Schattenwirtschaft – Experten warnen vor negativen Auswirkungen ihrer Abschaffung

Schattenwirtschaft – Experten warnen vor negativen Auswirkungen ihrer Abschaffung

Die russischen Finanz- und Wirtschaftsbehörden kündigen an, die russische Wirtschaft aus der Schattenexistenz zu holen beziehungsweise sie schrittweise wieder aufzuhellen. Finanz- und Wirtschaftsministerium, die föderale Steuerbehörde und die Bank von Russland verzeichnen eine zunehmende Effizienz der Steuerverwaltung und die Reduzierung von Schattenoperationen. Mehr und mehr Schwarzgeldzahlungen laufen über geregelte Bahnen ab, infolgedessen betroffene Arbeitnehmer und Unternehmen Steuern und Gebühren zahlen, die sie zuvor vermieden hatten.

Die sich aus den Taschen aller Wirtschaftsagenten füllende Staatskasse birgt aber auch Risiken: Sie hemmt das Wirtschaftswachstum, sagen Wirtschaftswissenschaftler in einem Gespräch mit RBK.

Von 2013 bis 2017 stiegen die Steuereinnahmen des konsolidierten Haushalts (Bund und Länder) um fast 60 Prozent, obwohl sich die Steuersätze nach einer Analyse der Steuerbehörde in diesem Zeitraum nicht geändert haben. Real belief sich das Wachstum der Steuereinnahmen auf 19,9 Prozent, das BIP-Wachstum in den fünf Jahren auf nur 1,2 Prozent. Nach Angaben der Steuerbehörde waren das allein im Jahr 2017 rund 390 Milliarden Rubel. Es ging ausschließlich um eine bessere Steuerverwaltung. „Dies sind zusätzliche Einnahmen, die durch die Arbeit der Steuerbehörden erzielt wurden.“ Zwischen Januar und November 2018 waren es 407 Milliarden Rubel. Das Finanzministerium rechnet für das Jahr 2019 mit einer Erhöhung der Steuereinnahmen aufgrund der erweiterten Lohnsteuerbasis durch die Aufdeckung von Schwarzgeldern bei Lohnzahlungen.

Laut Rosstat belief sich der Anteil versteckter Lohnzahlungen im Jahr 2018 auf mehr als 13 Billionen Rubel (12,6 Prozent des BIP). Dies sind meist Teilzahlungen des Verdienstes eines Arbeitnehmers in Briefumschlägen. Im informellen Sektor sind laut Rosstat 15,25 Millionen Menschen beschäftigt (21,3 Prozent aller Beschäftigten in der Wirtschaft).

Generell ist nach offiziellen Angaben der Anteil der nicht sichtbaren Wirtschaft (Schatten- und informelle Produktion) am russischen BIP rückläufig. Das Volumen der Hidden Economy im Jahr 2017 belief sich auf 12,7 Prozent des BIP gegenüber 13,8 Prozent des BIP im Jahr 2014. Rosfinmonitoring stellt mit einer anderen Bewertungsmethode ebenfalls eine Reduzierung der Schattenwirtschaft fest. Nach 28 Prozent im Zeitraum 2015 bis 2016 waren es im Jahr 2018 etwa 20 Prozent des BIP.

Im Allgemeinen sind die verfügbaren Realeinkommen von Jahr zu Jahr gesunken: Seit 2014 sind sie um 8,3 Prozent gesunken, und 2019 werden sie laut Prognose des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung kaum noch wachsen.

Alexander Safonow, Vizerektor der Akademie für Arbeit und soziale Beziehungen, ist jedoch der Ansicht, dass „in der gegenwärtigen Zeit, in der es kein hohes Wirtschaftswachstum gibt, jede Art von „Whitewashing“ einen zusätzlichen Entzug von Geldern aus dem Konsumkreislauf zugunsten des Staates bedeutet. Dies untergräbt die Verbrauchernachfrage weiter“.

Der Prozess, das Geschäft aus dem Schatten zu ziehen, ist auch nach Ansicht der Wirtschaftswissenschaftlerin Sofia Donets ein unvermeidlicher Hemmfaktor für das Wirtschaftswachstum, aber niemand kann sagen, wie sehr dies das Wachstum hemmt.

Langfristig ist wirtschaftliches Wachstum jedoch nicht möglich, ohne dass sich Unternehmen und Mitarbeiter aus der Schwarzarbeit zurückziehen, sagt Alexander Suslin von der Economic Expert Group. „Das Entsetzliche an der Schattenwirtschaft ist, dass deren Anwesenheit ungleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Wirtschaftsakteure schafft. Es stellt sich heraus, dass diejenigen, die schwarzarbeiten, einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber denen haben, die Steuern zahlen.“ Wenn der Staat seine Ausgaben erhöhen muss, fällt die gesamte Steuerbelastung auf die Schultern der ehrlichen Steuerzahler.

Laut Natalia Orlowa, Chefvolkswirtin bei der Alfa Bank, ist ein gewisser Rückgang der Wirtschaft allein auf die Stärkung der Steuerverwaltung zurückzuführen. Einige illegale Systeme, die zuvor funktionierten, funktionierten nicht mehr. „Insbesondere die Einführung von Online-Registrierkassen hat die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer erhöht und den Schattenumsatz verringert.“

Der Einfluss der Schattenwirtschaft auf das Wirtschaftswachstum ist gemischt, so die Autoren einer aktuellen Studie (.pdf) des Deutschen Instituts für Arbeitsökonomie. Die informelle Wirtschaft kann sich positiv auf das Wohlergehen der Arbeitnehmer auswirken. „Nie sollten harte Maßnahmen zur drastischen Reduzierung oder vollständigen Zerstörung der Schattenwirtschaft eine vorrangige Entscheidung sein“, schlussfolgerten die Forscher.

[hrsg/russland.NEWS]

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