Nach drei Tagen ist das 23. Sankt Petersburger Wirtschaftsforum zu Ende gegangen. Eindrücke und Meinungen deutscher Teilnehme haben wir im Folgenden zusammengestellt.
Heinz-Hermann Thiele; Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender Knorr-Bremse AG
Ich bin seit den 70er Jahren im Russland-Geschäft tätig und habe in dieser Zeit eine positive Einstellung zu Russland bekommen, die Bereitschaft der Partner hier gesehen, mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Nach dem tiefen Einschnitt vor fünf Jahren können wir nicht einfach einen Reset-Knopf drücken. Jetzt ist eine neue Realität in den deutsch-russischen Beziehungen entstanden, mit neuen Akteuren, die unsere Position einnehmen wollen. Zwar sind wir in den letzten Jahren wieder viele kleine Schritte aufeinander zu gegangen, aber jetzt brauchen wir eine neue Strategie, neue Formen der Zusammenarbeit, ohne politische Vorbedingungen, weil wir gesehen haben, dass das nicht funktioniert.
Michael Kretschmer, Ministerpräsident Freistaat Sachsen:
Russland ist für Deutschland ein strategischer Partner in Fragen der Wirtschaft und des Technologietransfers. Wir haben jahrzehntelange Beziehungen und auch eine Energiepartnerschaft mit zuverlässigen Rohstofflieferungen. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass Russland seine europäische Orientierung behält und sich nicht an Partnern, wie China oder Indien, orientiert. Wir müssen die Sanktionen abbauen. Ich hoffe sehr, dass sich beide Seiten aufeinander zu bewegen.
Der in Petersburg unterzeichnete erste direkte Liefervertrag zwischen der Verbundnetz Gas AG und Russland ist ein Vertrauensbeweis für die engen Handelsbeziehungen zwischen Sachsen und Russland.
Jörg Brückner; Präsident der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft:
Die Sanktionen haben nicht dazu beigetragen, dass sich die sächsische Wirtschaft, die ja zum großen Teil aus kleinen und mittleren Unternehmen besteht, stabilisiert und entwickelt. In den vergangenen fünf Jahren sind wegen der Sanktionen rund fünfzig Prozent der Exporte dieser Betriebe weggebrochen. Während die großen Unternehmen ihre Produktion inzwischen in Russland lokalisiert haben, bleibt den Klein- und Mittelbetrieben wegen der Beschränkungen der Zugang zum russischen Markt verwehrt. Als Vereinigung der sächsischen Wirtschaft bemühen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten, die Unternehmen bei ihrer Suche nach neuen Märkten oder Produkten zu unterstützen. Mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen in unserer Region darzustellen und verlorenes Vertrauen wieder aufbauen zu helfen, sind wir nach Sankt Petersburg gekommen.
Sabrina Soussan, CEO Siemens mobility GmbH
Wir sind inzwischen eine russische Firma, die fest in die Wirtschaft des Landes integriert ist. Seit zehn Jahren liefern wir Hochgeschwindigkeitszüge, die zu 80 Prozent aus einheimischen Teilen bestehen, an die russische Eisenbahn. Bisher haben sie beispielsweise acht Millionen Kilometer zwischen Moskau und Sankt Petersburg ohne Verspätung zurückgelegt. Das müssen andere Länder erst einmal nachmachen. Wir sind in unserem Bereich auch Vorreiter der Digitalisierung und schaffen so die Voraussetzungen für die nächste Generation der Züge.
Hier auf dem Petersburger Forum konnten wir eine Vereinbarung über den Bau weiterer 13 Hochgeschwindigkeitszüge im Wert von 1,1 Mrd. Euro unterzeichnen, was wir natürlich als Wertschätzung unserer Arbeit sehen.
Alexander Klaeger, COO Head of Cloud Business Middle and Eastern Europe, SAP
Seit über 20 Jahren sind wir in Russland, unter anderem als Partner für Aeroflot und Severstal tätig. Neben der Betreuung solcher Großkunden bieten wir aber auch Lösungen für den russischen Mittelstand an. Um auch den notwendigen Nachwuchs für die Arbeit mit unserer Software zu sichern, haben wir Partnerschaften mit 120 Universitäten in Russland und der GUS auf dem Gebiet der Ausbildung von IT-Spezialisten geschlossen. Auf dem Forum hat sich gezeigt, dass auf russischer Seite ein sehr großes Interesse besteht, diese Zusammenarbeit auszubauen.
Klaus Rosenfeld, CEO, Schaeffler
Ob Zugbrücken über Newa oder die Hochgeschwindigkeitszüge Sapsan zwischen Moskau und Sankt Petersburg, alles bewegt sich mit Schaeffler-Lagern. Aber vor allem sind wir Zulieferer für die Kraftfahrzeug-Industrie und arbeiten hier in Russland erfolgreich mit solch großen Herstellern, wie KAMAS und Avtovaz zusammen, aber auch mit dem Stahlproduzenten und -verarbeiter Severstal. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem russischen Fonds für Direktinvestitionen gemacht, der sich als zuverlässiger Partner bei Finanzoperationen sowie als Türöffner bei Behörden erwiesen hat und mit dem wir auch hier weitere Gespräche geführt haben.
Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender, Wintershall DEA
Russland bleibt auch in Zukunft der größte Energielieferant für Deutschland. Das ist extrem wichtig und wir arbeiten seit Jahrzehnten erfolgreich zusammen. Wir Europäer werden unsere Klimaziele ohne russisches Gas nie erreichen können, zum Beispiel den Kohleausstieg. Wir werden auch keine konkurrenzfähige Industrie schaffen. Von daher ist das Projekt Nord Stream 2 enorm bedeutsam. Es geht weiter, jeden Tag bauen wir Kilometer der Pipeline. Ich verstehe, dass einigen europäischen Ländern dieses Projekt weniger gefällt als anderen, aber im Endeffekt ist das unser gemeinsames europäisches Projekt.
[hh/russland.NEWS]
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