Nordstream 2 entzweit Deutschland und Frankreich – US-Botschafter hacken in die Kerbe [aktualisiert]

Gestern sagte Präsident Emmanuel Macron seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz ab und das französische Außenministerium überraschte seinen engsten EU-Partner Deutschland mit der Feststellung, Frankreich unterstütze ab sofort Änderungspläne für eine EU-Richtlinie, die eine deutlich strengere Regulierung des Pipeline-Projekts zum Ziel haben. Stunden später nutzten die US-Botschafter in Deutschland, Dänemark und der Europäischen Union die Gunst der Stunde. In einer Kolumne veröffentlichte die Deutsche Welle einen Appell der Diplomaten, in dem sie die europäischen Regierungen aufforderten, die Änderungen an der EU-Gasrichtlinie am heutigen 8. Februar anzunehmen und die Regulierungsbestimmungen auf das Nord Stream II-Projekt auszudehnen.

Mit der konzertierten Aktion eskaliert die schwere Belastungsprobe der deutsch-französischen Beziehungen zusätzlich: Absage der für den 16. Februar geplanten gemeinsamen Erklärung des französischen Präsidenten mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in München, die französische Zustimmung zur Verschärfung der Gasrichtlinie und die Verbal-Attacke der US-Botschafter kurz vor der EU-Abstimmung – der Streit über Nord Stream 2 tritt in eine neue Phase.

Ihre Abneigung gegen den Bau der Gaspipeline von Russland nach Deutschland haben die USA nie verhehlt. Wie sich der Ton allmählich verschärft, ist an dem Gastbeitrag von Richard Grenell, Carla Sands und Gordon Sondland, den Botschaftern der USA in Deutschland, Dänemark und bei der Europäischen Union, unschwer zu erkennen.

„Europas Regierungen sollten zeigen, dass sie solidarisch mit der Ukraine sind und die Energieinteressen ihrer Bevölkerung wahren – und dazu beitragen, das Buch über dieses schlecht durchdachte Projekt zu schließen. Europa sollte die Kontrolle über seine Energiesicherheit nicht freiwillig einem Gegner überlassen.“ Russland ist ein Gegner, so die klare Ansage der Autoren.  Moskau solle „nicht ungeschoren mit seinen Aggressionen gegen Nachbarstaaten davonkommen“ und Europa seine „Anfälligkeit für russische Erpressungen im Energiebereich“ nicht weiter erhöhen. Denn Russland „kann ihnen das Gas nach Lust und Laune abschalten“.

Die Europäer sollten sich nicht täuschen „Nord Stream 2 wird mehr als nur russisches Gas liefern. Russlands Macht und Einfluss werden sich durch die Ostsee hindurch bis nach Europa ausbreiten.“ Die Fertigstellung der Pipeline „würde dazu beitragen, eine noch größere russische Aggression in ganz Europa zu finanzieren“.

Und was macht Europa? Es schickt Jahr für Jahr „Milliarden Euro nach Moskau und finanziert indirekt die russische Militäraggression an Orten wie der Ukraine und Syrien“ – natürlich auch die „russischen Trollfarmen und Desinformationsfabriken“. Fast beschwörend wenden sich die Botschafter der USA gegen das Argument „es sei zu spät“ Nord Stream 2 zu stoppen. Die Pipeline sei „noch lange nicht fertig und noch lange nicht in Betrieb genommen. Noch kann Europa eingreifen und die Pipeline stoppen. Aber die Zeit läuft ab“.

Folgender Absatz aus ihrer Brandrede verdient keinen weiteren Kommentar: „Will Europa wirklich von einem Land abhängig sein, das kürzlich chemische Waffen eingesetzt hat, um einen politischen Gegner in Europa zu töten? Von einem Land, das in das Territorium eines souveränen Landes eingedrungen ist und es illegal annektiert hat? Oder dem Land, das den Malaysia-Airlines-Flug 17 über der Ukraine abgeschossen hat und 298 unschuldige Zivilisten getötet hat?“

Mit ihrem harmlosen Statement „Entscheidend sind Deutschland und Frankreich“ beschreiben die Diplomaten die aktuelle Situation treffend: Paris hat entschieden, eine Scheidung von Berlin zu riskieren.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht weiterhin keine Gefahr der Abhängigkeit von russischem Gas. Deutschland werde sich „unter gar keinen Umständen allein von Russland abhängig machen“, versicherte Merkel am Donnerstag den Regierungschefs der sogenannten Visegrad-Staaten in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Eine Abhängigkeit werde nicht eintreten, „wenn wir gleichzeitig diversifizieren“, sagte Merkel und verwies auf den geplanten Bau von Terminals für Flüssigerdgas (LNG).

Die NZZ aus der Schweiz erklärt die neue französische Position mit gestiegenem Druck der USA. “In Washington wurden neue Russland-Sanktionen in Erwägung gezogen, die auch den in Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten.“

[hub/russland.NEWS]

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In letzter Minute haben Deutschland und Frankreich den Streit um die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 gelöst. Freitag Mittag präsentierten sie einen Vorschlag, wie man die neue europäischen Gasrichtlinie überarbeiten könne. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. So wäre das EU-Land für Pipelines mit Drittstaaten wie Russland zuständig, in dem die Leitung zum ersten Mal das europäische Netz erreicht.

Bis zuletzt hatte es noch nach dem großen Bruch zwischen beiden Ländern ausgesehen. Frankreich hatte zunächst seine ablehnende Haltung damit begründet, dass man die Abhängigkeit von Russland nicht verstärken wolle.

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