China ist seit einigen Jahren der wichtigste Handelspartner Russlands. Doch diese „Freundschaft ohne Grenzen”, wie es im Kreml heißt, hat ihre Grenzen: Chinesische Investoren schränken ihre Investitionen in Russland ein, so der BOFIT-Bericht. Experten zufolge stehen die Chinesen dem russischen Markt skeptisch gegenüber und sind nicht bereit, Sanktionsrisiken in Kriegszeiten einzugehen.
Die dem Krieg in der Ukraine folgenden Sanktionen gegen Russland haben die russische Wirtschaft stärker von der chinesischen abhängig gemacht. Die wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Moskau und Peking ist somit stärker denn je. Für Russland ist China nicht nur der größte Handelspartner geworden, sondern es werden mehr als ein Drittel des gesamten russischen Außenhandels mit China getätigt. Aus China kommen vor allem Hightech-Güter nach Russland, während Russland vor allem natürliche Ressourcen nach China exportiert.
Trotzdem bleiben die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Moskau und Peking oberflächlich, wie aus einem neuen Bericht des Bank of Finland’s Institute for Developing Economies (BOFIT) hervorgeht. Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass China seine Investitionen in Russland unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht erhöht, sondern eher reduziert hat. In diesem Zusammenhang haben sich die chinesischen Investoren ähnlich wie die westlichen Investoren verhalten.
Chinesische Unternehmen zögern mit Investitionen in die russische Wirtschaft, da Informationen dafür oft nicht zugänglich sind, erklärte Wang Xu, Direktor der Investmentgesellschaft Heilongjiang Zherong, im Rahmen des russisch-chinesischen Forums in Chabarowsk.
„Es gibt keine verlässlichen, verständlichen und klaren Informationen über die russische Wirtschaft und die Investitionspolitik. Viele Informationen beziehen Geschäftsleute aus sozialen Netzwerken. Diese negativen Informationen verstärken die Ängste und Befürchtungen vor einer Geschäftstätigkeit in der unbekannten Umgebung Russlands“, so Wang.
Alexander Gabujew, Direktor des Carnegie-Zentrums Berlin und einer der führenden Russland-China-Experten, wies in einem Gespräch mit dem russischen Wirtschaftsportal The Bell auf mindestens drei Gründe hin, warum China so wenig in Russland investiert.
Erstens könnten die tatsächlichen chinesischen Investitionen größer sein, da in den Statistiken möglicherweise nicht alle Ketten von Offshore-Beteiligungen berücksichtigt werden.
Zweitens genießt Russland bei chinesischen Investoren seit jeher einen eher schlechten Ruf. Für sie sind russische Vermögenswerte genauso teuer wie in den entwickelten Märkten, aber im Gegensatz zu diesen verfügt das Land weder über einen Investitionsschutz noch über ein verständliches Rechtssystem. Gleichzeitig sind größere Investitionsprojekte wie Jamal LNG möglich, da sie auf höchster politischer Ebene verhandelt werden.
Drittens haben sich die kriegsbedingten Sanktionen ausgewirkt. Daher ist es für Russland einfacher, wichtige Komponenten und Ausrüstungen, wie beispielsweise CNC-Werkzeugmaschinen, aus China zu beziehen, als die Produktion dieser Güter im Land durch chinesische Partner zu lokalisieren.
Laut den Daten des American Enterprise Institute, das die Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen verfolgt, geht das letzte größere chinesische Investitionsprojekt (100 Millionen Dollar oder mehr) in Russland, ausgenommen Bauaufträge, auf das Jahr 2021 zurück. Es handelte sich um eine 360-Millionen-Dollar-Investition des chinesischen Öl- und Gasunternehmens Sinopec in die russische Ölindustrie.
Über den Stand des aktuellen Handelsumsatz zwischen Russland und China berichtete der russische Handelsbeauftragte in China, Alexei Dachnowsky, auf dem Russland-China-Forum in Chabarowsk, er sei von Januar bis April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,5 Prozent gesunken. Das Volumen hat 71 Milliarden Dollar nicht überschritten. Gleichzeitig wurde im Jahr 2024 ein Spitzenwert des Handelsumsatzes von fast 245 Milliarden Dollar verzeichnet.
„Die Exporte aus Russland nach China sind um 9 Prozent gesunken, die Importe aus China um 5,3 Prozent. Ich glaube, dass die Zeit des schnellen Handelswachstums vorbei ist. Der Handel wird weiterhin wachsen, aber nicht mehr zweistellig wie früher“, so Dachnowsky. Als Gründe für den Abschwung nannte er niedrigere Preise für börsengehandelte Waren, den hohen Refinanzierungssatz der russischen Zentralbank sowie die Verlangsamung des Wachstums einer Reihe von Branchen in China, die russische Produkte verwenden – insbesondere Nichteisenmetalle. Hinzu komme, dass der russische Markt mit chinesischen Produkten gesättigt sei.
So fiel Russland im April 2025 in der Weltrangliste der Importeure von China vom ersten auf den sechsten Platz zurück und hat damit seinen Status als größter Abnehmer chinesischer Personenkraftwagen verloren, wie RIA Novosti unter Berufung auf Daten des chinesischen Zolls berichtet. Im Laufe des Monats gingen die Lieferungen von Pkw aus China nach Russland um 16,2 Prozent zurück und beliefen sich auf 507 Millionen Dollar gegenüber einem Rekordwert von 605 Millionen Dollar im März.
Die Ausfuhren chinesischer Autos nach Russland haben sich in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 1,86 Milliarden Dollar fast halbiert. Besonders auffällig war der Rückgang bei den Lkw-Lieferungen, die sich fast verfünffachten und auf 146,5 Millionen Dollar sanken. Im April sank das Volumen der Lkw-Lieferungen im Vergleich zum März um 16,9 Prozent.
Gleichzeitig stiegen die Lieferungen von Kraftfahrzeugteilen aus China nach Russland um 4,4 Prozent auf fast 754 Millionen Dollar in vier Monaten, obwohl das Volumen im April mit 5 Prozent leicht zurückging.
Zhou Liqun, der Vorsitzende des Verbandes chinesischer Unternehmer in Russland, ist der Ansicht, die derzeitige Situation begünstige ein Wachstum des Handelsumsatzes zwischen den beiden Ländern auf 300 Milliarden Dollar innerhalb von zwei bis drei Jahren.
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