Kudrin: Mit Privatisierungen „die Wirtschaft wachsen lassen“

Kudrin: Mit Privatisierungen „die Wirtschaft wachsen lassen“

Der Vorsitzende des russischen Rechnungshofes, Alexei Kudrin, schrieb in der Zeitung Kompanija ein Plädoyer, in dem er eine Reduzierung des öffentlichen Sektors in der russischen Wirtschaft und weitere Privatisierungen forderte.

Kudrin begann mit dem Vergleich der Folgen der weltweiten Finanzkrise 2009 und der Pandemie 2020 auf das globale BIP – vor elf Jahren ging die Weltwirtschaft nur um 1,7 Prozent zurück, letztes Jahr um 4,3 Prozent.

Nach Angaben des IWF sank das BIP der USA im Jahr 2020 um 3,5 Prozent, das von Deutschland um 4,9 Prozent und das von Frankreich um 8,2 Prozent. Die russische Wirtschaft hingegen sei nur um 3,1 Prozent des BIP geschrumpft, so Kudrin. Einer der Gründe für diese Stabilität läge in dem deutlich geringeren Anteil des Kleingewerbes von Kleinunternehmen und des Dienstleistungssektors in einer stark verstaatlichten Wirtschaft.

Der russische Index des Staatseigentums lag im Jahr 2000 bei 31,2 Prozent des BIP, und ist bis 2019 auf 53,1 Prozent angewachsen. Diese Zahl kann je nach Untersuchungsansatz niedriger oder höher ausfallen, aber in einem Punkt seien sich alle Experten einig: Das Ausmaß der direkten staatlichen Beteiligung hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen.

Kudrin nennt weitere Zahlen aus dem Jahr 2018, um zu zeigen, wie die staatlichen Unternehmen auf bestimmte Wirtschaftszweige konzentriert sind. Der Anteil der Gesamteinnahmen der staatlich kontrollierten Unternehmen im Jahr 2018 in der Erdöl- und Erdgasförderung bei 74,4 Prozent, in den Bereichen Maschinenbau, Elektronik, Optik und elektrische Ausrüstung bei 55,6 Prozent und im Finanz- und Versicherungswesen bei 46,8 Prozent. Im Baugewerbe sind es jedoch nur 20,9 Prozent und im Handel nur 1,1 Prozent.

Wenn große Unternehmen mit staatlicher Beteiligung eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, versuchen sie zu monopolisieren und steigende Schulden durch mangelnde Transparenz zu verstecken. Schulden staatlicher Unternehmen, für die der Staat, also die Steuerzahler, aufkommen müssen, sollen etwa 10 Prozent des BIP betragen.

All das verringere die Effizienz der Marktmechanismen und verletze den Grundsatz der Gleichheit zwischen Unternehmen und Staat. Wenn der Eigentümer gleichzeitig die Spielregeln bestimmen kann, treten an die Stelle von Wettbewerbsmechanismen administrative Ressourcen und Lobby-Möglichkeiten. Infolgedessen beginnt die Wirtschaft zu stagnieren.

Kudrin fordert, dass der Staat dem Privatsektor Platz machen müsste. Nach der Finanzkrise von 2009 wurde das hohe Maß an staatlicher Beteiligung an der Wirtschaft in den meisten Ländern viel eher toleriert, da die Rolle des Staates in Krisenzeiten stets zunimmt. Aber genauso wichtig sei es, das staatliche Engagement in Erholungsphasen nach der Krise wieder zu reduzieren. „Der öffentliche Sektor kann manchmal eine wichtige und positive Rolle spielen, aber es ist an der Zeit, dass er schrumpft. Die Notfalltherapie birgt viele Risiken, wenn sie nicht rechtzeitig beendet wird“, so Kudrin.

97 Prozent aller Einnahmen für den Fiskus in den Jahren 2017 bis 2019 wurden von 20 Unternehmen erzielt. Staatsunternehmen gehören selten zu den Innovationstreibern und zeichnen sich in der Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung negativ aus. „Die Privatisierung könnte die Situation ändern, indem sie den Unternehmen effektive Eigentümer gibt. Dies würde sich nicht nur positiv auf die Ergebnisse der einzelnen Organisationen auswirken, sondern auch die Effizienz der Wirtschaft insgesamt verbessern.“

Die Entstaatlichung der Wirtschaft werde das Land auf ein neues Effizienzniveau bringen und Mittel aus der Privatisierung könnten in die Entwicklung des Landes gelenkt werden, ohne die Unternehmen steuerlich zu belasten. Der Staatskasse könnte die Privatisierung durchschnittlich etwa 250 Milliarden Rubel jährlich für 5 bis 6 Jahre einbringen.

Der Rechnungshofchef erwähnt lobend, im vergangenen Jahr habe die Regierung damit begonnen, Ziele für die staatliche Beteiligung an einzelnen Unternehmen festzulegen. Das sei ein gutes Ziel: Der Staat sollte sich aus Wirtschaftsbereichen zurückziehen, die unter Marktbedingungen leben. Er sollte nur dort verbleiben, wo er gebraucht wird, wie im Sicherheits- und Sozialbereich. In anderen Sektoren sollte die Initiative an die Privatwirtschaft gehen.

Russland braucht dringend ein wettbewerbsfähiges Umfeld in seinen Binnenmärkten und dazu einen deutlichen Trend zur Privatisierung, der uns schließlich auf ein neues Effizienzniveau bringen wird. Zusätzlich muss die Regierung die Reform und Optimierung der Struktur staatlicher Konzerne und Institute vorantreiben, um ihre Effizienz zu steigern.

Kudrin verglich die Top 10 der größten Unternehmen in den USA und Russland. Die amerikanische Liste enthält kein einziges staatliches Unternehmen, während die russische Liste nur vier private enthält. Staatliche Unternehmen seien laut Kudrin „weniger flexibel in der Verwaltung“, der Staat sei „ein weniger effizienter Eigentümer als private Strukturen“.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow reagierte umgehend und nannte die Privatisierung einen wichtigen Prozess, erinnerte aber gleichzeitig daran, dass früher in Russland aufgrund der Privatisierung mehrere Industrien kurz vor dem Aussterben standen. Kudrin war jahrelang „der beste Finanzminister der Welt“ und verfüge über „große Erfahrung“ sowie „hervorragendes Fachwissen“. Gleichzeitig gäbe es andere Expertenmeinungen“, so Peskow.

[hrsg/russland.NEWS]

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