Lieferketten in Gefahr: Sanktionen gefährden russisches Import- und Exportgeschäft enormHelge Masannek - Ekaterina Dworack

Lieferketten in Gefahr: Sanktionen gefährden russisches Import- und Exportgeschäft enorm

Die wirtschaftlichen Beziehungen von Deutschland und Russland sind geprägt durch langjährige enge Zusammenarbeit. Anfang des Jahrtausends galt der russische Markt als dynamisch und war ein Beispiel großen Wirtschaftspotenzials. So erreichte das deutsch-russische Geschäft im Jahr 2012 seinen Höhepunkt mit einem Rekord-Handelsvolumen im Wert von 80,5 Milliarden Euro.

Obwohl das Wirtschaftsvolumen seit diesem Zeitpunkt den Wert von einst nicht erreichte, blieb Deutschland einer der wichtigsten ausländischen Investoren in Russland, wobei mittelständische Unternehmen den Großteil der in Russland tätigen deutschen Unternehmen bilden. Auf Grund der aktuellen Krisensituation werden viele dieser Geschäftsbeziehungen momentan grundlegend überdacht, analysiert, verändert und angepasst. Bedacht werden müssen neben anderen Aspekten der Durchführung von Geschäften auch Fragen des Transports und der Logistik von Waren. Neben fehlenden Aufträgen auf Grund von Sanktionen, und der somit abnehmenden Import- und Exportgeschäfte kommen auf Logistikdienstleiter auch Herausforderungen in den Bereichen des Lieferverkehrs und der Transportwege.

Im Zuge der florierenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland sind inner- und außerhalb Russlands Lieferwege entstanden, welche nun nicht mehr selbstverständlich sind. Während es bis jetzt keine Lieferengpässe nach Deutschland gibt, ist die Situation weltweit seit langer Zeit, insbesondere auf Grund der Covid19-Pandemie angespannt. Die jüngsten Ereignisse haben nun bereits Auswirkungen auf Russland-Transporte gezeigt.

Von den sechs größten Reedereien, die in Russland tätig waren, bleibt COSCO als einzige bisher im Geschäft, während APM-Maersk, MSC, CMA CGM, Hapag-Lloyd und der Ocean Network Express ihre Lieferungen von und nach Russland vorerst eingestellt haben. In britischen Häfen gilt ein Einfahrverbot für Schiffe, die auf irgendeine Weise mit Russland verbunden sind, ähnliche Einschränkungen drohen in der EU. Der Hamburger Hafen hat die automatische Genehmigung aller Transporte nach Russland vorerst ebenfalls gestoppt, für Lieferungen können jedoch Einzelgenehmigungen erteilt werden. Verstärkte Kontrollmaßnehmen drohen, den Schiffstransport weiterhin zu verlangsamen.

Auch auf die Landwege hat die aktuelle Situation Auswirkungen, nicht zuletzt wegen steigender Kraftstoffpreise. So hat der Logistikdienstleiter DB-Schenker seine Geschäfte mit Russland betreffend Luft-, Land- und Seefahrt bereits eingestellt. Andere große Dienstleiter wie Kühne + Nagel und DHL haben dies ebenfalls getan. Zu einem weiteren Problem der Lieferketten über Landwege könnte der Ausfall der vielen in der deutschen Logistikbranche tätigen Lkw-Fahrer aus der Ukraine werden, die auf Grund von Einberufungsbescheiden in ihrem Heimatland möglicherweise bald nicht mehr ihrem Beruf nachgehen können werden. Dies betrifft etwa 100.000 Fahrer, deren Ausfall sich direkt auf die Logistikbranche in Deutschland auswirken würde. Hinzu kommt, dass Regelungen wie die Rückkehrpflicht den Lkw-Betrieb wenig flexibel und damit anfälliger für Ausfälle machen. Die Rückkehrpflicht besagt, dass Lkw, welche im nicht-europäischen Ausland eingesetzt werden, spätestens nach acht Wochen wieder in den EU-Mitgliedsstaat zurückgeführt werden müssen, wo sie registriert sind. Erst danach ist ein weiterer Einsatz im nicht-EU Ausland möglich.

Weiterhin drohen Cyberangriffe, Lieferketten, welche weitestgehend durch digitale Systeme vernetzt sind einzuschränken. So wurde der US-Logistikdienstleister bereits am 20.02 durch einen Cyberangriff beeinträchtigt, sodass die Systeme weltweit zeitweise nicht erreichbar waren. Obwohl die Gefahr der Cyberangriffe für jedes digital vernetzte Unternehmen besteht, und auch Logistikdienstleiter davon bereits betroffen waren, wäre ein solcher Ausfall momentan auf Grund der anderen Schwierigkeiten in Land- und Seetransporten besonders folgenreich. Durch die wirtschaftlichen Veränderungen dürfte sich auch das Konsumverhalten in Deutschland, der gesamten EU und auch in Russland verändern, sodass auch mit wechselnden Auftragsmengen in der Logistikbranche zu rechnen ist.

So bleibt offen, ob Regelungen wie beispielsweise die Rückkehrpflicht aus dem EU-Mobilitätspaket seitens der Gesetzgeber geändert werden, um die Logistiksituation zu entspannen, oder ob Dienstleiter, Importeure und Exporteure den ändernden Bedingungen mit anderen Mitteln begegnen müssen.

Helge Masannek
Rechtsanwalt, Steuerberater (DE), Partner, Leiter Steuerrecht

Ekaterina Dworack, Intern, Rödl & Partner

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