Polen wird Vertrag mit Gazprom nicht verlängern

Polen wird Vertrag mit Gazprom nicht verlängern

Das polnische Energieunternehmen PGNiG hat offiziell bekannt gegeben, dass es den Vertrag von Jamal mit Gazprom über die Lieferung von russischem Pipeline-Gas nach Polen zum 31. Dezember 2022 kündigt. Ein Vierteljahrhundertvertrag versorgte das Land mit der Hälfte des Verbrauchs.

„Gemäß den Bestimmungen des Vertrags sind die Vertragsparteien verpflichtet, drei Jahre vor dem voraussichtlichen Ablauf ihrer Gültigkeit am 31. Dezember 2022 Pläne für eine weitere Zusammenarbeit nach 2022 zu erklären“, heißt es in der Mitteilung. „Wir handeln in Übereinstimmung mit dem Vertrag, der uns drei Jahre vor seinem Ende zu einer Entscheidung zwingt. Darüber müssen wir die russische Seite zusätzlich informieren“, erklärte der Chef der PGNiG, Peter Wozniak, im polnischen Fernsehen.

Polen ist eines der Länder, die seit langer Zeit russisches Gas kaufen. Der Jamal-Vertrag wurde 1996 unter Präsident Jelzin geschlossen und dann ständig erneuert. Polen bezieht jährlich rund 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Gazprom, das damit der wichtigste Gaslieferant für Polen ist.

Der polnische Gasverbrauch belief sich 2018 auf fast 20 Milliarden Kubikmeter. Ein Drittel dieses Volumens produziert es selbstständig in seinem Hoheitsgebiet und importiert den Rest. Mit den Preisen des russischen Anbieters ist Polen schon lange nicht mehr zufrieden. 2012 erzielte es einen Rabatt von 10 Prozent, 2015 reichte es bei dem Schiedsgericht in Stockholm Klage gegen Gazprom ein, mit der Begründung, der Gaspreis im Jamal-Vertrag sei zu hoch und entspreche nicht der Situation auf dem europäischen Markt. Das Urteil könnte am Ende dieses Jahres oder Anfang 2020 gefällt werden. Bereits im September dieses Jahr hatte Polen seine Absicht erklärt, den Vertrag mit Russland zu beenden.

Wozniak zufolge wird PGNiG in der Lage sein, den inländischen Gasbedarf ohne Lieferungen aus Russland zu decken. „Wir haben viele Vorschläge für LNG, für Erdgas aus der ganzen Welt“, betonte er. Zu den wichtigsten Partnern des Landes in Sachen Gas zählen die USA, Katar und Norwegen. Er erinnerte auch an Polens Kauf von Gasfeldern in der Nordsee.  Eine weitere Versorgungsmöglichkeit bietet der Bau der Baltic Pipe-Gasleitung, die Polen mit dem norwegischen Schelf über Dänemark verbinden soll. „Das LNG-Portfolio und die Gasfelder sowie die Produktion im Land von rund 4 Milliarden Kubikmetern werden für uns das, was wir jetzt haben, perfekt ersetzen“, betonte er. Zudem sagte er, dass das Unternehmen in den USA LNG erworben hat, das um 20 bis 30 Prozent günstiger ist als das Gas, das nun auf Basis des Jamal-Vertrages importiert wird.

Dem widerspricht der Direktor des Zentrums für Erforschung der Weltenergiemärkte des Instituts für Energieforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften Wjatscheslaw Kulagin. Die Produktion und Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) aus den USA nach Polen sei teurer als die Lieferung von russischem Kraftstoff über die Pipeline, wenn man den Transport und die die Wiedervergasung des LNG in Polen mitberechnet. Wenn amerikanische LNG-Hersteller nicht mit Verlust arbeiten, wird der polnische Endverbraucher letztendlich die Preisdifferenz zahlen, die durch die Ablehnung von russischem Gas entsteht, so der Experte. Die Bindung an die europäischen Gaspreise sei für amerikanische Lieferanten nicht vorteilhaft, denn in diesem Fall würden sie Geld verlieren. Insbesondere für Privatkunden kann sich der Preis für Strom und Wärme erhöhen. Weiter entlang der Kette wirkt sich dies auf den Preis von Industriegütern aus, die von polnischen Bürgern gekauft werden. „Die Auswirkung auf die Wirtschaft in solchen Fällen ist multiplikativ“, so Kulagin.

Weiterhin plant PGNiG, wenn Deutschland die Interessen Warschaus bei der Umsetzung der europäischen Gasrichtlinie nicht berücksichtigt, vor Gericht zu gehen. Am 13. November verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Umsetzung der aktualisierten EU-Gasrichtlinie. Das Dokument regelt die Tätigkeiten von Erdgasfernleitungen aus Drittländern, die im Hoheitsgebiet der Europäischen Union liegen. Dies gilt insbesondere für den russischen Nord Stream 2. Nach der Richtlinie müssen die Gasversorger und die Transportunternehmen getrennt werden.

Anfang September verbot der Europäische Gerichtshof Gazprom, die OPAL-Gaspipeline, die Onshore-Fortsetzung des ersten Nord Stream, zu mehr als 50 Prozent zu füllen, obwohl es niemand anderes gibt, die ihn nutzen wollen. Das russische Unternehmen beabsichtigt, die Entscheidung anzufechten.

[hrsg/russland.NEWS]

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