Dänemark hat einen Zeitplan für den Bau der Nord Stream 2-Gaspipeline erhalten, der voraussichtlich am 15. Januar beginnen wird, teilte der Sprecher der dänischen Energieagentur Tore Falbe-Hansen am Donnerstag mit. Ihm zufolge sollen „die Arbeiten zur Verlegung des Rohrs in dänischen Gewässern am 15. Januar wieder aufgenommen werden“, auf Grundlage der in der erteilten Genehmigung festgelegten Bedingungen.
Das für die Arbeiten autorisierte Verlegeschiff Fortuna, das im Dezember den 2,6 Kilometer langen Bauabschnitt von Nord Stream 2 in der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands abgeschlossen hat, verließ gestern früh den deutschen Hafen von Wismar, wo es nach Angaben des internationalen Schiffspositionierungssystems seit Ende Dezember vor Anker lag. Nord Stream 2 teilte am Donnerstag mit, es handele sich „zunächst um vorbereitende Arbeiten und Tests, bevor die eigentliche Verlegung beginnt.“
Trotz der Genehmigung aus Dänemark für die Verlegung neuer Röhren bleibt die Fertigstellung von Nord Stream 2 ungewiss. Denn es erscheint fraglich, ob sich die amerikanischen Sanktionsdrohungen umgehen lassen. Am 2. Januar Anfang des Jahres hat sich die international größte Schiffszertifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV) GL vollständig aus dem Projekt zurückgezogen, da Washington seit Jahresbeginn auch Strafen für Unternehmen vorsieht, die sich an der Versicherung oder Zertifizierung des Projekts beteiligen.
Inzwischen weigerte ein sich weiteres europäisches Unternehmen, unter dem Druck der USA an der Fertigstellung des Pipeline-Projekts teilzunehmen. Der Zeitung Politiken zufolge, hat sich das dänische Ingenieurbüro Ramboll hat sich aus dem Nord Stream 2-Gaspipeline-Projekt zurückgezogen. Das 1945 in Dänemark gegründete Unternehmen habe diese Entscheidung aufgrund der Androhung von US-Sanktionen getroffen. „Leider werden wir dies nicht kommentieren“, hieß es nach einer Anfrage. Laut der Website des Unternehmens beschäftigt Ramboll weltweit 16.500 Mitarbeiter und unterhält Niederlassungen in 35 Ländern.
Selbst wenn es der Fortuna mit ihrer im Vergleich zur Akademik Tscherski geringen Kapazität gelingen sollte, die verbleibenden 150 Kilometer Restarbeiten abzuschließen, bleibt die Lage für die Betreiber misslich. Über welche russischen „Briefkastenfirmen“ mit verschleierten Besitzstrukturen auch immer, ohne die Zusammenarbeit mit einem der großen Zertifizierer, bliebe die vollendete Nord Stream 2 ungenutzt, wenn sich die Regulatoren in Deutschland und Dänemark querstellen.
Inzwischen ruhen alle Hoffnungen der Befürworter auf der von Mecklenburg-Vorpommern gegründeten „Umweltstiftung“, die bei der Fertigstellung von Nord Stream 2 helfen soll. Am 8. Januar unterstützte der Landtag des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern mit Stimmenmehrheit eine Initiative der Landesregierung zur Einrichtung eines Umweltfonds „Klima- und Umweltschutz MV“. Eines der Ziele des Fonds wird es sein, „zur Fortsetzung des Baus der Nord Stream 2-Gaspipeline beizutragen“.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und setzt darauf, dass die Stiftung als „staatliche Entität“ von den Sanktionen ausgenommen ist. Man sei wegen der Sanktionsgesetze und „harschen Drohgebärden der gegenwärtigen amerikanischen Administration“ zu diesem vorübergehenden Wirtschaftsbetrieb unter einem Stiftungsdach gezwungen worden. Ob es der Stiftung gelingen wird, die Sanktionsprobleme wirklich zu lösen, steht in den Sternen. Denn Washington hat auch Strafmaßnahmen bei der Umgehung von Sanktionen angedroht.
Die Nachricht von der Gründung des Fonds hat in Deutschland eine Welle der Kritik ausgelöst, vor allem von Anhängern der Grünen, die Nord Stream 2 als umweltschädliches Projekt betrachten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte die sofortige Schließung des kürzlich eingerichteten Umweltfonds. „Die Tatsache, dass der Fonds unter dem Deckmantel des Klimaschutzes mit russischem Geld finanziert wird und ausschließlich für die Fertigstellung der Pipeline verwendet wird, ist einfach empörend. Nicht nur aus klimatischer, sondern vor allem aus geostrategischer Sicht“, sagte Baerbock gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die SPD-Fraktion hat daraufhin Baerbock vorgeworfen, mit ihrer Kritik am Nord Stream 2-Projekt realitätsfremd und verantwortungslos zu handeln. „Mit grünem Illusionismus versucht sie, die Menschen im Land für dumm zu verkaufen“, sagte Fraktionsvize Sören Bartol der Deutschen Presse-Agentur. Es sei verantwortungslos, parallel aus Kohle und Atom auszusteigen und gleichzeitig alle Brückentechnologien abzulehnen.
Rechtliche Bedenken äußerte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die ihre Kritik an der Stiftung erneuerte. Die Satzung stehe mit dem Stiftungs- und dem EU-Recht nicht in Einklang. Die Klimaschützer von Fridays for Future (FFF) kündigten Demonstrationen vor der SPD-Parteizentrale in Berlin und der Staatskanzlei in Schwerin an.
Die über 1200 Kilometer lange Gasleitung ist zu 94 Prozent fertiggestellt. Vor einem Jahr wurde der Bau wegen der US-Sanktionen eingestellt, aber Russland nahm mit Zustimmung der deutschen Seite ihre Arbeit selbstständig wieder auf.
Wie das Handelsblatt heute unter Berufung auf einen Vertreter des Projektbetreibers berichtete, hat die Nord Stream 2 AG beschlossen, den Beginn der Arbeiten zur Fertigstellung des Baus der Gaspipeline zu verschieben. Ihm zufolge ist es notwendig, die technische Ausrüstung vor der Arbeit zu überprüfen. Die genauen Daten der Wiederaufnahme des Baus wurden nicht genannt. Die Überprüfung der technischen Ausrüstung könne einige Tage dauern. Vermutlich werde die Verlegung von Rohren „Ende Januar oder Anfang Februar“ beginnen.
[hrsg/russland.NEWS]
Kommentare