„Die unglaublichen Abenteuer der Ausländer in Russland“ oder neue Pflichten ausländischer Staatsangehöriger für den Aufenthalt in RusslandAnastasia Kondratenko, LL.M. (Passau), Junior Lawyer, Rödl & Partner, Galina Duysenova

„Die unglaublichen Abenteuer der Ausländer in Russland“ oder neue Pflichten ausländischer Staatsangehöriger für den Aufenthalt in Russland

Die Coronavirus-Pandemie hat in den Jahren 2020 und 2021 erhebliche Korrekturen in die Entwicklung und Funktionsweise internationaler Verhältnisse eingebracht. Die Grenzen waren lange geschlossen. Danach wurden Ausnahmen für einzelne Länder eingeführt, und in die Russische Föderation konnte man nur mit Zustimmung des russischen Ministeriums für Industrie und Handel (Minpromtorg) und des Föderalen Dienstes für Sicherheit (FSB) einreisen.

Ab dem 29. Dezember 2021 wird eine neue Art der „Abenteuer in Russland“ für Ausländer erwartet, und zwar werden obligatorische Fingerabdruckregistrierung, das Anfertigen von Fotografien und eine medizinische Untersuchung (im Folgenden „obligatorische Verfahren“ genannt) eingeführt.

Obligatorische Verfahren werden in Bezug auf zwei große Gruppen ausländischer Staatsangehöriger eingeführt:

  • Arbeitsmigranten, also ausländische Staatsangehörige, die zur Ausübung der Arbeitstätigkeit in die Russische Föderation einreisen (einschließlich hochqualifizierter Fachkräfte);
  • Ausländische Staatsangehörige, die in die Russische Föderation zu anderen Zwecken für die Dauer von über 90 Tagen einreisen (z.B. Familienangehörige hochqualifizierter Fachkräfte oder ausländische Staatsangehörige, die ihren ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation haben).

Obligatorische Verfahren erstrecken sich nicht auf Staatsangehörige der Republik Belarus; Amtsträger internationaler Organisationen, die in die Russische Föderation zur Erfüllung ihrer Arbeitspflichten eingereist sind, sowie ihre Familienangehörigen; Kinder unter 6 Jahren. Auf Grundlage des Gegenseitigkeitsprinzips, also beim Vorhandensein eines entsprechenden Abkommens zwischen den Staaten, erstrecken sich obligatorische Verfahren ebenso nicht auf Mitarbeiter von Konsulaten und diplomatischen Missionen, Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen, Mitarbeiter von Handelsvertretungen und ihre Familienangehörigen.

Es muss gesondert angemerkt werden, dass Kinder, die das Alter von 6 Jahren erreicht haben, verpflichtet sind, die obligatorische Fingerabdruckregistrierung, das Anfertigen von Fotografien und eine medizinische Untersuchung zu durchlaufen.

Hier sind einige konkrete Beispiele, wann ausländische Staatsangehörige verpflichtet sind, obligatorische Verfahren zu absolvieren:

  • Ein 7-jähriges Kind, das für drei Jahre zusammen mit seinem Elternteil, der eine hochqualifizierte Fachkraft ist, in die Russische Föderation einreist.
  • Leiter (hochqualifizierte Fachkraft) einer Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens, der in die Russische Föderation nach Weihnachtsfeiertagen zur Fortsetzung der Arbeitstätigkeit in der Gesellschaft zurückkehrt.
  • Ein ausländischer Staatsangehöriger im Rentenalter, der seit über 15 Jahren seinen ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation hat und mit einer russischen Staatsangehörigen verheiratet ist.
  • Ein ausländischer Staatsangehöriger, der für eine kurze Zeit in die Russische Föderation eingereist ist, um die Arbeitsgenehmigung zu verlängern.

Für das Absolvieren obligatorischer Verfahren werden für ausländische Staatsangehörige bestimmte gesetzliche Fristen festgelegt, die sich je nach dem Ziel der Einreise in die Russische Föderation unterscheiden. Arbeitsmigranten (erste Gruppe) werden nach der Einreise in die Russische Föderation bzw. nach der Erteilung der Arbeitsgenehmigung 30 Kalendertage Zeit haben. Für andere ausländische Staatsangehörige (zweite Gruppe) werden 90 Kalendertage nach der Einreise in die Russische Föderation festgelegt.

Die Fingerabdruckregistrierung und das Anfertigen von Fotografien erfolgen einmalig. Nach den Ergebnissen dieser Verfahren wird dem ausländischen Staatsangehörigen ein entsprechendes Bestätigungsdokument erstellt. Ein solches Dokument kann in Form einer Karte mit elektronischem Datenträger erstellt werden, sofern das Migrationszentrum über die entsprechende technische Möglichkeit verfügt.

Die medizinische Untersuchung wird in bestimmten Zeitabständen durchgeführt. Dies ist die wichtigste und die strittigste Neuerung. Die Notwendigkeit der wiederholten medizinischen Untersuchung bestimmt sich nach der Geltungsdauer medizinischer Dokumente. Nach Ablauf der Geltungsdauer der medizinischen Bescheinigung wird der ausländische Staatsangehörige 30 Kalendertage haben, um die medizinische Untersuchung zu wiederholen.

Aktuell beträgt die Geltungsdauer medizinischer Dokumente lediglich drei Monate. Wir verfügen jedoch über Informationen von Amtsträgern aus dem Gesundheitsministerium darüber, dass die Geltungsdauer medizinischer Dokumente bis auf ein Jahr verlängert wird. Somit werden ausländische Staatsangehörige die medizinische Untersuchung einmal jährlich absolvieren müssen.

Falls eines der obligatorischen Verfahren nicht absolviert wird, wird dies zu erheblichen negativen Folgen für ausländische Staatsangehörige führen. Die mildeste Sanktion ist die Verkürzung der Dauer des vorübergehenden Aufenthalts in der Russischen Föderation. Ebenso kann über die Unerwünschtheit des Aufenthalts bis auf das Verbot der Einreise in die Russische Föderation beschlossen werden.

Laut aktuell vorliegenden Informationen können die Fingerabdruckregistrierung, das Anfertigen von Fotografien und die medizinische Untersuchung im Migrationszentrum in Sacharowo gleichzeitig und in vollem Umfang absolviert werden. Dieses Zentrum bedient ausländische Staatsangehörige, die in Moskau und im Gebiet Moskau aufhalten. Aus praktischer Sicht muss berücksichtigt werden, dass der Besuch des Migrationszentrums einen ganzen Tag lang dauern kann, da die tägliche Anzahl der Besucher groß ist. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Ergebnisse medizinischer Untersuchungen persönlich abzuholen sind. Nach vier bis fünf Arbeitstagen muss man also wieder nach Sacharowo.

Es muss ebenso berücksichtigt werden, dass es aktuell keine offiziellen Erläuterungen seitens des Innenministeriums gibt, in denen obligatorische Verfahren ausführlich beschrieben und akute Fragen beantwortet worden wären. Höchstwahrscheinlich wird nach den staatlichen Neujahrsfeiertagen – also erst Mitte Januar – mehr bekannt sein. Bis dahin empfehlen wir, nicht in Panik zu geraten und ausschließlich Nachrichten aus zuverlässigen Quellen zu verfolgen.

Es gibt jedoch auch gute Neuigkeiten. Nach den Feiertagen wird geplant, die Liste der Gesundheitseinrichtungen zu erweitern, in denen ausländische Staatsangehörige medizinisch untersucht werden können. Ferner wird die Möglichkeit der Einreichung medizinischer Bescheinigungen über Vertreter diskutiert.

Am häufigsten stellen uns ausländische Staatsangehörige die Frage, ob das Absolvieren obligatorischer Verfahren vermieden werden kann. Die Antwort ist in diesem Fall eindeutig: sofern Sie das Alter von 6 Jahren bereits erreicht haben und kein Staatsangehöriger der Republik Belarus sind, sind obligatorische Verfahren für Sie unvermeidbar, auch wenn Sie weder vor noch nach dem 29. Dezember 2021 aus Russland ausgereist sind.

Die Anforderung über die Fingerabdruckregistrierung, das Anfertigung von Fotografien und die Absolvierung der medizinischen Untersuchung ist für alle ausländische Staatsangehörige obligatorisch, die für eine längere Dauer oder zur Ausübung der Arbeitstätigkeit in die Russische Föderation einreisen. Falls Sie in Russland bleiben und nicht ausreisen, wird die Frist für die Absolvierung obligatorischer Verfahren bis auf das Datum der nächsten Einreise in die Russische Föderation bzw. bis zur nächsten Anfrage an Migrationsbehörden verschoben. Wir glauben, dass Mitarbeiter der Rechtsschutzbehörden mittels Datenbanken verfolgen werden, ob der jeweilige ausländische Staatsangehörige obligatorische Verfahren absolviert hat.

Somit beobachten wir eine einzigartige Situation, in der neue Pflichten für ausländische Staatsangehörige eingeführt werden. In keinem europäischen Staat wurden vergleichbare Maßnahmen getroffen. Unter solchen Bedingungen werden Einschränkungen für die Geschäftsentwicklung und freie Hinzuziehung hochqualifizierter Arbeitskräfte offensichtlich. Das Jahr 2022 beginnt für russische Unternehmen, die starke Verbindung zu europäischen Staaten haben, mit der offen gebliebenen Frage: Werden wir angesichts der neuen Einschränkungen für die Arbeit in Russland ausländische Fachkräfte verlieren oder nicht?

Autorinnen: Anastasia Kondratenko, LL.M. (Passau), Junior Lawyer, Rödl & Partner, Galina Duysenova, Fachkraft Migrationsunterstützung, Rödl & Partner

Laut aktuellen Informationen der AHK-Russland gelten folgende Regelungen:

Die neuen Medizintests sind für alle Ausländer verpflichtend. Es gibt allerdings einige Ausnahmen:

  • belarussische Staatsangehörige,
  • Minderjährige unter 6 Jahren,
  • Amtsträger internationaler zwischenstaatlicher und regierungsgebundener Organisationen
  • Mitarbeiter diplomatischer und konsularischer Auslandsvertretungen in Russland und deren Familienangehörige – unter Berücksichtigung des Gegenseitigkeitsprinzips zwischen den Ländern,
  • Inhaber einer vorübergehenden oder ständigen Wohnsitzerlaubnis VNZh (Rasreschenije na wremennoje proschiwanije bzw. Wid na schitelstwo) – für diese Personengruppen ist der Medizintest einmalig und nur für den Erhalt des Dokuments nötig
  • Ausländer, die sich weniger als 90 Kalendertage in Russland aufhalten und deren Visum nicht über 90 Kalendertage hinausgeht.
  • Die Ergebnisse der Medizintests sind drei Monate lang gültig.
  • WICHTIG: Nach Ablauf der Gültigkeit müssen die Medizintests wiederholt werden. Dafür haben Sie nach Ablauf des alten Gutachtens jeweils 30 Kalendertage Zeit.
  • UPDATE: Laut aktuellen Informationen, die der AHK von offiziellen Regierungsstellen übermittelt wurden, müssen die neuen Medizintests für in Russland lebende Ausländer nicht alle drei Monate, sondern lediglich jährlichabsolviert werden. Diese wichtigen Änderungen werden in Kürze rechtlich verankert.
  •  VNZh sind von den jährlichen Medizinuntersuchungen nicht betroffen. Allerdings sind laut der Änderung des Gesetzes 115-FZ auch VNZh dazu angehalten, einmalig Fingerabdrücke und Fotos abzugeben. Aktuell ist es jedoch so geregelt, dass Fingerabdrücke und Fotos nur abgegeben werden dürfen, wenn man vorher die Medizintests macht. Das heißt im Umkehrschluss, dass auch Ausländer, die bereits ein VNZh besitzen, einmalig (nicht jährlich!) die Medizintests absolvieren müssen.

Stand 30.12.2021

 

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