Elektronische Arbeitsbücher – digitale Daten verdrängen PapierVera Giryaeva, Leitende Personalexpertin von Rödl & Partner

Elektronische Arbeitsbücher – digitale Daten verdrängen Papier

Juristin klärt über ein Phänomen des russischen Arbeitsmarktes auf

Das Arbeitsbuch ist ein kleines graues Heft mit einer einzigartigen Ordnungsnummer. Es wird an der ersten Arbeitsstelle ausgestellt und begleitet jeden Arbeitnehmer sein ganzes berufliches Leben lang. Die Arbeitsbücher wurden erstmals in der Sowjetunion durch die Anordnung des Rats der Volkskommissare der Sowjetunion vom 20.12.1938 zur „Strukturierung der Arbeiter- und Angestelltenerfassung in den Betrieben und Einrichtungen“ eingeführt und waren zugleich das wichtigste Arbeitsdokument der Arbeiter, Angestellten und Kolchosarbeiter.

Das Muster für das Arbeitsbuch hat sich in den letzten 80 Jahren ein wenig geändert, der Inhalt blieb jedoch erhalten. Ins Arbeitsbuch werden die Angaben über die Anstellung in der jeweiligen Organisation (Name der Organisation, Datum des Arbeitsanfangs, strukturelle Einheit, Position, Angaben der Anordnung über die Einstellung), über Beförderungen (Versetzungen auf andere Positionen und in andere Abteilungen), über Entlassungen (Datum, Entlassungsgrund nach dem Arbeitsgesetzbuch, Angaben der Entlassungsanordnung) und über Auszeichnungen.

Bei der Einstellung an der neuen Arbeitsstelle übergibt der Arbeitnehmer sein Arbeitsbuch der Personalabteilung, wo es ab diesem Moment aufbewahrt wird. Darin werden später von Hand Vermerke über Einstellung, Versetzungen und Entlassung vorgenommen. Bei der Entlassung wird das Arbeitsbuch mit einem entsprechenden Vermerk dem Arbeitnehmer zurückgegeben. Nachdem der neue Arbeitgeber dieses Buch vom Arbeitnehmer erhalten hat, führt er seine Arbeitsbiographie weiter. Das Arbeitsbuch erlaubte es nicht nur, die gesamte Arbeitsbiographie des Inhabers zurückzuverfolgen, sondern fungierte auch als Hauptdokument für die Festlegung der Altersrente.

Im Rahmen des Nationalen Programms „Digitale Wirtschaft der Russischen Föderation“ wurde am 16.12.2019 das Föderale Gesetz Nr. 439-FZ „Über die Änderung des Arbeitsgesetzbuches der Russischen Föderation hinsichtlich der Erfassung der Arbeitsangaben in elektronischer Form“ verabschiedet. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2020 wurden im Personaldokumentenwesen ein bahnbrechender Wandel eingeleitet: die Epoche der elektronischen Arbeitsbücher begann.

Als Begriff ist „elektronisches Arbeitsbuch“ gesetzlich nicht definiert. Unter dem elektronischen Arbeitsbuch werden sowohl der Bericht, das der Arbeitgeber dem Rentenfonds Russlands zur Verfügung stellt und in dem die Angaben aus dem Arbeitsbuch enthalten sind, (Formblatt SZW-TD) als auch das Dokument mit den Arbeitsangaben verstanden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in elektronischer oder in Papierform bei Entlassung oder in anderen Fällen auf Anforderung des Arbeitnehmers übergibt (Formblatt STD-R).  Selbst wenn der Arbeitgeber die Arbeitsangaben in Papierform aushändigt, kann das Formblatt STD-R im Unterschied zum Papier-Arbeitsbuch (welches mit der Hand auf Verschlussformularen zu führen ist) einfach ausgedruckt und abgestempelt werden.

Im laufenden Jahr 2020 gilt noch eine Übergangsperiode, in der die Organisationen die Verfahren für die Führung von elektronischen Arbeitsbüchern und notwendige Änderungen in interne Vorschriften einbringen sollen. Bis zum 31. Oktober 2020 müssen die Arbeitgeber zudem die Arbeitnehmer (inkl. derjenigen, die in dieser Organisation nur in Nebenbeschäftigung arbeiten) über die Änderung der arbeitsrechtlichen Vorschriften und über deren Recht, entweder eine weitere Führung des Arbeitsbuches in Papierform oder der Angaben über die Arbeitstätigkeit nach dem Artikel 66.1 des Arbeitsgesetzbuches zu beantragen, schriftlich informieren. Wenn der Arbeitnehmer beschließt, dass das Arbeitsbuch weiterhin auf Papier zu führen ist, kann er in Zukunft seine Entscheidung ändern. Der Verzicht auf die Papierform ist jedoch unumkehrbar.

Falls ein Arbeitnehmer im Jahr 2020 zum ersten Mal eingestellt wird und zuvor auch kein Arbeitsbuch hatte, stellt ihm der Arbeitgeber ein physisches Arbeitsbuch aus und informiert ihn (wie auch alle anderen Arbeitnehmer) über die Möglichkeit, die Form zu wählen. Arbeitnehmern, die nach dem 31. Dezember 2020 zum ersten Mal angestellt werden, wird lediglich das elektronische Arbeitsbuch angeboten.

Der Arbeitgeber muss dem Rentenfonds unabhängig davon, welche Form die Arbeitnehmer gewählt haben, zu allen Arbeitnehmern (sowohl im Fall der Hauptbeschäftigungen als auch bei Nebenbeschäftigungen) die Angaben über die Beschäftigungsereignisse (Einstellung, Versetzung und Entlassung) zur Verfügung stellen (Formblatt SZW-TD). In den Bericht sind auch die Angaben über die gewählte Form des Arbeitsbuches aufzunehmen. Ab Anfang 2021 werden im Rentenfonds elektronische Arbeitsbücher zusammengestellt werden, in denen die Angaben über die Arbeitstätigkeit der Arbeitnehmer ab dem Jahr 2020 verzeichnet sein werden. Es wird somit ein vollständiger Verzicht auf die Arbeitsbücher in Papierform zugunsten der digitalen Version angestrebt.

Auf der Webseite des Rentenfonds sind die Vorteile des elektronischen Arbeitsbücher aufgelistet: einfacher und schneller Zugang zu den Arbeitsangaben für die Arbeitnehmer (die Arbeitsangaben können nicht nur beim Arbeitgeber, sondern auch beim Rentenfonds, in den Multifunktionszentren und auf dem Gosuslugi-Webportal abgefragt werden), Minimierung von Fehlern, Ungenauigkeiten und zweifelhaften Daten, erweiterte Optionen der Fernanstellung, Reduzierung der Kosten des Arbeitgebers für Erwerb, Führung und Aufbewahrung von physischen Arbeitsbüchern, digitale Rentendokumentierung, sowie ein hohes Datensicherheitsniveau.

Vera Giryaeva,
Leitende Personalexpertin von Rödl & Partner

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