„Gute Karten“ – Herausforderungen der Personalsuche in Russland

„Gute Karten“ – Herausforderungen der Personalsuche in Russland

Der Geschäftsführer der internationalen auf Russland spezialisierten Personalberatung CT Executive Search Christian Tegethoff sprach mit russland.NEWS über Besonderheiten des russischen Arbeitsmarktes.

Herr Tegethoff, wenn Sie den russischen Arbeitsmarkt mit einem Wort beschreiben sollten, was würden Sie sagen?

Christian Tegethoff: Es ist ganz klar, dass der russische Arbeitsmarkt ein Arbeitgebermarkt ist. Das bedeutet, dass Unternehmen, die expandieren und Personal einstellen wollen, sehr gute Karten haben. Durch die Corona-Pandemie hat sich dieser Trend nur verstärkt.

Nichtsdestotrotz hatten deutsche Firmen schon immer große Probleme bei der Personalsuche, vor allem was Fachkräfte angeht.

Christian Tegethoff: Ja, das stimmt. Bei Facharbeitern herrscht in Russland ein Mangel, weil das russische Bildungssystem nicht genügend Facharbeiter hergibt, die man sofort in der Produktion einsetzen kann. Das grundliegende Problem besteht darin, dass Ausbildungsberufe in Russland keinen hohen Stellenwert haben. Alle wollen ein Hochschulstudium machen. Die andere Frage ist die Qualität. Das Ausbildungsniveau bei russischen Berufsschulen, nach Aussagen der deutschen Unternehmen, entspricht leider nicht den deutschen Standards. Das heißt, wenn man so einen Absolventen einstellt, muss man sehr viel Ressourcen anwenden, um denjenigen soweit zu bringen, dass er den Job machen kann. Hier hat sich leider in den letzten Jahren nicht viel getan. Man wählt also dann die Kandidaten nach Soft Skills aus, und schaut, wer ist lernwillig, wer hat Potential.

Wie sieht es dann mit Führungskräften aus?

Christian Tegethoff: Hier ist die Situation viel entspannter. Es gibt auf dem freien Markt einen recht großen Pool an Kandidaten, die in Frage kommen. Die Firmen wollen von einer Führungskraft sehen, dass sie schon Erfahrungen in einem westlichen Unternehmen gesammelt hat bzw. mit solchen Anforderungen wie soziale Kompetenz, Compliance-Verständnis, Reporting etc. klarkommt. Das kann man sich nur durch die Arbeit in einer westlichen Firma aneignen. Da in Russland aber inzwischen sehr viele ausländische Unternehmen tätig sind, gibt es genügend Kandidaten, zumindest in Moskau und St. Petersburg. In den Regionen sieht das natürlich anders aus. Also, was macht man, wenn man zum Beispiel ein Werk im Ural baut? Wir als Personalberater schauen uns zuerst den lokalen Markt an. Gibt es dort vielleicht andere produzierende Unternehmen? Die zweite Möglichkeit ist, sich in anderen Regionen umzuschauen, aber nicht in Moskau. Denn Moskauer gehen nicht gerne weg, also ist es schwierig, einen Top Manager zu einem langfristigen Umzug in die Provinz zu bewegen. Vielleicht macht er das nur für ein Jahr, quasi als Expat in seinem eigenen Land. Diese Zeit könnte man dann nutzen, um jemanden vor Ort heranzuziehen, der dann in ein zwei Jahren soweit ist, um den Posten zu übernehmen.

Früher hat man Expats im Top-Management bevorzugt. Ist es heute anders? Gibt es Russen als CEO in deutschen Unternehmen in Russland?

Christian Tegethoff: Der Trend geht seit vielen Jahren weg von Expatriates und hin zu Ortskräften, also zu Russen. Russland hat sich seit langem in die internationale Wirtschaft und Wertschöpfungsketten integriert, und das Angebot an qualifizierten Führungskräften ist enorm gewachsen. Der Vorteil einer Ortsführungskraft ist auch, dass man mit denen langfristig planen kann, sie günstiger sind, weil die Expat-Zulagen wegfallen. Außerdem verstehen sie besser russische Kunden, wie sie ticken und was sie brauchen. Ich schätze, dass inzwischen fast 90 Prozent der Führungsposten von Russen besetzt sind.

Wie teuer ist das russische Personal für deutsche Unternehmen?

Christian Tegethoff: Mit dem Hinblick auf die Produktionskosten ist Russland wettbewerbsfähiger geworden, und zwar durch die Abwertung der russischen Währung. Das sind etwa 50 Prozent zu dem Stand von 2014. Das heißt, die Lohnkosten sind heute nur halb so hoch. Aus der Arbeitgebersicht hat man jetzt viel attraktivere Konditionen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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