Gazprom: Russland will nach Exporteinbruch in Europa inländische Gaspreise erhöhen

Gazprom: Russland will nach Exporteinbruch in Europa inländische Gaspreise erhöhen

Der russische Gasmonopolist Gazprom hat die Regierung aufgefordert, sich wieder auf den heimischen Markt zu konzentrieren und die Gaspreise zu liberalisieren. Unabhängige Gasproduzenten in Russland können ihr Gas jetzt zu einem freien Preis verkaufen, während Gazprom es nur zu einem Tarif verkaufen kann, der vom Föderalen Antimonopoldienst festgelegt wird. In einigen Regionen deckt dieser Tarif nicht die Kosten des Unternehmens. Früher wurde das durch Exporte ausgeglichen, jetzt will Gazprom mehr Geld auf dem Binnenmarkt verdienen.

Die Zeitung Kommersant will erfahren haben, dass Gazprom vorgeschlagen habe, das Experiment der Preisliberalisierung in einigen Pilotregionen schrittweise für industrielle Verbraucher auf dem Binnenmarkt einzuführen. Der Zeitung zufolge wurde das Thema am 30. März im Staatsrat für Energie diskutiert. Die Idee, dass die Gasindustrie „ihren Schwerpunkt von einem exportorientierten Modell auf den Binnenmarkt verlagern sollte, „soll der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Gazprom, Witali Markelow, geäußert haben.

Der von der Zeitung Kommersant aufgelistet Vorschlag von Gazprom umfasst drei Punkte: Die Liberalisierung der Großhandelspreise für Industriekunden in bestimmten Regionen, die Einführung einer saisonalen Differenzierung der Großhandelspreise und die Einführung eines kommerziellen Ausgleichssystems.

Die Liberalisierung der Gasgroßhandelspreise wird spätestens seit den 2000er Jahren immer wieder diskutiert, eine Reform steht jedoch noch aus. Die unabhängigen Produzenten Rosneft und Nowatek können nun Gas zu einem freien Preis verkaufen, während Gazprom nur zu einem vom FAS festgelegten Tarif verkaufen kann (außer für kleine Mengen, die an der Börse verkauft werden). In einigen Regionen deckt dieser Tarif nicht die Kosten des Unternehmens. Markelow bezeichnete die derzeitige Situation als Preisdiskriminierung zu Ungunsten von Gazprom und schlug vor, einen Versuch zur Liberalisierung der Preise in einigen Pilotregionen zu starten (es wird nicht gesagt, in welchen). Er schätzt, dass alle Veränderungen auf dem Markt etwa ein bis zwei Jahre dauern könnten.

Gazprom schlägt außerdem vor, eine saisonale Differenzierung der regulierten Gasgroßhandelspreise einzuführen und die Schwankungsbreite auf 10 bis 20 Prozent des Tarifniveaus zu erhöhen, „um ein Preisniveau zu bilden, das über dem regulierten Niveau liegt“. Die Idee sei, eine „Winterprämie“ für Gas zu schaffen, schreibt „Kommersant“. Das werde unter anderem die Nachfrage an der Börse erhöhen, die in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sei.

Um eine genauere Planung der Verbrauchsmengen zu ermöglichen, schlägt Gazprom vor, den Umfang der straffreien Nichtabnahme oder des Mehrverbrauchs von Gas zu reduzieren und gleichzeitig den Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, das nicht benötigte Gas im Rahmen des kommerziellen Ausgleichssystems an der Börse zu verkaufen.

Der Föderale Antimonopoldienst steht den Vorschlägen von Gazprom skeptisch gegenüber: Zunächst müsse ein diskriminierungsfreier Zugang zur Pipeline-Infrastruktur gewährleistet und ein repräsentativer Indikator im Rahmen der bestehenden Mechanismen geschaffen werden, erst danach sollte über eine Liberalisierung der Gasgroßhandelspreise nachgedacht werden.

„Es überrascht nicht, dass Gazprom eine flexiblere Preisgestaltung anstrebt, die es dem Unternehmen ermöglichen würde, mit unabhängigen [Unternehmen] um Endkunden zu konkurrieren und seine ungenutzten Produktionskapazitäten zu monetarisieren“, sagt Witali Jermakow von der Higher School of Economics. In einem Umfeld des Überangebots sollte mehr Wettbewerb zu niedrigeren Preisen führen, was in der russischen Realität jedoch nicht der Fall zu sein scheint.

Der Verlust des europäischen Marktes zwang Gazprom, seine Produktion im letzten Jahr um 20 Prozent zu reduzieren, während die Produktion unabhängiger Produzenten, die stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind, zunahm. Nach Berechnungen von Reuters erhielt Europa von Gazprom im ersten Quartal dieses Jahres nur 6 Milliarden Kubikmeter, im Vorjahreszeitraum waren es noch 62 Milliarden Kubikmeter. Dabei sank der Anteil des russischen Gases am europäischen Markt im Jahr 2022 von 45 Prozent auf 7,5 Prozent.

Nach dem Rückgang der Exporte wird Gazprom auf jeden Fall mit den unabhängigen Anbietern auf dem Binnenmarkt konkurrieren müssen.

Der Anteil von Gazprom am russischen Markt beträgt rund 63 Prozent (377 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2021).  Die unabhängigen Produzenten fordern eine Liberalisierung des Zugangs zu den Exporten und die Einführung transparenter Tarife für den Transport durch das GTS des Exportmonopols, bevor die freien Preise für Gazprom eingeführt werden.

Nach dem Kommersant-Artikel über den Gazprom-Vorschlag teilte der Pressedienst des Konzerns mit, dass der stellvertretende Gazprom-Chef Witaly Markelow nicht an der Sitzung des Staatsrats für Energie am 30. März teilgenommen habe.

[hrsg/russland.NEWS]

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