Grün oder Grau – Wie steht es um den Umweltschutz in Russland? – Teil 1

Grün oder Grau – Wie steht es um den Umweltschutz in Russland? – Teil 1

Dieselverbote und Abschaltung von Atomkraftwerken – in Deutschland ist der Umweltschutz ein ständiges Thema in den Massenmedien, ebenso im politischen Diskurs. Doch wie sieht es mit der Umweltpolitik in Russland aus?

Umweltschutz, Treibhausgase, Klimawandel – das sind die Themen, die viele Deutsche in den letzten Jahren stark berührten. Über die Gefahren und knallharten Fakten der ökologischen Situation unseres Planeten muss ich, denke ich, niemanden mehr aufklären. Und auch darüber, dass Deutschland international im Bereich der Klima-Politik ganz vorne mitschwimmt, darüber wurde und wird genug berichtet. Aber wie es bei unseren „Nachbarn“ aussieht, da weiß kaum einer Bescheid. Und zwar geht es um unseren größten „Nachbarn“ – Russland. Neben vielen anderen Klischees über den Riesen aus dem Osten existiert auch das Vorurteil, in der Russischen Föderation werde kein Wert auf Umweltschutz gelegt.

Davon will ich mich bei einem entspannten Spaziergang durch die Düsseldorfer Altstadt selbst überzeugen. „Die werden andere Probleme haben. Ich glaube da drüben wird nicht viel Wert auf unsere Umwelt gelegt“, erzählt mir eine ältere Dame. „Also ich stelle mir russische Städte sehr düster und verschmutzt vor“, schildert mir ein Herr mittleren Alters. Ich bin schockiert. Aber übel nehmen kann ich es ihnen nicht. Über dieses Thema berichten unsere Medien schlichtweg nicht. Die Fragen, die sich jetzt stellen sind: welche Maßnahmen zum Umweltschutz gab es von Seiten der Regierung, und kann Russland mit Deutschland und der EU im Vergleich der Klimapolitik mithalten?

In Deutschland wird sogar der Asphalt geschrubbt

Letztere kann ich umgehend beantworten – nein, auf keinen Fall kann Russland mit der EU mithalten. Das hat mehrere Gründe. Aber wenn wir beide schon vergleichen, dann gleiches Recht für alle! Marina B. hat gerade an der Kasse ihre Karten für den Nussknacker gekauft, als ich sie frage, was Umweltschutz für sie bedeutet? „Sie sind aus Deutschland? Da habe ich eine tolle Geschichte für sie. In den 80er Jahren habe ich eine gute Freundin in Berlin besucht. Eines Morgens wache ich auf und schaue aus dem Fenster. Plötzlich sehe ich eine Dame aus dem Haus kommen, mit einem Eimer gefüllt mit Wasser und einem Wischmop. Ich bin fast aus dem Fenster gefallen, als sie angefangen hat den Asphalt vor dem Hof zu schrubben. Ab dem Moment wusste ich, wie lang der Weg ist, den unser Land im Bereich des Umweltbewusstseins noch zu gehen hat.“ Ob sich seitdem viel verändert hat, frage ich neugierig. „Wissen Sie, unser Volk ist sehr stur und konservativ, weswegen Veränderungen nur sehr langsam vonstattengehen. Aber das Gute ist, letztendlich werden sie doch umgesetzt und die Leute gewöhnen sich dran. Es erwärmt mein Herz, wenn ich sehe, dass die junge Generation viel umweltbewusster ist, als wir es jemals waren.“

2014 als Grundstein für ein grünes Russland

So wirklich Gedanken um die Umwelt hat sich die russische Regierung erst nach dem Zerfall der Sowjetunion gemacht. 1995 wurde das Gesetz zur sogenannten Umweltprüfung verabschiedet. Demnach kann auf Initiative von Bürgern und öffentlichen Organisationen eine Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt und umgesetzt werden. Gemäß den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsprüfung wird ein Gutachten zum Zustand des untersuchten Objekts hinsichtlich der Einhaltung bestehender Normen abgegeben. Mit diesem Verfahren wurde dem willkürlichen Bau von Fabriken mitten im Stadtinneren und der Errichtung illegaler Müllhalden in besiedelten Gebieten der Kampf angesagt.

Ein wirklich historisches Ereignis war die Verabschiedung des „Föderalen Gesetzes zum Schutz der Umwelt“ vom 10. Januar 2002, das im Jahr 2014 in wichtigen Punkten angepasst wurde. Ein Meilenstein war die Anerkennung der Umweltproblematik in dem Gesetz von 2002. So wurde das „Recht der Bürger auf Schutz der Gesundheit vor nachteiligen Auswirkungen der Umwelt“ im Gesetz verankert. Schon 1999 berichtete Der Spiegel über die Gefahr eines Bevölkerungsschwunds in Russland – auch auf Grund der äußeren Bedingungen. Die Bemühungen in der Umweltpolitik gingen stark mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Landes einher. Russland bekam so langsam die Möglichkeit, sich von den Folgen des krachenden Zerfalls der Sowjetunion zu erholen.

2009 erschien unter der Regierung um Präsident Medwedjew eine Klimadoktrin, die die Umweltpolitik in den folgenden Jahren wie ein Leitfaden definieren sollte. Das strategische Ziel der russischen Klimapolitik besteht laut der Doktrin darin, die sichere und nachhaltige Entwicklung Russlands sicherzustellen. Es wurde aber betont, dass die nationalen Interessen bei der Entwicklung und Umsetzung der staatlichen Klimapolitik im Vorrang haben. Eine ähnliche Haltung zeigte die russische Regierung im Bezug auf das Pariser Klimaabkommen. Russland hat den Vertrag zwar unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert.

Das föderale Gesetz zum Schutz der Umwelt wurde am 21. Juli 2014 um eine entscheidende Stelle ergänzt. Die Ergänzungen wurden als separates Gesetz N 219-ФЗ festgehalten und bilden eine Art „Fahrplan“ für die Umweltpolitik. Diesmal jedoch mit konkreten Zielen und Projekten sowie einer Politik der strengen Hand mit im Inland ansässigen Unternehmen. Eine entscheidende Maßnahme beinhaltet die Einführung der BVT, der Besten Verfügbaren Techniken. Hier orientiert sich Russland an der europäischen Umweltpolitik. Das Gesetz zur Einführung der BVT wurde in der EU bereits 2010 verabschiedet.

Nationales Projekt „Ökologie“ und BVT mehr als nur leere Versprechungen – die Regierung nimmt sich „Verschmutzer“ knallhart vor

Einführung der Besten Verfügbaren Technologien – das klingt weitaus einfacher, als es eigentlich ist. Im Falle Russlands steht dahinter ein riesiges und komplexes Konzept. Unter Berücksichtigung diverser Merkmale der einzelnen Sektoren sollen Unternehmen der 1. Kategorie zur Gefährdung der Umwelt die beste auf dem Markt verfügbare Technologie bei sich installieren. Dabei steht nicht nur die Umweltfreundlichkeit im Vordergrund, sondern auch die wachsende Konkurrenzfähigkeit russischer Unternehmen auf dem internationalen Markt durch Modernisierung. BVT-Technologien sind also nicht nur sehr umweltfreundlich, sondern auch die mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Ergänzung des föderalen Gesetzes im Jahr 2014 lieferte die Grundlage zur Einführung eines regulatorischen Rechtsrahmens. So greift die russische Regierung von nun an aktiv in die Umwelt- und Modernisierungspolitik in Russland ansässiger Unternehmen ein. Russische Unternehmen müssen um ihren Fortbestand fürchten, falls sie bestimmte Umweltauflagen oder Qualitätsnormen nicht erfüllen.

Die BVT-Standards sind in mehr als 50 Nachschlagewerken niedergeschrieben. Festgelegt werden sie vom Bundesamt für technische Regulierung, das sich wiederum aus Mitgliedern des Umweltministeriums, sowie weiteren Ministerien und Ämtern zusammensetzt. Die 300 russischen Unternehmen mit der größten Emission stoßen 60 Prozent aller Abgase in die Umwelt. Dagegen will die Regierung vorgehen. In Abgleich mit den BVT-Qualitätsnormen werden die Firmen einer komplexen Prüfung von mehreren Ämtern und Ministerien unterzogen. Resultat der Prüfung ist entweder die Aushändigung einer Umwelterlaubnis, oder die Verweigerung der Aushändigung. In dem Fall haben die Unternehmen drei Möglichkeiten. Entweder sie stellen ihre Arbeit komplett ein, sie arbeiten ohne Veränderungen weiter – jedoch unter hohen Strafzahlungen und Abgaben, oder sie installieren die BVT nach den aktuellen Qualitätsnormen. Zur Stimulation der eigenen Wirtschaft sollen die Unternehmen die BVT im Inland erwerben und nicht importieren. So wolle man mit einem Hieb zwei Branchen fördern.

[Nikolai Boll/russland.NEWS]

(morgen folgt Teil 2)

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