Düsseldorfer Russland-Konferenz: „Langfristigkeit und Nachhaltigkeit“In der ersten Reihe von links nach rechts: Dr. G.Eschenbaum, St.Hauptgeschäftsführer, IHK Düsseldorf; A.Schmitz, Präsident IHK Düsseldorf; R.Freiherr von Fritsch, Botschafter der Bundesrepublik in der Russischen Föderation; Dr. A. Gebauer, Leiterin des Russland Kompetenzzentrums Düsseldorf; Th. Geisel, Oberbürgermeister von Düsseldorf; V. Sidorov, St. Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn. © Daria Boll-Palievskaya

Düsseldorfer Russland-Konferenz: „Langfristigkeit und Nachhaltigkeit“

Unter dem Motto „Wo Russlands Wirtschaft wächst“ haben am Donnerstag Wirtschaftswissenschaftler, Politiker, Rechtsanwälte, Vertreter der Handelskammern und Manager aus verschiedenen Branchen wie der Automobilindustrie, Land- und Ernährungswirtschaft, Elektrotechnik, Maschinenbau, IT und Internet aus Russland und Deutschland miteinander diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht zu den Themen der Digitalisierung der russischen Wirtschaft und den deutsch-russischen Kooperationsmöglichkeiten in der veränderten politischen und ökonomischen Situation. Vor allem wurden Möglichkeiten und Chancen der deutschen Wirtschaft unter neuen Bedingungen in Russland ausgelotet. Wie belastbar ist die russische Wirtschaft heute? Wie sollen die deutschen Unternehmen am besten vorgehen?

In seinem Grußwort stellte der Präsident der IHK Düsseldorf, Andreas Schmitz fest, dass „die Politik in der Qualität und Quantität der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen“ eine entscheidende Rolle spielt. Er betonte, dass diese Beziehungen stets unter dem Gesichtspunkt der „Langfristigkeit und Nachhaltigkeit fortentwickelt werden sollten“. Nur so kann man gegenseitiges Vertrauen schaffen. Fast automatisch werden die EU-Sanktionen gegen Russland verlängert. „Glücklich machen kann das nicht“, bedauerte Schmitz. Die amerikanischen Sanktionen verschlimmern die Situation zusätzlich, denn sie werden auch für die deutsche Wirtschaft zum Problem, weil sie für ihr Engagement in Russland bestraft werden. „Wir halten diese Form der Rechtsanwendung für nicht akzeptabel“, sagte Schmitz in aller Deutlichkeit und erntete Beifall. Er sprach auch den Bau der Pipeline Nord-Stream 2 an und betonte, dass es  sich in erster Linie um ein „unternehmerisches Projekt“ handele, obwohl die Diskussionen darüber eine große politische Dimension angenommen haben. “Wir teilen nicht die Sorge einer größer werdenden Abhängigkeit der EU von Russland bei der Energieversorgung. Wir glauben, dass es eher umgekehrt ist“. Die USA verfolgen dabei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen.

„Undifferenzierte politische Instrumentalisierung handelspolitischer Sanktionen und Zölle zur Durchsetzung der eigenen politischen Interessen“ würde den freien Welthandel beschädigen, pflichtete ihm Christoph Dammermann, Staatssekretär des NRW-Wirtschaftsministeriums bei. Wir sollten uns auch von den verbündeten Staaten nicht vorschreiben lassen, wie wir in Europa unsere Energieversorgung organisieren, sagte er im Hinblick auf Nord-Stream 2. Das Projekt bleibe „der Baustein einer verlässlichen Energieversorgung“, betonte er. „Die deutsch-russischen Beziehungen waren schon in schwierigeren Zeiten ein Stabilisierungsfaktor der gegenseitigen Beziehungen“, so Dammermann. Und die NRW und Russland verbinde eine ganz besondere Partnerschaft. „Wir fördern diese Partnerschaft auf vielseitige Weise“, sagte der Staatssekretär.

Der stellvertretende Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn, Valerij Sidorov, nannte verschiedene Zahlen zur wirtschaftlichen Lage in Russland. So betrug der reale Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in den ersten Monaten 2018 1,8 Prozent und der Leitzins bleibt stabil niedrig bei 7,25 Prozent. Er berichtete über wichtigste Nationalprojekte in den Bereichen Infrastruktur, Digitalisierung und Gesundheitswesen sowie andere Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft wie Rentenreform oder Erhöhung der Umsatzsteuer.

„Zur guten deutsch-russischen Beziehungen gibt es keine Alternative“, das betonte in seiner Rede Rüdiger Freiherr von Fritsch, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation. Reger Kulturaustusch, wissenschaftliche Zusammenarbeit, die weiter ausgebaut wird, Begegnung der Zivilgesellschaften und Handel – das sind Bereiche, die sich trotz aller negativen Schlagzeilen gut entwickeln.

Der Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp widersprach dem festsitzenden Stereotyp, dass die Wirtschafsreformen in Russland in den letzten Jahren zum Erliegen gekommen seien. „Das ist eine sehr verkürzte Wahrnehmung“, sagte er. „Auch angesichts immer neuer Sanktionen hat Präsident Putin im Großen und Ganzen an dem wirtschaftspolitischen Kurs festgehalten, den er 2014 eingeschlagen hat, nämlich Russland zu stabilisieren“. Leider gibt es hin und wieder Maßnahmen, die zwar  eher im Bereich der Rhetorik bleiben, aber dennoch großen Schaden anrichten. So hat die Duma diskutiert, ausländische Manger, die den Sanktionen aus Drittländern folgen, unter Strafe zu stellen. Als positiv bewertete Schepp, dass die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Öl und Gas kontinuierlich zurückgeht. Noch 2013 bezog Russland 52 Prozent seines Staatsbudgets aus Steuern der Öl- und Gasindustrie, 2017 wurden waren es 40 Prozent. Auch die durchgeführte Rentenreform bewertete er als dringend notwendig. Die deutsche Wirtschaft schlägt sich in Russland „sehr gut“, obwohl die Zahl der deutschen Unternehmen auf 4. 600 zurückgegangen ist (in den letzten sieben Jahren hat sich jede vierte Firma von Russland verabschiedet). Diesem quantitativen Verlust stehe aber eine höhere Qualität des Engagements gegenüber. Die Direktinvestitionen aus Deutschland beliefen sich im Jahre 2017 auf 1,6 Milliarden Euro.

Der Vortrag des Direktors für Internationale Ökonomie, Center for International Economics, Prof. Gabriel Felbermayr wirkte wie eine kalte Dusche: Russland sei zwar makroökonomisch weit von einer Krise entfernt, aber viele Entwicklungen seien „enttäuschend“. In der sogenannten Konjunkturuhr ist Russland weiter abgerutscht und das zeigt, dass die Erwartungen der Wirtschaftsakteure sinken und verbreiterter Pessimismus herrscht. „Die Wirtschaftserholung schien vorüber zu sein“, so der Wirtschaftswissenschaftler in seiner Analyse. Die russischen Exporte im Jahre 2018 (120 Milliarden Dollar) sind allerdings besser als im Jahre 2016, als sie ihren Tiefpunkt erreicht haben. Dabei hatte China Deutschland als den wichtigsten Handelspartner überholt. „Die russischen Exporte werden nach China wahrscheinlich in der absehbarern Zeit doppelt so hoch sein wie die nach Deutschland“, so der Experte.

In anschließenden Podiumsdiskussionen haben Vertreter aus verschiedenen Firmen ihre Erfahrungen und Erfolgsgeschichten in Russland mit den Teilnehmern geteilt. Man betonte, dass deutsche Qualität und deutsche Zuverlässigkeit für russische Geschäftspartner eine große Rolle spielen. Viele bewerteten ihre Geschäfte mit Russland mit der Note „gut“ bis „sehr gut“. Ein wichtiger Impuls war: nicht auf große Nationalprojekte setzen, sondern einen strategischen Partner vor Ort suchen. Ein Redner verglich das Russlandgeschäft mit einer Achterbahn: „Davor hat man Kribbeln im Bauch, während dessen wird es einem nur übel, aber danach will man es wiederholen.“

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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