Drei sind einer zu viel. Gefahren bei einem russischen Joint VentureMarina Yankovskaya

Drei sind einer zu viel. Gefahren bei einem russischen Joint Venture

Bei der Gründung eines Joint Venture oder bei Übergabe eines Geschäftsanteils der lokalen Geschäftsführung in Russland kann ein ausländisches Unternehmen mit einer unerwarteten Einmischung Dritter, die mit der Familie des russischen Gesellschafters verbunden sind, in die Geschäftstätigkeit konfrontiert werden. Eine Juristin klärt auf, wie man damit fertig werden kann.

Stellen wir uns folgende Situation vor. Ein deutscher Unternehmer, nennen wir ihn mal Herr Schneider, gründet in Russland eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zusammen mit einem ihm lang bekannten Geschäftspartner (ein 50/50-Joint Venture). Der Partner, ein russischer Staatsangehöriger, ist am Joint Venture persönlich beteiligt. Nach einigen Jahren der erfolgreichen Zusammenarbeit erfährt der ausländische Gesellschafter plötzlich, dass die Gesellschaft nicht zwei, sondern drei Gesellschafter hat und die neue Gesellschafterin ist die ehemalige Ehegattin des russischen Partners mit einem Anteil von 25 Prozent. „Wie ist das möglich? Ich habe dem nicht zugestimmt!“, versucht der ausländische Gesellschafter dies nach dem ersten Schock herauszufinden.

Der Übergang des Anteils am Stammkapital (Geschäftsanteils) an einer russischen GmbH  (auf Russisch OOO) wird nicht nur durch das Gesellschaftsrecht, sondern auch durch das russische Familienrecht geregelt, weil ein Geschäftsanteil, der während der Ehe erworben wurde, als gemeinsames Vermögen der Ehegatten betrachtet wird.

In Russland gilt das gemeinsame Eigentumsrecht am Vermögen der Ehegatten. Dies bedeutet, dass wenn ein OOO-Gründer, der ein russischer Staatsangehöriger ist und permanent in Russland wohnt, zum Zeitpunkt der Registrierung der OOO verheiratet war, seine Ehegattin gleichzeitig Miteigentümerin des Geschäftsanteils wurde, obwohl sie weder den Gesellschafterstatus erworben hat noch im EGRUL (Einheitliches Staatliches Register Juristischer Personen, Gegenstück zum Handelsregister oder Firmenbuch) eingetragen wurde.

Für die Tätigkeit des Joint Venture hatte das gemeinsame Eigentum des russischen Gesellschafters und seiner Ehegattin am Geschäftsanteil keine Bedeutung, bis die Ehegatten beschlossen haben, sich scheiden zu lassen und das gemeinsame Vermögen aufzuteilen. Da sie keine Vereinbarung zu dieser Frage erzielt haben, hat die Ehegattin des russischen Gesellschafters in unserem Fall eine Klage auf Anerkennung ihres Eigentumsrechts am Geschäftsanteil des Joint Venture bei einem Gericht eingereicht.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben und einen Beschluss über die Anerkennung des Rechts der Ehegattin des Gesellschafters am Geschäftsanteil in Höhe von 25 Prozent des Stammkapitals gefasst, wobei der 50prozentige-Anteil des Partners faktisch in zwei Teile je 25 Prozent geteilt wurde. Danach hat sich die Ehegattin bei der Registrierungsbehörde gemeldet und wurde im EGRUL als Gesellschafterin des Joint Venture eingetragen.

Dann prüft Herr Schneider die Satzung, denn er kann sich genau daran erinnern, dass er bei der Gründung des Joint Venture mit dem Partner vereinbart hat, dass eine Veräußerung des Geschäftsanteils an Dritte der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen soll. Wie kann diese Satzungsregelung nicht für die ehemalige Ehegattin des russischen Partners gelten? Diese Frage sowie eine Klage über die Anfechtung der unerwünschten Registrierung der neuen Gesellschafterin des Joint Venture reichte das deutsche Unternehmen bei Gericht ein – dieses Mal jedoch bei einem staatlichen Arbitragegericht, das wirtschaftliche Streitigkeiten verhandelt.

Das Arbitragegericht bestätigte, dass im Ergebnis der Aufteilung des Geschäftsanteils durch eine Entscheidung des Gerichts für Zivilsachen die Ehegattin nur Vermögensrechte und keine Gesellschafterrechte in Bezug auf den Geschäftsanteil erworben hat. Die Gesellschafterrechte sowie den Gesellschafterstatus kann die ehemalige Ehegattin nach der Aufteilung des Geschäftsanteils in Abhängigkeit davon erwerben, wie die Satzung der Gesellschaft den Übergang von Anteilen am Stammkapital regelt.

Hier stellte sich heraus, dass alles nicht so einfach ist. Die Standardbestimmungen der Satzung gemäß dem OOO-Gesetz über die erforderliche Zustimmung anderer Gesellschafter zur Veräußerung des Geschäftsanteils an Dritte wurden nicht als ausreichend betrachtet. Das Arbitragegericht beschloss, dass die Zustimmung nur erforderlich ist, wenn der Geschäftsanteil durch den Gesellschafter selbst auf Grundlage eines Rechtsgeschäfts an einen Dritten veräußert wird. In diesem Fall ging der Anteil nicht auf Grundlage eines Rechtsgeschäfts an die Ehegattin über, sondern auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses. Wenn die Satzung ausdrücklich die Zustimmung zum Übergang des Anteils an ehemalige Ehegatten infolge der Vermögensaufteilung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses vorgesehen hätte, würde die Situation anders aussehen. In diesem Fall hätte das Gericht beschlossen, das die Ehegattin gesetzwidrig Gesellschafterin wurde und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden muss, wobei sie das Recht auf Erhalt des Vermögensgegenwerts in Form des tatsächlichen Werts des Geschäftsanteils behält. Es ist jedoch anzumerken, dass der ausländische Gesellschafter hier Pech hatte, weil nicht alle Gerichte die gleiche Position wie das Gericht in diesem Fall vertreten. Manche sind der Auffassung, dass die in der Satzung festgelegten Standardbestimmungen, die die Veräußerung des Anteils an Dritte verbieten oder durch die erforderliche Zustimmung anderer Gesellschafter einschränken, auch auf Fälle des Übergangs des Anteils an ehemalige Ehegatten infolge der Aufteilung des gemeinsamen Vermögens angewendet werden können. Diese Position wurde vor kurzem durch das Oberste Gericht der Russischen Föderation bestätigt (Entscheid Nr. 305-ES20-22249 des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 06.04.2021 in der Sache Nr. А40-324092/2019). Die Rechtsprechung ist leider immer noch nicht einheitlich.

Schlussfolgerungen

Das gemeinsame Eigentum am Vermögen der Ehegatten sowie die „Teilbarkeit“ der Geschäftsanteile am Stammkapital einer OOO sind der Grund dafür, dass der Ehegatte oder ehemalige Ehegatte eines der Gesellschafter unerwartet für die anderen ein neuer Gesellschafter infolge der Aufteilung des gemeinsamen Vermögens werden kann.

Es ist anzumerken, dass das Problem der Teilbarkeit des Anteils zwischen den Ehegatten wahrscheinlich bald gelöst wird. Die Staatsduma prüft derzeit einen Gesetzentwurf (Gesetzentwurf Nr. 835938-7 „Über die Einbringung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation“), wonach ein Anteil am Stammkapital von über 10 Prozent als ein unteilbares Objekt gelten wird, das ins Eigentum des Gesellschafters übergeben wird, wenn sein Ehegatte das Vorliegen des wesentlichen Interessen am Erhalt der Rechte an diesem Anteil nicht beweist.

Bis dahin wird allen Gesellschaftern von Joint Ventures mit russischen Partnern empfohlen, Satzungsbestimmungen über den Übergang der Anteile an Dritte, einschließlich Ehegatten, ehemalige Ehegatten und Erben der Gesellschafter, sorgfältig zu formulieren.

Marina Yankovskaya, Rödl & Partner

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