Experten: Trotz Corona und Trump – Nord Stream 2 kommt

Experten: Trotz Corona und Trump – Nord Stream 2 kommt

Neben der Corona-Krise und deren wirtschaftlichen Auswirkungen gibt es auch noch Projekte, deren Realisierung nicht unmittelbar von dem Virus abhängt. So ist die Verzögerung bei der Fertigstellung der Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee das Ergebnis einer Influenza aus den USA. Doch aus Moskau kam nun Entwarnung. Die Verschiebung des Starts von Nord Stream 2 berge keine Risiken für die Zuverlässigkeit der russischen Gasexporte nach Europa, hieß es aus Regierungskreisen.

Demzufolge sollen Bau und Start der Nord Stream 2-Gaspipeline vor Ende 2020 oder bis zum ersten Quartal 2021 abgeschlossen sein – diese Termine wurden vom russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Januar bekannt gegeben. Die Fertigstellung der Rohrverlegung auf dem Grund der Ostsee wird voraussichtlich mit dem russischen Schiff Akademiker Tscherskij erfolgen. Es wird die Schiffe des langjährigen Partners von Gazprom, des Schweizer Unternehmens Allseas, ersetzen, das sich im Dezember 2019 der Erpressung durch die USA gebeugt und seinen Betrieb eingestellt hat. Washington hatte ein Gesetz verabschiedet, das Sanktionen gegen Teilnehmer am Bau von Nord Stream 2 und Turkish Stream vorsieht.

Drei Allseas-Schiffe hatten sich an Nord Stream 2 beteiligt, darunter die Pioneering Spirit, das weltweit größte Schiff für die Installation und den Transport von Offshore-Plattformen sowie für die Verlegung von Unterwasser-Pipelines. Trotzdem gibt es keine technischen Probleme mit der Fertigstellung von SP-2. Es gebe keine Technologien, auf die russische Unternehmen nicht zugreifen könnten, um die Arbeiten abzuschließen, sagen Experten.

Insgesamt müssen nur noch rund 160 km der Strecke von 2.400 km Gesamtlänge verlegt werden. „Für den Bau des verbleibenden Abschnitts von Nord Stream 2 ist ein Rohrverlegungsgerät für Rohre mit großem Durchmesser und einem dynamischen Positionierungssystem erforderlich, d.h. mit der Fähigkeit, an einem Ort zu bleiben, ohne die Anker zu werden. Die Akademiker Tscherskij

entsprechend umzurüsten, braucht etwas Zeit und ist auch nicht ganz billig, ist aber aus technischer Sicht kein Problem“, sagt Alexander Gubarjow, Direktor der Abteilung Audit Services bei Deloitte. So ist ein dynamisches Positionierungssystem für die Verlegung der Rohre erforderlich, um auch bei schlechtem Wetter arbeiten zu können, das auf der Ostsee im Herbst und Winter häufig vorkommt.

Nord Stream 2 ist nicht allein

Durch Nord Stream 2 sollen 55 Milliarden Kubikmeter im Jahr strömen. Gazprom verfügt derzeit über vier Routen für die Lieferung von Gas nach Europa: Nord Stream 1, Turkish Stream, Yamal-Europe und Blue Stream, durch die insgesamt rund 135 Milliarden Kubikmeter geliefert werden können. Daneben gibt es den Transit durch die Ukraine, mit der Russland einen Fünfjahresvertrag unterzeichnet hat, der für 2020 den Transport von 65 Milliarden Kubikmetern vorsieht und ab dem nächsten Jahr – 40 Milliarden Kubikmeter. Damit ist die größte Gefahr für die Erdgaslieferung nach Europa gebannt. Denn im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen wäre die Versorgung Europas mit russischem Erdgas ernsthaft gefährdet gewesen.

Laut Unternehmensbericht lieferte Gazprom im vergangenen Jahr 192,558 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa. Das sind 4,1 Prozent weniger als 2018. Darüber hinaus haben europäische Unternehmen Ende letzten Jahres Reservekäufe getätigt für den Fall, dass Russland und die Ukraine kein neues Transitabkommen unterzeichnen, wodurch sie weniger Gas aus ihren unterirdischen Lagern (UGS) entnahmen. Anfang Januar waren noch 88,2 Milliarden Kubikmeter in den europäischen UGS-Anlagen – ein historisches Maximum für diese Jahreszeit. Aber da Russland und die Ukraine sich einigten, wurden die Reserven überflüssig, was sich höchstwahrscheinlich negativ auf das Volumen der aktuellen Verbraucherimporte auswirkt.

Flüssiggas drängt auf den Markt

Darüber hinaus kommt zunehmend Flüssigerdgas (LNG), etwa aus den USA, Ägypten und Russland auf den Markt. Nach Schätzungen des US-Energieministeriums haben europäische Unternehmen 2019 von allen Lieferanten fast doppelt so viel LNG gekauft wie 2018 – insgesamt 110 Milliarden Kubikmeter. Darüber hinaus haben die Vereinigten Staaten das Volumen von Monat zu Monat erhöht, sodass ihr LNG im November 2019 mehr als 2,8 Milliarden Kubikmeter ausmachte. Damit haben die Vereinigten Staaten einen der Marktführer – Katar – überholt.

„Die USA versuchen, den Markt für LNG in Europa freizuräumen“, sagte Alexej Griwatsch, stellvertretender Generaldirektor des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds. „Daher die kriegerische Diplomatie in Bezug auf russische Exportprojekte im Laufe der Jahre und die Verhängung von Sanktionen gegen die am Bau des Nord Stream 2 arbeitenden Unternehmen. Dies ist ein Versuch, den Wettbewerb mit russischem Gas künstlich einzuschränken.“

Der Anstieg des Angebots war einer der Faktoren für eine deutliche Senkung der Gaspreise. Laut dem Unternehmensbericht von Gazprom lag der Durchschnittspreis für 1000 Kubikmeter im dritten Quartal des vergangenen Jahres, einschließlich Verbrauchsteuer und Zölle, bei 169,8 Dollar, was 32 Prozent weniger sind als im gleichen Zeitraum des Jahres 2018. Im Februar dieses Jahres fiel auf dem europäischen Handelsplatz Zeebrugge der Preis für kurzfristige Lieferverträge unter die psychologische Marke von 100 Dollar – auf 95,7 Dollar je 1000 Kubikmeter.

Europa braucht das russische Gas

Bei langfristigen Verträgen blieben die Preise höher. Für das vierte Quartal 2019 erreichte der Schlusskurs von Terminkontrakten 170 Dollar pro 1000 Kubikmeter. Auf seiner elektronischen Handelsplattform (ETP) verkaufte Gazprom im Januar Gas zu einem Preis von durchschnittlich 137 Dollar pro 1.000 Kubikmeter. Für die meisten LNG-Lieferanten lagen die Preise in Europa jedoch lange unter der Rentabilitätsschwelle. „Der Rückgang der Exportpreise schafft Probleme für das Geschäft von Gazprom, da der Gewinn aus Verkäufen nach Europa in der Vergangenheit den Verlust von Lieferungen an den Inlandsmarkt zu regulierten Preisen und Nichtzahlungen abdeckt“, so Griwatsch.

Nach der Fertigstellung von Nord Stream 2 muss das Problem seines Betriebs noch gelöst werden. Im November letzten Jahres hat der Bundestag einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der aktualisierten EU-Gasrichtlinie verabschiedet, der die Aktivitäten von Gaspipelines von Drittländern in der Europäischen Union regelt. Demnach gelten für Offshore-Pipelines im Küstenmeer der EU-Länder die Regeln, die für Eigentümer und Betreiber von Gaspipelines an Land gelten, so die Trennung nach Art der Tätigkeit, nichtdiskriminierender Zugang durch Dritte, Zollregulierung und andere. Das heißt, im Fall von Nord Stream 2 geht es um die 12-Meilen-Zone in der Gerichtsbarkeit Deutschlands. Deutschland hat als Land, in dessen Hoheitsgebiet die Pipeline an Land geht, das Recht, bestehenden und abgeschlossenen Projekten eine Ausnahme zu gewähren. Ein Antrag auf eine Ausnahme für Nord Stream 2 wurde bereits gestellt. Angesichts der Anzahl der Pipeline-Gegner in Europa könnten sich die Verhandlungen in die Länge ziehen. Aber Insider gehen davon aus, dass im ersten Halbjahr 2021 das erste Erdgas durch die zweite Ostsee-Gasleitung gepumpt wird, denn Europa braucht den Energieträger dringend, umso mehr als nach der Corona-Krise die wirtschaftliche Vernunft die Politik dominieren wird.

(hh/russland news)

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