Petersburger Wirtschaftsforum – Deutschland zeigt GesichtHuebner, Hartmut © russland.news

Petersburger Wirtschaftsforum – Deutschland zeigt Gesicht

[Hartmut Hübner] Während die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Russischen Föderation frostig wie lange nicht sind, kommen die Wirtschaftsbeziehungen nach der Pandemie wieder auf Betriebstemperaur. Das bestätigten Daten der Deutschen Bundesbank, die kurz vor dem Internationalen Petersburger Wirtschaftsforum SPIEF, das morgen in der Stadt an der Newa eröffnet wird, veröffentlicht wurden. Demzufolge haben deutsche Firmen im ersten Quartal 2021 trotz Corona und politischer Turbulenzen 1,1 Milliarden Euro in Russland investiert.

„Der gute Trend hoher deutscher Investitionen in Russland, der in Vor-Corona-Zeiten erkennbar war, setzt sich fort“, sagt Matthias Schepp, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) und Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Russland. „Der Investitionsboom der vergangenen Jahre ist neben Großprojekten wie Nord Stream 2, Gasaufbereitungsanlagen von Linde, modernster Zugtechnologie von Siemens oder den hohen Investitionen von Volkswagen in seine russischen Werke insbesondere vom Mittelstand und familiengeführten Unternehmen geprägt.“ So hat der Baustoffhersteller Knauf seit 1993 in Russland bislang über 1,65 Milliarden Euro investiert und ist mir seinen 20 Industriebetrieben und mehreren Vertriebsorganisationen und Marktführer in der Bauwirtschaft.

Insgesamt schlugen die deutschen Direktinvestitionen in Russland in den beiden Jahren vor der Pandemie alle Rekorde – 3,4 Milliarden Euro im Jahre 2018 und zwei Milliarden Euro im Jahr 2019. Aber dieser positive Trend wurde durch COVID 19 deutlich gebremst.

„Es ist daher erfreulich, dass die deutschen Investitionen in Russland nun kurz vor dem SPIEF, dem wichtigen Wirtschaftstreffen in St. Petersburg, an dem die deutsche Wirtschaft traditionell stark vertreten ist, wieder kräftig an Fahrt aufnehmen“, sagt Matthias Schepp.

Die deutschen Exporte nach Russland stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 11,3 Prozent, meldete die AHK kürzlich unter Berufung auf das Statistische Bundesamt. Die Importe aus Russland sind um 13,6 Prozent gewachsen.

Zeichen der gegenseitigen Bedeutung

Damit die zuletzt so gute Entwicklung wieder Fahrt aufnimmt, werden zahlreiche deutsche Unternehmen in Sankt Petersburg präsent sein. Das dreitätige Forum bietet als eine der ersten Veranstaltungen weltweit Ausstellern und Besuchern, unter Einhaltung strengster Sicherheits- und Hygienebestimmungen, wieder die Möglichkeit zum unmittelbaren Kontakt.

„Dass Deutschland mit hochrangigen Global-CEOs und Politikern auf dem SPIEF vertreten ist, zeigt, wie wichtig Russland für die deutsche Wirtschaft ist – und es ist umgekehrt auch ein Zeichen dafür, wie wichtig Deutschland für Russland ist“, sagt Rainer Seele, Präsident der AHK.

„Die Pandemie hat persönliche Treffen im letzten und in diesem Jahr leider verhindert, insofern ist es jetzt die erste Möglichkeit, persönlich mit Partnern und wirtschaftlichen Akteuren ins Gespräch zu kommen“, meint Klaus Ernst (DIE LINKE), Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag. „Diese Gelegenheit kann man momentan gar nicht hoch genug bewerten. Deshalb bin ich hergekommen. Und auch, weil ich glaube, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit momentan die Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen gewährleistet.“

Für Neustart der Beziehungen

Ein Höhepunkt aus deutscher Sicht wird gleich am ersten Tag der Unternehmertag „Russland in Mecklenburg-Vorpommern“ sein. Über eine Online-Brücke sprechen die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, und der russische Vize-Industrieminister Wassilij Osmakow über Perspektiven der deutsch-russischen Zusammenarbeit. Die AHK und der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft organisieren am 4. Juni einen deutsch-russischen Businessdialog zum Thema Energie, unter anderem mit Firmenchefs von Siemens Energy, OMV, Uniper, Wintershall Dea und Wilo. Auch die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Infektionen wird ein Thema sein, auch wenn die europäische Arzneimittelbehörde EMA den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V mit dem Verweis auf fehlende Daten noch nicht zugelassen hat.

Die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland nach der Pandemie sind Gegenstand einer Podiumsdiskussion ebenfalls am Abschlusstag. Moderiert vom Politologen und Schriftsteller Alexander Rahr diskutieren Politiker, Wirtschaftsfachleute, Wissenschaftler und Juristen die neuen Herausforderungen nach der Pandemie, die aber auch eine Chance bieten, mit alten Zwistigkeiten aufzuräumen. Dazu gehören nach Ansicht von AHK-Präsident Seele vor allem die gegenseitigen Sanktionen: „Die jüngste AHK-Geschäftsklimaumfrage unter unseren 1.000 Mitgliedsunternehmen zeigt, dass die deutsche Wirtschaft in Russland auf ein Ende der Sanktionsspirale hofft“. Bis sich aber die Politik aus ihren Fesseln lösen kann, werden auf Veranstaltungen wie dem SPIEF durch die Wirtschaft Tatsachen geschaffen.

[hh/russland.NEWS]

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