Große Russland-Konferenz der DIHK in Berlin: “Gutes Geld verdienen”Denis Manturow © russland.NEWS

Große Russland-Konferenz der DIHK in Berlin: “Gutes Geld verdienen”

Die 7. Russland-Konferenz, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) diesen Dienstag im Haus der Deutschen Wirtschaft veranstaltete, verlief unter dem Motto “Innovation als Wachstumsmotor”. Der optimistische Titel entsprach der Stimmung, die bei der Veranstaltung herrschte. Mehr als 500 Vertreter aus Politik und Wirtschaft beider Länder kamen nach Berlin, um sich über neue Impulse in bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu informieren.

Hätte man die Wände des Hauses der Deutschen Wirtschaft verschieben können, hätte man dreihundert Besucher mehr aufnehmen können. So groß war das Interesse, sagte Matthias Schepp, Vorstandvorsitzender der AHK Russland. Und er setzte seine Metapher fort: „Die gesamte deutsche Wirtschaft wünscht sich die Wände weg, die Deutschland und Russland trennen. Und um diese Wände ein Stück zu verschieben, sind wir heute zusammengekommen“.

In der anschließenden Pressekonferenz betonte er, dass die deutsche Wirtschaft “insgesamt mit der Lage zufrieden” sei. Es ist kein Zufall, dass Russland im Doing Business Rating der Weltbank in acht Jahren um 90 Plätze auf Platz 28 vorgerückt ist. Unsere Firmen verdienen in Russland gutes Geld, so Schepp. 87 Prozent bewerten ihre Geschäftslage in Russland als positiv und fast 40 Prozent haben vor, in Russland zu investieren. Zum Thema Nordstream 2 brachte Matthias Schepp Ergebnisse einer AHK-Umfrage zur Sprache: 93 Prozent der in Russland vertretenden Unternehmen wollen, dass die Pipeline trotzt heftiger Kritik aus den Vereinigten Staaten zu Ende gebaut wird. 35 Prozent erwarten dadurch für sich eine positive Signalwirkung.

Dr. Volker Traer, Außenwirtschaftschef der DIHK, betonte in seiner Begrüßungsrede, dass die diesjährige Russland-Konferenz „unter voller Ministerbeteiligung“ stattfindet. Das sei “ein ermutigendes Zeichen dieser Regierung, die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen stärken zu wollen”. Die sind durch Tiefen und Höhen gegangen: fast eine Halbierung des Handelsvolumens in drei Jahren war zu verzeichnen. Aber es geht aufwärts, was auch durch den großen “Andrang” bei der Konferenz zu sehen ist.

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier scherzte, jedes Jahr kommen immer mehr Minister, so dass man eines Tages eine Kabinettsitzung der russischen Regierung durchführen könnte. Russland habe in den letzten 20 Jahren eine enorme Transformation erlebt und ist in vieler Hinsicht ein modernes Land mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit geworden. Davon habe er sich auf seinen vier Russland Reisen in weniger als zwei Jahren überzeugt. Natürlich hat es Spannungen gegeben, aber zum ersten Mal seit einigen Jahren in den großen politischen Themen findet man Hoffnung. „Wir müssen unseren Dialog intensivieren“, so der Minister. Man habe mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin vereinbart, eine deutsch-russische Arbeitsgruppe zur künftigen Energiepolitik einzusetzen. Denn man wird in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern mehr Erdgas benötigen. Das sogenannte blaue Wasserstoff, das auch aus Erdgas gewonnen wird, trägt dazu bei, dass man eine klimaneutrale Energieversorgung in vielen Bereichen schaffen kann.

Der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, betonte in seiner Key-Note Rede „Deutsch-Russische Energiebeziehungen“, dass sich sein Bundesland auf die Renaissance der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen freue. “Wir warten auf ein klares Bekenntnis zu guten Beziehungen zu Russland“.

Mit großer Ungeduld wurden die Reden vom neuen Minister für Industrie und Handel Denis Manturow und von Maxim Oreschkin, dem neuen Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, erwartet. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass sich die deutsche und die russische Wirtschaft für die Weiterentwicklung eines pragmatischen und für beide Seiten vorteilhaften Dialogs im Bereich Innovation und in allen Wirtschaftsbereichen einsetzen. Trotz der Sanktionsbeschränkungen hat sich das Investitionsvolumen in unserem Land in den letzten vier Jahren um das Eineinhalbfache erhöht, und Deutschland ist der aktivste Akteur in unserem Land“, betonte der Minister. Deutsche Unternehmen setzen aktiver als andere spezielle Investitionsregelungen ein. Der Minister unterstrich, dass die Anforderungen an eine Mindestinvestitionsschwelle in Russland abgeschafft wurden, was kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zur Nutzung dieses Mechanismus eröffnet. „Wir sind daran interessiert, dass sich deutsche Geschäftsleute auf dem russischen Markt so wohl wie möglich fühlen. In dieser Hinsicht zielen alle Maßnahmen unserer Regierung und der russischen Zentralbank maximal auf die Verbesserung des Geschäfts- und Investitionsklimas ab“, so Manturow.

Maxim Oreschkin brachte einige Thesen vor, warum die deutsche Wirtschaft über gemeinsame Projekte nachdenken sollte. „Erstens ist dies ein makroökonomischer Faktor“. Im Zusammenhang mit dem Coronavirus fielen zwar die Ölpreise um 15 Dollar, aber „der russischen Wirtschaft ist nichts passiert“. Dies bestätige, dass das in den letzten Jahren aufgebaute makroökonomische System die Vorhersehbarkeit der Bedingungen gewährleistet, unter denen Unternehmen tätig sind. Eine sehr niedrige Inflation (2,4 Prozent), aktive Entbürokratisierung der Wirtschaft und ihre Digitalisierung sind andere wichtige Argumente für den Einstieg in den russischen Markt, so Oreschkin. Der stellvertretender Wirtschaftsminister Azer Talybow ist überzeugt, dass es jetzt genau der richtige Augenblick ist, den russischen Markt zu betreten.

Workshops, Seminare und Podiumsdiskussionen zu verschiedensten Aspekten der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen von künstlicher Intelligenz bis zu technischer Regulierung, vom regionalen Export bis zum Austausch im Bereich moderne Technologien rundeten das volle Programm der Konferenz ab.

Im Rahmen der Konferenz wurde ein Memorandum für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok unterzeichnet – eine Initiative, die 40 Länder verbindet und damit einen dritten ökonomischen Player neben der USA und China schaffen soll.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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