Mandanten der Rechtsanwaltskanzlei Rödl & Partner stehen vor Entscheidungen, die die mittel- und langfristige Entwicklung ihrer ausländischen Unternehmen in der Russischen Föderation betreffen. Für solche Unternehmen ist derzeit eine dynamische Anpassung an die neuen wirtschaftlichen und rechtlichen Realitäten wichtig. Die derzeit von Gesetzgebern wie den EU-Staaten, Russland und den USA verabschiedeten Gesetze müssen kurzfristig fast ohne Übergangsfristen angewandt werden.
Der Rechtsanwendung und Rechtsprechung ist keine Zeit gegeben, eventuelle ungewollte Lücken zu schließen und so gewisse Auslegungsstützen und Stützen für unternehmerische Entscheidungen zu geben. Die fehlende Rechtssicherheit in den verschiedenen Gesetzgebungen fordert daher eine besonders gründliche Analyse der eigenen Geschäfte und Risiken. Die mit Abstand wenigsten ausländischen Unternehmen verlassen den russischen Markt für immer, so ist die zukünftige Ausrichtung des Russland-Geschäfts eine durchaus omnipräsente Frage.
Der erste Schritt sollte sein, die eigenen Geschäfte auf Betroffenheit von Sanktionen zu überprüfen. Dazu gehört neben der Überprüfung der Produkte und Dienstleistungen auch die Prüfung der bestehenden und zukünftigen Geschäftspartner auf deren Sanktionsanfälligkeit. Somit kommt dem Prozess Know-Your-Customer (KYC) eine neue entscheidende Bedeutung zu. Bei Verstößen gegen Verbote drohen in der EU höhere Strafen. Die künftige Ausrichtung und der Aufbau des Russland-Geschäfts ist auf den Prüfstand zu stellen.
Hier bieten die von dem Vizeministerpräsident Russlands, Andrei Beloussow, aufgestellten drei Szenarien eine gewisse Gedankenstütze an: die Fortsetzung der Arbeit in Russland, Übertragung der Anteile an einen Treuhandnehmer oder das Verlassen des Marktes. Diese Möglichkeiten bieten Spielraum für Unternehmen abhängig von äußeren Umständen und der internen Abstimmung die jeweils optimale Richtung einzuschlagen. Eine Fortführung der bisherigen Geschäftstätigkeit kommt in Frage, wenn das Geschäft nicht von Sanktionen betroffen ist. Man hat unter Umständen den Betrieb an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Markt anzupassen.
Ausländische Unternehmen können jedoch auch mit einigen Veränderungen auf dem russischen Markt verbleiben. Eine vorübergehende Stilllegung der Geschäfte ist möglich, wobei das Unternehmen in eine Art „Winterschlaf“ versetzt wird. Dabei bleiben alle Verpflichtungen einer aktiven Gesellschaft bestehen. Dies stellt viele Unternehmen vor einige Probleme wie beispielsweise den sinkenden Bedarf an Arbeitskräften vor Ort. Unternehmen, die sich für eine zeitweise Stilllegung entscheiden, stehen vor der Herausforderung, rechtssicher und verantwortungsvoll Mitarbeiter zur Kostenminimierung zu entlassen. Weiterhin stellt sich die Frage nach den Mitteln, aus welchen der weitere Betrieb finanziert werden soll. Schließlich wird der Betrieb weitestgehend bei weiterem Fortbestehen von den üblichen Verpflichtungen einer aktiven Gesellschaft eingestellt, die neben Prüfungen durch die Steuerinspektion und Saldenabgleichen auch die Entrichtung von Mietzinsen und Erfüllung sonstiger vertraglicher Verpflichtungen beinhalten.
Die Übertragung an einen Treuhandnehmer ist eine praktisch weniger relevante Lösung. Trotz einiger, eingeschränkter Möglichkeiten der Einflussnahme des Eigentümers auf die Treuhandverwaltung und der Option, Einkünfte aus der Nutzung der Anteile zu beziehen, ist die Abgabe eines Unternehmens in eine Treuhandverwaltung riskant und höchstens für fünf Jahre möglich. In der Praxis spielt diese Option eher eine untergeordnete Rolle.
Weiterhin ist das Übertragen von Anteilen eines Unternehmens an das russische Management zu betrachten. Dabei gibt es Schutzmechanismen für eine Rückkehr, die regelmäßig genutzt werden, wie etwa die Rückerwerbsoption, die Verpfändung von Vermögen oder/und Anteilen. Jedoch ist auch diese Variante nicht frei von Herausforderungen. So wurden zuletzt Fälle öffentlich, in welchen symbolische und äußert niedrige Beiträge gezahlt wurden, um Anteile eines ausländischen Unternehmens auszulösen.
Dies scheint nicht zuletzt aus steuerrechtlicher Sicht gefährlich, und muss im Voraus gründlich geprüft werden. Andererseits stellt sich die Frage, wie das russische Management bei einem Kauf von ausländisch gehaltenen Anteilen eines Unternehmens, einen angemessen hohen Betrag aufbringen soll, um Verlustgeschäfte zu vermeiden. Auch das Management-Buy-Out hat daher seine Tücken.
Neben der Relocation in ein anderes Land der eurasischen Wirtschaftsunion ist schließlich die freiwillige Liquidation eine Option. Von der Insolvenz wäre unter Berücksichtigung der Haftungsrisiken abzuraten. Auf jeden Fall zu vermeiden die strafbare vorsätzliche Insolvenz und was der russische Staat als Zeichen einer solchen deuten könnte. So stellt die Auflösung von Betrieben oder ihren Teilen die Gefahr dar, als Hinweis auf einen strafbaren, vorsätzlichen Bankrott aufgefasst zu werden.
Der Prozess der Lösungsfindung ist komplex und individuell für jede Branche und für jedes Unternehmen. Es müssen die Gefahren und Vorteile der Möglichkeiten abgewogen werden, um schlimmstenfalls zivil- und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden und bestenfalls nachhaltige und zukunftsorientierte Lösungen zu finden.
Alexey Sapozhnikov
Rechtsanwalt (DE), Partner, Leiter der Rechts- und Steuerberatung, Generaldirektor OOO Rödl & Partner
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