Grünes Geld in Russland

Grünes Geld in Russland

Diese Länder haben gelernt, die Welt zu retten und damit Geld zu verdienen. Russland will nicht zurückfallen

Die Umweltagenda bricht in die Welt des großen Geldes ein. Grüne Investitionen sind nicht mehr nur Worte, sondern ein Milliardenmarkt. Während die Menschheit versucht, alle Risiken der globalen Erwärmung zu reflektieren, erzielen Umweltideologen und Lobbyisten neue Erfolge und sind der Haupttreiber des Wirtschaftswachstums – in den Geldbörsen der Anleger. Investitionen werden in umweltfreundlich und umweltschädlich unterteilt und eine kompetente „grüne“ Investition wird zu einer positiven Imagegeschichte. Russland beginnt gerade erst, diesen Nischenmarkt zu entwickeln, aber für den Erfolg wird es notwendig sein, die Wirtschaft zu modernisieren.

Die führenden Volkswirtschaften der Welt haben den Kampf gegen die globale Erwärmung verstärkt. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, leihen sich Regierungen verschiedener Länder und die größten Unternehmen der Welt Milliarden von Dollar, um große Umweltprojekte umzusetzen. Die sogenannten „grünen“ Anleihen wurden dabei zu ihrem Hauptinstrument. Technisch unterscheiden sich diese Anleihen nicht von anderen Obligationen. Investoren erwerben sie wie andere Anleihen, und der Emittent erhält Geld für die Umsetzung seines Projekts. Der einzige Unterschied besteht darin, dass diese Mittel gezielt eingesetzt werden und nur für Projekte mit potenziell positiven Umweltauswirkungen verwendet werden können. Solche Initiativen sind vor allem Projekte alternativer Energiequellen, „sauberer“ Verkehr, Projekte zur Schaffung „intelligenter“ Gebäude und die Entwicklung effizienter Abfallentsorgungssysteme. Die Mittel können nicht nur für neue Projekte verwendet werden, sondern auch zur Finanzierung bestehender umweltfreundlicher Initiativen.

„Grüne“ Obligationen sind vor etwas mehr als 10 Jahren auf dem Finanzmarkt aufgetaucht – de facto waren es Anleihen der Europäischen Investitionsbank, die 2007 ausgegeben wurden. Sie sollten Projekte im Bereich alternativer Energiequellen und Energieeffizienz finanzieren. Die ersten als „grün“ markierten Anleihen traten ein Jahr später auf – sie wurden von der Weltbank ausgegeben. Seitdem ist dieses Segment des Finanzmarktes stetig gewachsen – seit 2007 liegt das durchschnittliche jährliche Wachstum bei 230 Prozent. Das Gesamtvolumen der Emission grüner Anleihen belief sich 2007 auf 0,8 Milliarden US-Dollar, 0,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008, eine Milliarde im Jahr 2009, 3,7 Milliarden im Jahr 2010 und zwei Milliarden im Jahr 2012. Der Öko-Anleihen-Markt erlebte einen regelrechten Boom im Jahr 2013: Das kumulierte Produktionsvolumen hat sich im Laufe des Jahres auf 11 Milliarden US-Dollar verdreifacht und ist dann mit enormem Tempo weiter gewachsen.

Im Jahr 2014 erreichte die Gesamtproduktion von „grünen“ Anleihen 36,6 Milliarden Dollar, im Jahr 2015 stieg sie auf 41,8 Milliarden und im 2016 auf 87,2 Milliarden. 2017 waren wir bereits bei 155,5 Milliarden Dollar.

Das Segmentwachstum verlangsamte sich erst im Jahr 2018 – zum Jahresende waren es 167,3 Milliarden Dollar. Es wird jedoch erwartet, dass sich der Trend wieder beschleunigt und Ende 2019 die 200 Milliarden Hürde genommen wird. Eine solche Dynamik  spiegelt die weltweite Nachfrage nach umweltfreundlichen Finanzinstrumenten wider.

Fifty shades of green

Mit dem Aufkommen grüner Anleihen auf dem Finanzmarkt ist die Notwendigkeit klar geworden, einen einheitlichen Standard für ihre Umweltverträglichkeitsprüfung und einen Mechanismus für die Überwachung seiner Umsetzung zu schaffen. Der erste Versuch, einen solchen Standard zu entwickeln, wurde 2011 unternommen – seine Kriterien waren jedoch nicht für die Bewertung aller Arten von Projekten geeignet, sondern betrafen nur den Bereich der Windenergieerzeugung. Im Jahr 2015 wurde der Standard erweitert – die neue Version umfasste bereits mehrere Arten von Projekten. Die Erstellung eines einzigen Standards ist noch in Arbeit. Heute gelten die sogenannten Green Bonds Principles als Benchmark. Denen in diesem Dokument beschriebenen Bedingungen folgt die Mehrheit der globalen Emittenten grüner Anleihen. Der Investor beurteilt durch seine Beobachtung die Zuverlässigkeit des Emittenten. Sie wird üblicherweise zusätzlich durch eine unabhängige Seite bestätigt – es handelt sich in der Regel um renommierte Unternehmen wie Deloitte, Moody’s, S & P und Sustainalytics.

Eine der bekanntesten Organisationen unter unabhängigen Bewertern von „grünen“ Projekten ist das norwegische Institut CICERO. Das Institut hat ein eigenes Öko-Projektklassifizierungssystem namens „Shades of Green“ geschaffen. Damit können Sie Projekte nach Umweltfreundlichkeit einstufen – dunkelgrün, grün, hellgrün und braun. Projekte, die in die erste Kategorie fallen, sollen die Kohlendioxidemissionen langfristig in die Atmosphäre reduzieren (z. B. Projekte zur Erzeugung von Energie aus Wind). Die zweite Kategorie umfasst Projekte, bei denen der Wunsch nach nachhaltigen Lösungen auf lange Sicht erkennbar ist, das Ziel jedoch noch nicht vollständig verwirklicht wurde (dies sind beispielsweise Bauprojekte, die aus heutiger Sicht gut sind, jedoch keine hervorragende Energieeffizienz bieten).

Projekte, die die Umweltsituation langfristig nicht verschlechtern (z. B. eine effizientere Infrastruktur für die Erdölförderung), fallen in die Kategorie hellgrün. Braun gilt als ein Projekt, das all den oben genannten widerspricht. Anleihen, die die Zertifizierung bestanden haben und das Label „green“ erhalten haben, werden an verschiedenen Börsenabteilungen gehandelt. Beispielsweise gibt es eine spezielle Handelsplattform, die Luxembourg Green Exchange, an der Luxemburger Börse.

Geld wird die Welt retten

Der Markt für „grüne“ Anleihen entwickelt sich aktiv im Westen und in Asien. Bei den Emittenten grüner Anleihen handelt es sich sowohl um Staaten als auch um Länder/Provinzen (z.B. die französische Regierung, Massachusetts und die Provinz Ontario) sowie Organisationen verschiedener Ebenen (z. B. die bereits erwähnte Weltbank oder Pensionsfonds). 2018 waren die Vereinigten Staaten, China und Frankreic hinsichtlich des Emissionsvolumens grüner Anleihen unter den Ländern führend. Die Vereinigten Staaten erreichten den ersten Platz vor allem aufgrund des Hypothekenkonglomerats Fannie Mae. Das Unternehmen kontrolliert den Großteil des US-amerikanischen Immobilienmarktes und finanziert erneuerbare Energien. Im Jahr 2018 belief sich sein Volumen an Öko-Obligationen auf 37,7 Milliarden Dollar. Ebenfalls einer der größten Infrastrukturinvestoren der Welt ist die Pensionskasse der «Ontario Teachers». Sie hat Wertpapiere des größten Wasserversorger in Südamerika und der größten Entsalzungsanlage der Welt in Australien gekauft.

„Grüne“ Anleihen erwiesen sich für alle als vorteilhaft – für die Herausgeber von Wertpapieren können Ökobonds ein Instrument darstellen für den Übergang zu einer umweltverträglichen Wirtschaft. Dank Umweltprojekten schafft der Emittent das Bild einer fortschrittlichen Organisation oder eines Staates, der auf langfristige und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist. Darüber hinaus entspricht die Emission von Umweltanleihen den Zielen des 2015 unterzeichneten Pariser Klimaabkommens. In Ökoprojekte zu investieren, wird jährlich interessanter. Laut einer Studie von Ernst & Young, die Ende 2018 veröffentlicht wurde, konzentrierten sich die Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung zunehmend auf die ökologischen und sozialen Aspekte der Aktivitäten des Unternehmens. Bereits die Hälfte der Befragten ist bereit, von einer Investition abzusehen, wenn das Projekt die Umwelt schädigt. 2017 waren es nur acht Prozent. Schließlich sehen die Anleger selbst oft eine gute Imagelösung in „grünen“ Anlagen.

Grünes Licht

Der osteuropäische Markt überholt die Führenden noch nicht, obwohl er sich aktiv entwickelt. Im Jahr 2016 gab Polen staatliche grüne Anleihen heraus. Im Jahr 2018 folgte Litauen – mit Öko-obligationen gelang es dem Staat, Mittel für die Entwicklung von energieeffizientem Wohnungsbau einzuholen. In Russland ist dieses Segment noch nicht erschlossen. Ende 2018 erfolgte die erste Herausgabe von Öko-Anleihen, die den Green-Bond-Grundsätzen entsprechen. Die Mittel daraus werden für die Schaffung einer integrierten interkommunalen Mülldeponie für die Städte Nefteyugansk, Pyt-Yakh und die Siedlungen des Bezirks Nefteyugansk verwendet. Die Behörden passen jedoch die Auslandserfahrung mit „grünen“ Finanzinstrumenten in Russland erfolgreich an.

Ende 2018 erstellte die Zentralbank einen Fahrplan für die Schaffung eines grünen Finanzmarktes in Russland, wonach an der Moskauer Börse ein separater Sektor grüner Anleihen erscheinen sollte (die Börse selbst plant dies im ersten Halbjahr 2019). Die Idee eines Marktes für grüne Anleihen in Russland fand Unterstützung beim Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. Das Ministerium bezeichnete diese Finanzierung als „Welttrend“ und kündigte seine Bereitschaft an, die Entwicklung dieses Marktes in Russland insbesondere mit Hilfe von Steuerbefreiungen anzuregen. Gleichzeitig stellte das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel fest, dass ein Problem für das neue Segment des Finanzmarktes in Russland die fehlende Definition von „grünen“ Anleihen im rechtlichen Rahmen sein könnte. Das Ministerium vertritt die Meinung, man solle den bestehenden westlichen Standard übernehmen und entscheiden, wer die Umweltfreundlichkeit der Anleihen bestätigt.

Die Bank von Russland ist davon überzeugt, dass die Entwicklung des Marktes für grüne Anleihen in Russland und vermehrte Investitionen aus dem Ausland ein Motor für die Aufhebung von Sanktionen gegen Russland sein können. «Grüne» Investitionen in grüne Projekte werden als mögliches Mittel für das Ende der Sanktionen betrachtet.

Ausländische Investoren, die in ihren Portfolios einen großen Pool russischer „grüner“ Anleihen haben, werden sich in jeder Hinsicht dafür einsetzen, die bestehenden Beschränkungen aufzuheben. Außerdem muss Russland seinen Öko-Finanzmarkt ausbauen, da Länder, die eine aktive interne Umweltpolitik betreiben, früher oder später gezwungen sein werden, Wareneinkäufe von Staaten zu reduzieren, deren Aktivitäten den globalen Umweltstandards nicht entsprechen. In diesem Fall könnte Russland in Gefahr sein, da Energieressourcen (wie Öl und Gas) und natürliche Ressourcen (zum Beispiel Wald) die Grundlage für die Exporte des Landes bilden.

[bz/russland.CAPITAL]

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