Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben viele westliche Firmen den russischen Markt verlassen. Ihren Platz wurde schnell von chinesischen Unternehmen übernommen. Nachdem Apple und SamsungRussland Ende 2022 verlassen hatten, erreichte der Anteil chinesischer Hersteller am Markt 70 Prozent.
Chinesische Unternehmen exportieren nicht nur Waren nach Russland, sondern erhöhen auch den Grad der Produktionslokalisierung dort. So will beispielsweise der führende Haushaltsgerätehersteller Haier den zuvor unterbrochenen Bau seiner vierten Fabrik in Russland abschließen, wie Carnegie Politika berichtet.
Von 60 Automarken sind nur noch 14 in Russland vertreten, und 11 davon sind chinesisch. Im Jahr 2022 entfielen 20 Prozent der Neuwagenverkäufe in Russland auf chinesische Modelle (2021 waren es nur 6 Prozent). Im März 2023 wurde sogar ein Verband chinesischer Automobilhersteller gegründet, um den Markteintritt in Russland zu systematisieren. Das Fachblatt autonews.ru schreibt, dass der Anteil der chinesischen Autos seit Februar 2022 gestiegen ist, während der Markt in Russland gesunken ist. Gleichzeitig haben die Chinesen ihre dominante Position ausgenutzt und die Preise in die Höhe getrieben.
Auf der anderen Seite haben einige chinesische Unternehmen den russischen Markt verlassen und sind westlichen Unternehmen gefolgt. So hat sich beispielsweise Huawei, der größte Smartphone-Hersteller, einigen Berichten zufolge bereits im März 2022 faktisch vom russischen Markt zurückgezogen, indem er keine Verträge mehr über die Lieferung seiner Produkte erfüllt und keine neuen Verträge über die Lieferung von Netzausrüstung an russische Betreiber mehr abschließt. Auf Huawei entfallen 30 bis 40 Prozent der in Russland betriebenen Basisstationen, und die Einstellung der Aktualisierung ihrer Flotte und der Lieferung von Komponenten könnte nach Ansicht von Experten für die Telekommunikationsbetreiber schmerzhaft sein. Experten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass sich Huawei wegen möglicher US-Sanktionen vollständig aus Russland zurückziehen wird. Das Unternehmen könnte damit beginnen, Geräte über Zwischenhändler in Drittländern zu liefern oder geistige Eigentumsrechte für seine Produkte an russische Unternehmen übertragen.
Viele westliche Unternehmen haben sich aus Reputationsgründen aus dem russischen Markt zurückgezogen, und nicht aus Angst, von Sanktionen betroffen zu sein. Diese Logik ist den chinesischen Unternehmen fremd. Im Gegenteil: Mindestens zwei Technologieriesen, Lenovo und DiDi, wurden in den chinesischen sozialen Netzwerken stark kritisiert, als sie ankündigten, Russland zu verlassen. Andererseits fürchten sie aber auch den Druck der Sanktionen.
„Im Allgemeinen hat die chinesische Wirtschaft beschlossen, an dem Modell festzuhalten, das sie in den vergangenen acht Jahren entwickelt hat, als sie in Russland unter Sanktionen tätig war. Im Wesentlichen geht es darum, so viel wie möglich von den kurzfristigen Entwicklungen in Russland zu profitieren, aber nicht gegen das westliche Sanktionsregime zu verstoßen“, schreibt Wita Spiwak, Wissenschaftlerin am Carnegie Center for Russian and Eurasian Studies in Berlin und China-Expertin bei Carnegie Politika. „Der Sanktionsdruck auf Russland nimmt ständig zu, ebenso wie die Spannungen in Pekings Beziehungen zum Westen. In einem solchen Umfeld wird es für chinesische Unternehmen immer schwieriger, sich den Sanktionen zu entziehen. Der Trend zu einer geringeren Präsenz großer chinesischer Unternehmen in Russland wird sich eindeutig fortsetzen. Dies gilt sogar für staatliche Unternehmen, obwohl man früher glaubte, sie seien weniger anfällig für Sanktionen und eher bereit, in Russland zu investieren.
Doch während einige das Land verlassen werden, werden andere weiterhin versuchen, sich anzupassen. Im ersten Quartal 2023 stiegen die chinesischen Exporte nach Russland sogar um 67 Prozent. Und wenn vor 2022 staatliche chinesische Energieunternehmen den Ton in den Wirtschaftsbeziehungen zu Russland angaben, so sind es heute eher private Unternehmen, die Konsumgüter herstellen, und regionale chinesische Firmen, die keine Pläne für eine globale internationale Expansion haben. Sie sind es, die jetzt die Führung bei der Expansion Chinas auf dem russischen Markt übernehmen werden“, glaubt Wita Spiwak.
[hrsg/russland.NEWS]
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