Am Dienstag, 18. Juni, reist der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Neben hochrangigen politischen Gesprächen sind auch Treffen mit Mitgliedsunternehmen des Ost‑Ausschuss – Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) geplant.
„Wir freuen uns sehr darauf, Präsident Selenskyj kennenzulernen“, kommentiert der OAOEV-Vorsitzende Wolfgang Büchele. „Der junge Präsident hat nach seinem überzeugenden Wahlsieg eine riesige Chance, für eine neue Dynamik im Reformprozess in der Ukraine zu sorgen und das Land noch stärker am EU-Binnenmarkt zu orientieren. Für diesen Kurs verdient er von uns jede Unterstützung.“
Das Interesse der deutschen Wirtschaft an der Ukraine sei sehr groß, erklärte Büchele. Dies hätte zuletzt im Herbst die deutsch-ukrainische Wirtschaftskonferenz mit rund 400 Teilnehmern gezeigt, an der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilgenommen hatte. „Bislang wird das Potenzial der Ukraine, das das größte Flächenland innerhalb Europas ist und mit 45 Millionen Einwohnern ein größerer Markt ist als Spanien oder Polen, aber völlig unzureichend ausgeschöpft.“ 2018 lag der deutsch-ukrainische Handel bei sieben Milliarden Euro (+8 Prozent).
„Ich bin sicher, dass sich die bestehenden Bremsen in unseren Wirtschaftsbeziehungen lösen lassen und das Land eine große Chance für einen nachhaltigen Aufschwung hat“, so Büchele. Dazu müsse es dem Präsidenten gelingen, den überwältigenden Vertrauensvorschuss der Bevölkerung in ein höheres Reformtempo und die erfolgreiche Zurückdrängung von Korruption und Bürokratie umzumünzen. Seit 2014 seien bereits wichtige Etappen wie die Reform des Banken- und Energiesektors und die Dezentralisierung der Verwaltung zurückgelegt worden, so Büchele. „Die Richtung in der Ukraine stimmt. Das Land hat sich in den vergangenen Jahren demokratisiert und wirtschaftlich stabilisiert. Im nächsten Schritt muss der Rechtsstaat ausgebaut und die Investitionssicherheit weiter erhöht werden.“
Chance für Friedensprozess in der Ost-Ukraine
Äußerst positiv sei, dass der neue Präsident eine neue Dynamik für den Minsker Friedensprozess anstrebe, um den Konflikt in der Ostukraine zu befrieden und den Menschen dort eine wirtschaftliche Perspektive zu geben, so Büchele weiter. „Hier waren die bisherigen Reaktionen von russischer Seite leider außerordentlich enttäuschend. Moskau wäre gut beraten, die sich bietende Chance für einen Neuanfang in den Beziehungen zu nutzen und positive Signale zu senden, beispielsweise indem inhaftierte ukrainische Soldaten endlich freigelassen werden.“
Aus wirtschaftlicher Perspektive wichtig sei zudem, zu einer Einigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine zu kommen. „Nord Stream 2 kann und wird den Gastransit durch die Ukraine nicht ersetzen können, wir brauchen diese Route weiterhin zur Sicherung der europäischen Energiesicherheit. Wir hoffen daher, dass die durch die Bundesregierung vermittelten Gespräche bald greifbare Resultate erzielen und der zum Jahresende auslaufende Vertrag ersetzt wird“, sagte Büchele. Eine Lösung dieser Frage läge im gemeinsamen Interesse der Ukraine, der EU und Russlands. „Diese trilateralen Gespräche können ein zentraler Baustein dafür sein, endlich wieder mehr Vertrauen aufzubauen und auch zur Lösung anderer Konfliktthemen zu kommen.“
Am Dienstagabend wird der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft zusammen mit dem Deutschen Industrie und Handelskammertag und der Deutsch-Ukrainischen Auslandshandelskammer in Berlin ein Abendessen für den ukrainischen Präsidenten geben. Dieser wird sich in diesem Rahmen erstmals mit deutschen Unternehmen über bestehende und neue Projekte austauschen und über seine Strategie für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes berichten.
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