Die Finanzsanktionen der EU und der USA und Russlands Antwort

Die Finanzsanktionen der EU und der USA und Russlands Antwort

Nach der Meinung russischer Experten haben die von der EU und den USA beschlossenen Sanktionen, insbesondere das Einfrieren der Devisenreserven der Zentralbank der Russischen Föderation und die Abkopplung von SWIFT erhebliche Auswirkungen auf die russische Finanzwirtschaft.

So wird es der Bank von Russland nicht mehr möglich sein, ihre eigenen internationalen Reserven zu verwenden, um die Auswirkungen der westlichen Sanktionen abzuschwächen. Die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gab in der Nacht zum 27. Februar bekannt, dass die Europäische Union und ihre Partner beschlossen haben, die Vermögenswerte der russischen Zentralbank zu „paralysieren“. „Ihre Transaktionen werden wir einfrieren. Und ihr wird die Möglichkeit nehmen, diese Vermögenswerte zu realisieren.“

Nach Angaben der Zentralbank beliefen sich die internationalen Reserven der Bank von Russland am 18. Februar auf den Gegenwert von 643 Milliarden Dollar. Sie sind in Vermögenswerten in verschiedenen Währungen sowie in Gold angelegt. Am 1. Februar waren Reserven in Höhe von 311 Milliarden Dollar in Wertpapieren ausländischer Emittenten angelegt, 152 Milliarden Dollar in Bargeld und Einlagen bei Banken im Ausland.

Weitere 132 Milliarden Dollar wurden in Gold in Russland gelagert (fast 74 Millionen Feinunzen), etwa 30 Milliarden Dollar in Reserven beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und in Sonderziehungsrechten (SZR, ein Reserveguthaben des IWF. Es enthält feste Beträge der fünf wichtigsten Weltwährungen: britisches Pfund, chinesischer Yuán, Euro, Yen sowie dem US-Dollar und wird täglich neu festgesetzt.). Dieser Teil der Reserven ist praktisch vor Blockierung geschützt.

Die Bank von Russland hat die Währungs- und geografische Struktur ihrer Vermögenswerte, Stand Mitte 2021, zuletzt im Januar 2022 offengelegt. Diese Verteilung wird mit halbjährlicher Verzögerung offengelegt, so dass die aktuelle Struktur aufgrund der stark gestiegenen Sanktionsrisiken in den letzten Monaten und Wochen abweichen kann. Am 30. Juni waren 16,4 Prozent der Reserven der Zentralbank oder 96 Milliarden in Dollar-Anlagen. Das tatsächliche Volumen könnte jedoch geringer sein, da die Zentralbank kürzlich einige weitere Reserven aus Dollars abziehen konnte.

Stütze für sanktionierte Banken

Nach Angaben der Bank von Russland verzeichnete sie Mitte 2021 Euro-Vermögenswerte im Gegenwert von 189 Milliarden US-Dollar und weitere 38 Milliarden Dollar in britischen Pfund.

Am 25. Februar, nach der Verhängung der US-Sanktionen gegen die Außenhandelsbank (VTB) und die Sberbank, hieß es aus der Bank vom Russland, dass sie über genügend Devisenmittel verfüge, um sanktionierte Banken zu unterstützen.

Nach eigenen Angaben hielt die Bank von Russland am 1. Februar Konten und Einlagen in Höhe von 94,7 Milliarden US-Dollar bei anderen Zentralbanken, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und dem IWF.

Etwas mehr als 13 Prozent der Gold- und Devisenanlagen der Zentralbank (umgerechnet 77 Milliarden Dollar) waren Mitte 2021 in auf chinesische Yuan lautenden Aktiva angelegt. China schloss sich den angekündigten Sanktionen gegen die Bank von Russland nicht an.

Mit dem Einfrieren von Reserven in Dollar, Euro und Pfund Sterling wird die Bank von Russland deutlich weniger Ressourcen haben, um Deviseninterventionen zur Stützung des Rubels durchzuführen. Am 24. Februar begann die Zentralbank vor dem Hintergrund der russischen „Militäroperationen“ in der Ukraine erstmals seit 2014 mit eigenen Interventionen, demVerkauf von Devisen aus Reserven.

Der Druck auf den Rubel könnte angesichts einer möglichen Sperrung eines Teils der Reserven stärker werden. Man kann eine Analogie zu einem möglichen Rückgang des Goldpreises ziehen, der den Wert des russischen Goldes und die Devisenanlagen verringern würde: Die Alfa-Bank schätzte Anfang Februar, dass bei einem Rückgang des Goldpreises um 40 Prozent die Reserven der Zentralbank um 50 Milliarden Dollar abnehmen würden, was eine Verringerung des fairen Wechselkurses des Rubels um etwa 5  bis 7 Rubel pro Dollar bedeuten würde.

Die Devisenreserven der Bank von Russland in Höhe von 469 Milliarden Dollar Ende Januar (ohne Gold) waren mehr als dreimal so hoch wie der Gesamtbetrag der anstehenden Zahlungen auf die Auslandsschulden der in Russland ansässigen Personen für 2022 und entsprachen fast der gesamten Auslandsverschuldung des Landes. Wenn die USA, die EU, das Vereinigte Königreich und Kanada jedoch die Vermögenswerte der Bank von Russland einfrieren, könnte sie, basierend auf Daten von Mitte 2021, den Zugang zu fast 340 Milliarden Dollar ihrer Reserven verlieren, ausgenommen mögliche Geldtransfers in Währungen wie Yen oder Yuan, im folgenden Zeitraum.

Die internationalen Reserven der Zentralbank werden im Interesse des Finanzministeriums auch zur Rückzahlung von Auslandsschulden verwendet. Laut Daten der Bank von Russland muss die Regierung im April und Juli 2022 externe Anleiheemissionen für 1,2 Milliarden Dollar zurückzahlen. Das sind relativ kleine Beträge. Rating-Agenturen haben jedoch bereits gewarnt, dass sie das Risiko sehen, dass Russland aufgrund der Sanktionen Schwierigkeiten bekommen könnte, seine Auslandsschulden zu bedienen.

Finanz-Sanktionen gab es schon früher

Die Bank von Russland wird die erste große Zentralbank sein, die sich einem solchen Szenario stellen muss, aber ähnliche Sanktionen gegen weniger bedeutende Zentralbanken wurden bereits eingeführt – zum Beispiel gegen die des Iran.

Die iranische Zentralbank ist seit mehr als zwei Jahrzehnten durch US-Sanktionen blockiert. Die 1,9 Milliarden Dollar, die sie einst in der amerikanischen Citibank besaß, wurden eingefroren. Darüber hinaus werden Nicht-US-Bürger und juristische Personen bei bedeutenden Transaktionen mit der Central Bank of Iran mit sekundären US-Sanktionen belegt.

Im Jahre 2019 haben die Vereinigten Staaten die Zentralbank von Venezuela und 2020 die Zentralbank von Syrien in die SDN-Liste aufgenommen. In der SDN-Liste („Specially Designated Nationals“) werden Einzelpersonen und Unternehmen erfasst, die aufgrund von Terrorismus oder Drogenhandel die Sicherheit der USA gefährden und daher Sanktionen unterliegen. Im August 2021 froren die USA die in Amerika gelagerten Vermögenswerte der afghanischen Zentralbank über mehrere Milliarden Dollar ein, nachdem die Taliban die Macht im Land ergriffen hatten.

Regeln funktionieren nicht mehr

Dies ist ein Präzedenzfall für die gesamte Weltwirtschaft, für alle Zentralbanken der Welt ohne Ausnahme. Denn die Sperrung von Geldern einer Zentralbank, egal ob der Bank of Russia oder einer anderen, bedeutet, dass das gesamte globale Finanzsystem in Gefahr ist. Jede Zentralbank der Welt, sei es die People’s Bank of China oder Banken in Entwicklungsländern, wird davon ausgehen, dass die Regeln nicht mehr funktionieren. Die Regeln, die jahrzehntelang von allen Zentralbanken, dem gesamten Weltsystem, geschrieben und befolgt wurden, werden über Bord geworfen. Dies wird den Zerfall des globalen Finanzmarktes in getrennte Zonen beschleunigen. In Abrechnungszonen mit Landeswährungen, in Makroregionen, in denen Abrechnungen in einigen Sonderwährungen oder in Sondersystemen stattfinden. Das wird die Entdollarisierung der Weltwirtschaft beschleunigen und den Euro gefährden.

Dies ähnelt dem iranischen Szenario, wenn ihre bargeldlosen Dollars und Euros in einigen Jahren oder Jahrzehnten auftauchen. Das heißt, es handelt sich um eine Sperrung jeglicher bargeldloser Gelder in Dollar und Euro. Wenn dieses Szenario verwirklicht wird, dann ist dies tatsächlich eine Kriegserklärung. Darauf könnten sehr unangenehme Dinge für Europa selbst und die Vereinigten Staaten folgen, vor allem bei der Energieversorgung.

Europa kauft jährlich Öl und Gas von Russland im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro. Sie angesichts der weltweit begrenzten freien Ressourcen zu ersetzen, ist eine ernsthafte Herausforderung und könnte eine neue Energiekrise bevorrufen. Die amerikanischen und europäischen Bankensysteme werden ihrerseits für Russland zu Zielen.

Das heißt, wenn russisches Vermögen dort blockiert ist, könnte Russland sich das Recht nehmen, mit gleicher Münze zurückzuzahlen.

Dazu könnte gehören:

Rechnungen in der Landeswährung zu bezahlen.

Die Staatsinsolvenz hinsichtlich aller Schulden zu erklären

oder Gelder und das Eigentum ausländischer Staaten zu verstaatlichen.

Dadurch könnte eine globale Wirtschaftskrise drohen, so russische Experten.

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