbeziehungen nicht mehr funktionieren würden. Dann käme wohl die Zeit der Geldkoffer zurück. Aber so weit wird das internationale Business, bei allem Patriotismus, höchstwahrscheinlich nicht gehen. Denn: Geschäft bleibt Geschäft, und das will man sich durch so einen Konflikt nicht dauerhaft kaputtmachen lassen.

Gas von zweifelhaften Anbietern

Ein besonderes Kapitel der Sanktionen ist die Energiewirtschaft. Aus deutscher Sicht ist der langfristige Verzicht auf die Inbetriebnahme der Erdgasleitung Nord Stream 2 die einschneidendste Maßnahme. Mit der Konsequenz, dass die Energiepreise bei uns weiter rapide ansteigen. Wobei die Energiekonzerne kaum auf ihre Rendite verzichten wollen. Aber Deutschland und die EU brauchen das Gas, zumal die Niederlande und Norwegen angekündigt haben, kein oder weniger Erdgas fördern zu wollen. Man habe bereits andere Bezugsquellen ausfindig gemacht, so Kanzler Scholz. Etwa das Menschenrechts-Musterland Saudi-Arabien oder das teure und umweltschädliche Fracking-Gas aus den USA. Aber möglich wären auch eine Aufstockung des aus Frankreich bezogenen Atom-Stroms oder verstromte Steinkohle aus Polen. Interessant ist, dass die USA, immerhin Russlands drittgrößter Erdöl-Importeur, diesen fossilen Brennstoff nicht auf die Sanktionsliste setzen will.

Hitech-Verbot soll russische Industrie bremsen

Weiter soll ein Verbot, zumindest eine Kontrolle des Exports von Hochtechnologie kommen, womit man vor allem den deutschen Maschinenbau-Unternehmen in die Suppe spucken würde. Allerdings würden auch russischen Betrieben vielfach dringend benötigte spezielle Komponenten aus dem Westen, zum Beispiel in der Bauchemie, fehlen, ohne die ihre eigenen Produkte nicht einsetzbar wären. Bei den Sanktionen gegen den Transportsektor geht es vor allem darum, die russische Luftverkehrsbranche von der Versorgung mit Ersatzteilen und anderer Technik abzuschneiden. Damit könne man mit relativ kleinem Aufwand riesige Wirkung erzielen und sogar ganze Flotten stilllegen, hieß es in Brüssel.

Russland sucht nach Gegenmaßnahmen

Aber möglicherweise hofft Putin auf einen ähnlichen Effekt wie nach seinen Gegensanktionen von 2014, als beispielsweise eine effektive eigene Milchproduktion aufgebaut wurde.

Aber auch auf die Weltwirtschaft insgesamt zeigt der militärische Konflikt Auswirkungen. Der Erdölpreis für die meistgehandelte Sorte Brent schnellte sofort über die 100-Dollar-Marke, Weizen, Palmfett und Aluminium, bei denen die Russische Föderation einen erheblichen Marktanteil hält, wurden innerhalb eines Tages um 5-10 Prozent teurer. Mit solchen Entwicklungen wird die zarte Konjunktur, die sich zum Ende der Pandemie in den meisten westlichen Ländern wieder gezeigt hat, wieder in ihrem Wachstum gehemmt.

Wenn Putin behauptet, sein Land sei auf alle möglichen Szenarien, auch den Wirtschaftsbeziehungen zum Westen, vorbereitet, stimmt das nur zum Teil. Möglicherweise konnte man absehen, dass der Wechselkurs des Rubels wieder sinkt, aber zum Beispiel gegenüber dem Euro um fast sieben Rubel auf rund 98 Rubel sind doch heftig. Dass die Moskauer Börse um fast 50 Prozent einbricht, war in dem Ausmaß allerdings nicht „eingepreist“. Es ist der größte Einbruch in der Geschichte des Handelsparketts. An den ausländischen Börsen fand praktisch kein Handel mit russischen Wertpapieren, einer wichtigen Geldquelle, mehr statt. Die USA und die EU stellten zudem den Handel mit russischen Staatsanleihen komplett ein.

Trotzdem bezeichneten Experten, dem russischen Wirtschaftsportal rbc.ru zufolge, die Sanktionen „als schmerzhaft, aber nicht tödlich.“ Der Blick geht dabei nach China, mit dem Russland beim jüngsten Treffen von Putin und Xi umfangreiche Wirtschaftsverträge abschloss. Das mag auch die zurückhaltende Reaktion der Volksrepublik auf das militärische Vorgehen Russlands erklären.

Insofern ist noch nicht ausgemacht, wer den größeren Schaden von den Sanktionen hat. Einer aber auf keinen Fall: die USA.

[hh/russland.capital]

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