„Wir haben viele davon“ – Lebensstandard der Russen sinktFoto © Mitja Aleshkowski

„Wir haben viele davon“ – Lebensstandard der Russen sinkt

Im Dezember letzten Jahres prognostizierte die Weltbank, dass Russlands Armutsquote 14,2 Prozent erreichen würde, während das BIP um vier Prozent sinkt. Ein Jahr zuvor lag die Armutsquote im Land bei 12,3 Prozent. Die Anfang Januar veröffentlichten Daten der russischen Statistikbehörde Rosstat zeigten einen Rückgang des BIP für 2020 um 3,1 Prozent.

Nach den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds zum Pro-Kopf-BIP ist Russland von Platz 56 in der Welt auf Platz 68 gefallen. Bei diesem Tempo wird der Lebensstandard Russlands innerhalb von fünf Jahren auf das Niveau von Turkmenistan abrutschen.

Dabei hat ein Viertel der Russen nicht einmal genug Gehalt für die Grundbedürfnisse, so die Umfrage des Rekrutierungsdienstes hh.ru und des Fintech-Dienstes „Money Ahead“, schreibt die Zeitung The Bell. Fast die Hälfte derjenigen, die kaum über die Runden kommen, haben ein „Defizit“ von mehr als 20.000 Rubel. Für 25 Prozent der Befragten deckt das Gehalt nicht die Grundbedürfnisse, während es bei 39 Prozent kaum ausreicht. Nur 36 Prozent der Befragten konnten mit ihrem Gehalt ihre Grundbedürfnisse vollständig befriedigen.

Im Durchschnitt geben die Russen ein Drittel ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Laut der Studie der Weltbank liegt Russland in dieser Hinsicht auf Platz 31 unter den vierzig europäischen Ländern.

Von denjenigen, die nicht genug Geld haben, fehlen 46 Prozent mehr als 20.000 Rubel pro Monat, 44 Prozent brauchen zwischen 10.000 und 20.000 Rubel, und jeder Zehnte benötigt zwischen fünf- und zehntausend Rubel mehr im Monat.

Wegen des Geldmangels müssen drei Viertel der Russen auf Reisen und den Kauf neuer Kleidung und Schuhe verzichten, 71 Prozent auf Unterhaltung, 42 Prozent auf bezahlte Medizin und Medikamente.

Laut einer landesweiten Umfrage der Stiftung Öffentliche Meinung (FOM) im vergangenen November hielten nur fünf Prozent der Umfrageteilnehmer die wirtschaftliche Situation in Russland für gut. 45 Prozent bezeichneten die Situation als „schlecht“. Die negative Bewertung wird am häufigsten von jungen Menschen, Menschen mit höherer Bildung und schlechter finanzieller Situation abgegeben. Siebzehn Prozent der Befragten sagten, dass es keine Veränderung gegeben hat. Inzwischen glaubt die Mehrheit von 59 Prozent der Russen, dass die Situation nur noch schlimmer wird.

Eine Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstitutes Lewada-Zentrum vom Dezember ergab, dass fast sechzig Prozent der Russen glauben: Im Jahr 2020 hat sich die Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen, verschlechtert.

Der Lebensstandard in Russland sinkt weiter. In den letzten sieben Jahren sind die Einkommen zwar nominell um 17.000 Rubel gestiegen, tatsächlich sind sie aber aufgrund des immer wieder gestiegenen Dollarkurses um mehr als ein Viertel gefallen. Nach Angaben von Rosstat ist das real verfügbare Einkommen der Russen im vergangenen Jahr sogar um 3,5 Prozent gesunken. Im Durchschnitt lebten die Menschen von 31 bis 35.000 Rubel pro Monat (etwa 330 Euro).

Im vergangenen März sorgte eine Äußerung des Präsidenten Wladimir Putin, dass siebzig Prozent der russischen Bevölkerung der Mittelschicht angehören, für viel Aufsehen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Tass erklärte er, dass er von der Methodik der Weltbank ausgeht, nach der zur Mittelschicht jene Menschen gezählt werden können, deren Einkommen das Eineinhalbfache des Mindestlohns beträgt. Da der Mindestlohn in Russland etwas mehr als 11.000 Rubel beträgt, bedeutet das, dass die Mittelschicht aus Menschen besteht, die etwa 17.000 Rubel verdienen. „Wir haben ziemlich viele davon“, sagte das Staatsoberhaupt damals.

[hrsg/russland.NEWS]

Kommentare