„Stresstoleranz, Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität“: deutscher Manager über das Erfolgsrezept in RusslandSimon Reimer

„Stresstoleranz, Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität“: deutscher Manager über das Erfolgsrezept in Russland

Simon Reimer ist Generaldirektor der Duravit Rus GmbH in Moskau. Er sprach mit russland.NEWS über Besonderheiten des russischen Kunden und darüber, warum er gern in Moskau lebt.

Herr Reimer, wie lange arbeiten Sie schon in Russland?

Simon Reimer: Als Generaldirektor bin ich seit 2017 hier, aber davor war ich seit 2008 mindestens sechzig Mal in Russland. Ich habe alle größeren Städte mehrmals bereist, außer Krasnojarsk und Irkutsk. Ich kenne das Land also sehr gut.

Welche Eigenschaften muss Ihrer Meinung nach ein Topmanager haben, um in Russland erfolgreich zu sein? Sind Russischkenntnisse dabei obligatorisch?

Simon Reimer: Stresstoleranz, Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität sind die drei wichtigsten Faktoren für den Erfolg in Russland. Und natürlich Kreativität. Weil die Zeit hier viel schneller fließt als in Deutschland. Wenn Sie nicht ständig mit neuen Ideen zum Kunden kommen und Ihren Konkurrenten voraus sind, können Sie am Rande bleiben. Was die Kenntnis der russischen Sprache betrifft, so halte ich das für sehr wichtig. Denn es ist besser, mit seinen Geschäftspartnern in deren Sprache zu kommunizieren. Eigentlich ist es nicht einmal die Sprache, sondern die Mentalität. Zum Beispiel ist Humor in der Geschäftskommunikation sehr wichtig. Als ich kam, um den ehemaligen Direktor zu ersetzen, wusste ich, dass die alten Ansätze nach 2014 nicht einfach so auf die neue Realität übertragen werden können. Denn es gibt einen großen Unterschied zwischen der Arbeit in einem wachsenden und stagnierenden Markt.

Sie haben meine nächste Frage quasi vorweggenommen: Wie unterscheidet sich der russische Markt, insbesondere in jüngster Zeit, vom westeuropäischen Markt? Es ist üblich, vor allem über seine Volatilität zu sprechen.

Simon Reimer: Der Rückgang der Kaufkraft, die zunehmende Verschärfung des Wettbewerbsumfelds sind die Realitäten der letzten sechs Jahre. Darüber hinaus haben sich sowohl das Angebot als auch die Qualität des lokalen Produzenten erheblich verbessert. Allein das Label „Made in Germany“ funktioniert für den russischen Verbraucher nicht mehr. Deshalb ist es notwendig, laut über die eigenen Verdienste auf dem Markt zu sprechen, sie buchstäblich hinausposaunen. In einem reifen und kaufkräftigen Markt wie in Deutschland besteht weniger die Notwendigkeit, einen Kunden zu gewinnen. Oft reicht es aus, die Waren auszustellen und den Verkauf einigermaßen zu fördern. Aber hier, wissen Sie, geht es wie auf dem Basar: Wer am lautesten schreit, der verkauft sein Gemüse am besten. Understatement ist hier unangebracht, denn so bleiben Sie unbemerkt. Im Allgemeinen sind übertriebene Verbraucheranforderungen an den Produzenten typisch für den russischen Markt. Für den gleichen Geldbetrag erwartet ein russischer Kunde viel mehr Service als beispielsweise ein Deutscher. Sie müssen also viel mehr Aufwand in das Produkt und alles, was damit zusammenhängt, investieren. Es gibt einen echten Kampf um den Kunden, was zu einem sehr starken Wettbewerb führt. Denn es gibt immer noch Marken, die in den fetten Jahren, als die Wirtschaft um acht Prozent wuchs, nach Russland gekommen sind. Und sie haben den Markt nicht verlassen, so dass wir es mit einem sehr großen Angebot zu tun haben. In Russland gibt es Produktmarken, von denen man nicht einmal in den Erzeugerländern selbst gehört hat.

Welche Art von Schwierigkeiten hat Ihr Unternehmen, das auf hochwertige Sanitärkeramik und Bademöbel spezialisiert ist, während der Pandemie in Russland?

Simon Reimer: Zum Glück haben wir rechtzeitig die Weichen auf das Krisenmanagement umgestellt. Daher ist es uns gelungen, 2017 eine Trendwende einzuleiten, indem wir durch eine Reihe von „Turnaroundmaßnahmen“ die Positionierung unserer Marke sowie Preis, Distributions und Produktpolitik geändert haben. Infolgedessen wurde die Marke Duravit sowohl für Händler als auch für Endkunden attraktiver und begehrlicher. Hinzu kommt, dass Menschen während der Pandemie nicht reisen können. Stattdessen verbringen sie ihre Zeit mit der Renovierung ihrer Häuser und Wohnungen. Darüber hinaus ist 2020 in Russland ein Rekordjahr für Vergabe von Hypotheken geworden. Daher haben wir im Gegensatz zu anderen Sektoren der Wirtschaft nicht sonderlich gelitten. Ende Mai verzeichneten wir sogar eine Steigerung von 30 Prozent gegenüber 2019. Wir haben uns schnell an die neue Situation angepasst. Zwischen der ersten und zweiten Pandemiewelle konnten wir sogar zwei große alljährliche Sportveranstaltungen, sogenannte „Duravit Activity Day“ für unsere Kunden durchführen. Das erhöht die Markentreue, denn die Menschen sehen: Während alle Angst haben, handeln wir.

Und zum Schluss noch eine persönliche Frage. Jetzt können Sie wegen der Pandemie nicht nach Deutschland kommen. Wie gefällt es Ihnen, in Moskau zu leben?

Simon Reimer: Ich beobachte die Entwicklung Moskaus seit zwölf Jahren. Und ich habe gesehen, wie neue Straßen, Gebäude, ganze Viertel entstanden sind, wie sich die Sicherheit verbessert hat. Ich wohne in der unmittelbaren Nähe des Belorusskiy Bahnhof – einer der wichtigsten Fernbahnhöfe der Stadt -, aber ich bin ganz entspannt, wenn meine Freundin dort um Mitternacht mit ihrem E-Roller fährt. Zum Beispiel in Köln, wo ich gelebt habe, ist das absolut unvorstellbar. In Moskau sind die Infrastruktur und der Komfort sehr gut entwickelt. Von mir aus ist buchstäblich alles zu Fuß erreichbar: von Geschäften jeder Art, über den Thai-Massage- und Fitnessclub bis zu Restaurants, Cafés, Clubs und Apotheken. Und zwar an sieben Tagen in der Woche. Es ist kein Zufall, dass Moskau in der internationalen Rangliste The World’s 100 Best Cities den vierten Platz belegt. Wenn Sie jung, dynamisch und ehrgeizig sind, sich selbst verwirklichen wollen, dann ist Moskau Ihre Stadt.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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