Der zirkumboreale Waldgürtel macht fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche aus. Boreale Wälder bieten der lokalen, regionalen und globalen Bevölkerung wichtige Dienste. Sie tragen durch den Austausch von Energie und Wasser zur Regulierung des Klimas bei. Aus Russland, in dem mehr als ein Fünftel der Wälder weltweit beheimatet sind und dadurch einen enormen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten kann, kommt nach vielen Schreckensmeldungen über Waldbrände und extensive Abholzung eine gute Nachricht.
Die internationale Forschungsgruppe IIASA hat eine Studie mit neuen Schätzungen der in russischen Wäldern enthaltenen Biomasse vorgelegt, die einen erheblichen Anstieg in den letzten Jahrzehnten bestätigt. Das Wachstum der Wälder in den Jahren zwischen 1988 und 2014 fiel um etwa 40 Prozent höher aus, als im staatlichen Forstregister angegeben und an die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gemeldet wurde.
Das Team um Dmitry Schepaschenko und Florian Kraxner ermittelte mithilfe moderner Methoden die Waldfläche Russlands anhand von Radar- und Satellitendaten. Damit konnten sie Angaben russischer Behörden vervollständigen und die bislang unbeachtete Biomasse der russischen Wälder berechnen.
Der Forstwissenschaftler und Ökosystemdienstleiter Florian Kraxner weist in einem Interview mit Nature Scientific Reports auf die entscheidende Bedeutung dieses hohen Wachstums des Waldes hin. Russland sei das größte Land der Welt und beherbergt mit dem zirkumborealen Waldgürtel den größten Anteil globaler Biomasse: „Das ist hochrelevant für das Klima.“ Selbst ein geringes Wachstum oder geringer Abfall der russischen Waldmenge wirke sich durch ihr Kohlenstoffbindungspotenzials auf den Kohlenstoffdioxid-Gehalt der Luft weltweit aus.
„Wir wollten den Bestand an lebender Biomasse russischer Wälder und ihr Minderungspotential von Treibhausgasemissionen durch Kohlenstoffspeicherung bestimmen. Die gemeinsame Anstrengung unseres vielfältigen Teams, bestehend aus Vertretern der russischen staatlichen Forstbehörde, Forstvermessung, akademischen Forschungsinstituten und anderen Bildungseinrichtungen, ermöglichte es uns, ein wichtiges reproduzierbares wissenschaftliches Ergebnis zu erzielen“, so Studienleiter Schepaschenko.
Das bisherige Wachstum der Wälder reiche dem Forscherteam zufolge aus, um den Rückgang der tropischen Regenwälder auszugleichen. „Die Zunahme der Bestandsakkumulation in russischen Wäldern zwischen 1988 und 2014 weist dieselbe Amplitude auf wie die Nettowaldbestandsverluste in tropischen Ländern“. Jedoch sei erwiesen, dass es in den kommenden Jahren bei zunehmender Klimaverschlechterung zu weiteren, großflächigen Waldbränden kommen wird. Damit hier eine Balance stattfinden kann, sei es erforderlich, die bestehenden Wälder Russlands und auch weltweit aufzuforsten. Dazu bedürfe es einer engen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik, um eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu erarbeiten und umzusetzen.
In der Sowjetunion war das Waldinventur- und Planungssystems FIP für die Forstwirtschaft zuständig. Seit der Auflösung der UdSSR kam es zu einem Rückgang der Zuverlässigkeit der Informationen über den russischen Baumbestand. Russland meldete fast keine Veränderungen, während Daten aus Satelliten zeigten, dass die russischen Wälder in den letzten zwei Jahrzehnten tatsächlich Vegetationsproduktivität, Baumbedeckung und oberirdische Biomasse zugenommen haben. Zusätzliche Inkonsistenzen bei den verfügbaren Daten traten auf, als Russland 2007 vom FIP zu seinem aktuellen System Nationale Waldinventar NFI wechselte – ein modernes Inventarisierungssystem, das auf einem statistischen Stichprobenverfahren basiert.
Die Autoren der IIASA-Studie haben die Daten aus dem Inventarsystem in Kombination mit einem dichten Netz von Bodenmessungen und multiplen Satellitendaten zu Modellen kalibriert, um eine neue Schätzung der Biomasse der russischen Wälder zu erstellen. Wie sie genau vorgegangen, ist auf englisch hier zu lesen.
„Diese Studie unterstreicht einmal mehr die wichtige Arbeit von Forschern der International Boreal Forest Research Association IBFRA, die wir besonders anerkennen möchten“, so Kraxner. Sein Forschungskollege Schepaschenko sieht Chancen für die Zukunft: „Noch wichtiger ist, dass unsere Arbeit dazu beigetragen hat, gegenseitiges Vertrauen, eine Politik des Datenaustauschs und hoffentlich das Potenzial für eine fruchtbare zukünftige Zusammenarbeit aufzubauen.“
[hrsg/russland.NEWS]
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