Grün oder Grau – Wie steht es um den Umweltschutz in Russland? – Teil 2

Grün oder Grau – Wie steht es um den Umweltschutz in Russland? – Teil 2

Wie jeder weiß, lebt Russlands Wirtschaft von der Industrie. Aber inwiefern tragen die russischen Industrieunternehmen zum Schutz der Umwelt bei? Ein Schritt nach vorne, oder eine Fehlinvestition? Die russische Bevölkerung hat dazu eine klare Meinung.

Während die konkrete Umsetzung der BVT noch ausgearbeitet wird, wartet schon das Nationale Projekt „Ökologie“. Es hat das Ziel, die Zustände in Russland, was Umweltschutz und Schutz der biologischen Vielfalt angeht, komplett umzukrempeln. Es besteht aus elf regionalen Projekten, die die vier Bereiche Luft, Wasser, Emission und Biodiversität abdecken. Die Regierung geht von einem benötigten Budget von 1,551 Billionen Rubel aus. Die Ziele sollen bis 2024 verwirklicht werden. So sollen mehr als 70 Prozent der in industriellen Ballungszentren lebenden Bevölkerung mit der Luftqualität in ihrem Wohngebiet zufrieden sein. Die 300 größten „Verschmutzer“ haben bis 2024 ihre Luftfilter modernisiert, 99 Prozent der Bevölkerung verfügen über Trinkwasser und noch vieles mehr.

Schwere Lücken in der medizinischen Versorgung, Altersarmut und Arbeitslosigkeit – aber dann solche Beträge in den Umweltschutz investieren. Hat die Bevölkerung Verständnis dafür? In einer Umfrage des allrussischen Meinungsforschungszentrums WZIOM sollten die Befragten nach einer Skala (1 bis 5) angeben, was für sie persönlich gute Lebensqualität bedeutet. Umweltschutz und Ökologie landeten dabei auf Platz 4, mit einem Schnitt von 4,52 Punkten. Wichtiger waren nur ein „stabiles Gehalt“, Sicherheit und Gesundheit. Bei der Frage, inwiefern diese Wünsche auch real verwirklicht sind, landet die Ökologie 2018 auf dem vorletzten Platz. Eine Durchschnittspunktzahl von 3,19 zeigt, dass die Menschen in Russland mit der ökologischen Situation eher unzufrieden sind. 34 Prozent bewerteten die ökologische Situation an ihrem Wohnort als eher gelungen, 28 Prozent als eher nicht gelungen. Das Meinungsforschungszentrum Lewada fand heraus, dass 46 Prozent der Bevölkerung Umweltverschmutzung als besorgniserregendes Thema empfinden. Ich frage Marina B., was sie von den Investitionen halte: „Natürlich haben wir auch andere Probleme im Land. Aber wenn die Luft irgendwann so dreckig ist, dass Tausende Menschen früher sterben, dann bringt uns auch eine gute Rentenversicherung nichts mehr. Man muss die Probleme im Keim ersticken, an der Wurzel packen.“

„BVT“ finanziert sich nicht von alleine

Prognosen des russischen Industrie- und Handelsministerium zufolge bedarf es einer Gesamtinvestition von 645 Milliarden Rubel zur Einführung der BVT, und das nur für den Sektor der Buntmetallindustrie. Alleine Nornickel, eines der größten Unternehmen in der Branche und der größte Nickel- und Palladiumproduzent weltweit, plant eine Investition von 188 Milliarden Rubel in den nächsten drei Jahren in die Implementierung der BVT. Das Unternehmen verfügt größtenteils schon über Technologien, die auf dem neusten Stand sind und hat das Privileg, weitere Investitionen aus eigener Tasche zahlen zu können. Aber wie ist es mit Firmen, die die Installation der BVT nicht aus eigener Kraft stemmen können?

Speziell zur Finanzierung der Einführung der BVT hat die Regierung mehrere Programme realisiert, um Unternehmen zu unterstützen. Der sogenannte Fond zur Industrieentwicklung wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, Industrieunternehmen anzuregen in Modernisierung zu investieren. Parallel wurde der sogenannte SPIK-Vertrag entwickelt. Erneut mit dem Ziel, Unternehmen zu Investitionen in BVT und Modernisierung anzuregen tritt hier die russische Föderation als Vertragspartner auf. Sobald das Unternehmen oder der Investor den Vertrag unterzeichnet haben sind sie verpflichtet, ihre Pläne zur Modernisierung einzuhalten. Während der Vertragslaufzeit garantiert die Regierung dem Investor eine stabile Steuerpolitik und regulierte Verhältnisse für die Geschäfte des Unternehmens. Außerdem unterstützt die russische Regierung Unternehmen, die eine besonders nachhaltige Umweltpolitik führen.

Norilsk Nickel geht mit gutem Beispiel voran

Das aus Norilsk, der nördlichsten Großstadt der Welt, stammende Unternehmen mit Sitz im Moskauer City Komplex macht vor, wie Umweltschutz geht. Zweifelsohne gehört es zu den 300 größten „Verschmutzern“ im Land und zählt, wie alle in Russland ansässigen Unternehmen der Metallindustrie, in Bezug auf die Gefährdung für die Umwelt zur 1. Kategorie.

Doch das Unternehmen hat sich große Ziele gesetzt. Bis 2023 will Nornickel in der Buntmetallindustrie das innovativste, modernste und umweltfreundlichste Unternehmen werden. Schon 2017 äußerte sich Präsident und Generaldirektor Vladimir Potanin zu den Zielen von Nornickel: „In den letzten fünf Jahren wurde einiges getan. Doch wir sind uns unserer Verantwortung der Umwelt gegenüber durchaus bewusst. Mit Investitionen von etwa 2,5 Milliarden Euro wollen wir in die Modernisierung investieren und den CO2-Ausstoß mindern.“ Zusätzlich, so Potanin, „starten wir die zweite Phase unseres Umweltprogramms – das Sulfur-Projekt, das in seiner Größenordnung nicht nur in Russland, sondern auf der ganzen Welt beispiellos sein wird.“ Und tatsächlich scheinen seine Worte mehr als nur Imagepflege zu sein. 2016 wurde das dienstälteste Werk in der „Heimatstadt“ Norilsk geschlossen, wodurch der Schwefelausstoß von 400.000 Tonnen jährlich gestoppt wurde. Norilsk zählte jahrelang zu den Städten mit der schlechtesten Luftqualität in Russland – und sogar weltweit.

Hat Russland eine grüne Zukunft?

Ein klarer Trend im Verhältnis der russischen Bevölkerung zur Umwelt ist auf jeden Fall erkennbar. An vielen Orten stehen Container zur Mülltrennung, Bankautomaten geben nur auf Wunsch Quittungen heraus und die Menschen werden gebeten, ihre eigenen Einkaufstüten mitzubringen und wiederzuverwenden. Plastiktüten kosten mittlerweile Geld, überall in Moskau wird darauf hingewiesen, sich umweltfreundlich zu verhalten sowie den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen und, und, und.

Die Projekte und verabschiedeten Gesetze machen Hoffnung auf mehr. Wie viel davon im Nachhinein dann tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Sehr positiv zu bewerten ist die Vorgehensweise der russischen Regierung mit Großunternehmen, die zu einem großen Teil der Emissionen beitragen. Auch der Öko-Trend von Nornickel zeigt das wachsende Verständnis für das Verhältnis zwischen Umweltschutz und Zukunft.

Man mag von den Umweltmaßnahmen halten, was man will. Doch dass sie ein gewisses Umweltbewusstsein in den Menschen geweckt haben, das steht nicht zur Debatte. An vielen Orten im Moskau stehen Mülleimer mit Mülltrennung – und die Mehrheit hält sich dran. Den Moskauer Fernsehturm schmückt der Slogan „Schützen wir unsere Umwelt gemeinsam“. Wer weiß, vielleicht werden auch eines Tages die Menschen in Russland den Asphalt schrubben.

[Nikolai Boll/russland.NEWS]

Teil 1 gibt es hier zu lesen.

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