Nach Berechnungen von Metals & Mining Intelligence sind die Düngemittelexporte aus Russland in die EU von Januar bis August 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent auf 3,3 Millionen Tonnen gestiegen. Der Anstieg der Importe ist zum einen darauf zurückzuführen, dass viele europäische Düngemittelfabriken aufgrund des Preisanstiegs bei Gas, dem Hauptrohstoff für Stickstoffdünger, stillgelegt wurden, zum anderen auf die Aufwertung des Euro gegenüber dem Rubel und die günstigen Preise für russische Produkte.
Steigende Gaspreise für industrielle Verbraucher führten nach Angaben von Fertilizers Europe (einem Verband europäischer Düngemittelhersteller) zur Stilllegung von rund 70 Prozent der Düngemittelproduktionskapazitäten in der EU. Infolgedessen ist der Anteil Russlands an den Düngemittellieferungen in die Region innerhalb von zwei Jahren von 13 Prozent auf 21 Prozent gestiegen und nimmt weiter zu. Wie die russischen Zeitung Wedomosti unter Berufung auf Daten der Agentur Metals & Mining berichtet, stiegen die Exporte in die EU von Januar bis August 2024 im Vergleich zum selben Zeitraum 2023 um 43 Prozent auf 3,3 Millionen Tonnen. In Geldwert ausgedrückt stiegen die Exporte um 32 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro.
Die größten Abnehmer russischer Düngemittel in der EU sind Polen (857.000 Tonnen), Frankreich (380.000 Tonnen) und Deutschland (375.000 Tonnen). Polen steigerte seine Importe im gleichen Zeitraum um das 2,7-fache, Frankreich um 18 Prozent, während Deutschland seine Käufe um 17 Prozent reduzierte. Heute ist die EU-Landwirtschaft bei Stickstoff-, Phosphat- und Kalidüngern zu 30 Prozent, 68 Prozent bzw. 85 Prozent von Importen abhängig.
Laut Fertilizers Europe untergraben die russischen Lieferungen „die Bemühungen, die durch die Energiekrise stillgelegten Kapazitäten wiederaufzubauen“. „Es besteht die reale Gefahr, dass Europa von billigen russischen Harnstoffdüngern abhängig wird“, zitiert Bloomberg den Geschäftsführer von Fertilizers Europe, Antoine Hawkes. Aus Sicht der europäischen Ernährungssicherheit sei das besorgniserregend. Europa reagiere nicht auf diese neue Abhängigkeit, die man wachsen sieht.
Laut Rosstat stieg die russische Düngemittelproduktion in den ersten acht Monaten des Jahres um 12 Prozent auf 18,8 Millionen Tonnen. Die größten russischen Düngemittelproduzenten – Uralchem, Phosagro, Acron, Kuibyschewasot – haben auf eine Anfrage der russischen Zeitung Expert zu ihren wichtigsten Exportzielen ebenso wenig geantwortet wie der russische Verband der Düngemittelproduzenten (RAPU).
Russland bleibt ein wichtiger Lieferant von Düngemitteln für die Welt, sagt Jaroslaw Kabakow, Strategiedirektor bei Finam: „Die Welt hat russische Düngemittel noch nicht aufgegeben, was Möglichkeiten für Exportwachstum in andere Länder, einschließlich Europa, schafft. Dies ist ein Vorteil für die russischen Produzenten, da es ihnen ermöglicht, ihr Produktionsniveau und ihre Exporteinnahmen vor dem Hintergrund des Sanktionsdrucks aufrechtzuerhalten“.
Ein erheblicher Teil der Produktion ist traditionell auf ausländische Märkte ausgerichtet, da der Inlandsverbrauch von Mineraldünger in Russland deutlich niedriger ist als in China, den USA und den EU-Ländern: In diesen Ländern werde fünf- bis zehnmal so viel Dünger pro Hektar Ackerland ausgebracht, sagt Mark Boitschuk, Projektleiter für Landwirtschaft und Konsumgüter bei Strategy Partners. Seiner Meinung nach ist Russland ein alternativloser Lieferant für die EU, und die Weigerung europäischer Länder, russischen Dünger zu kaufen, könnte zu höheren Lebensmittelpreisen und sozialen Spannungen führen.
„Bis zum Ende des Jahres werden die Preise für die wichtigsten Mineraldüngersorten nach verschiedenen Schätzungen um 15 bis 20 Prozent pro Jahr steigen. Generell aber Aufgrund der stabilen Nachfrage auf dem Weltmarkt gibt es keine Voraussetzungen für eine Preissenkung in den nächsten 1 bis 2 Jahren“, prognostiziert Boitschuk.
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