Nach dem Rückzug internationaler Automobilhersteller aus Russland wegen des Krieges in der Ukraine sind nur noch 14 Automarken auf dem russischen Markt vertreten. Die absolute Mehrheit davon – elf – sind chinesische Marken. Allein im ersten Jahr des Krieges stieg der Anteil chinesischer Autos auf dem russischen Markt von 9,6 Prozent auf 31,1 Prozent.
Im Jahr 2023 machten chinesische Marken fast die Hälfte der Neuwagenverkäufe aus. Im vergangenen Jahr exportierte China rund 800.000 Autos nach Russland. Das sind fünfmal mehr als im Jahr 2022, schreibt die Zeitung Moscow Times. Etwa ein Drittel des Marktes wird vom größten russischen Autohersteller AwtoWAS besetzt. Gleichzeitig überstieg im Dezember der Anteil der „Chinesen“ an den Gesamtverkäufen 60 Prozent, während der Anteil von AwtoWAS nach Berechnungen der auf den russischen Automarkt spezialisierten Consultingagentur Awtostat auf 28,5 Prozent sank.
In diesem Jahr wollen Hersteller aus China fast 1,2 Millionen Autos auf dem russischen Markt verkaufen (AwtoWAS rechnet mit einem Absatz von 500.000 Autos). AwtoWAS-Chef Maxim Sokolow sagte sogar, sein Unternehmen könne mit den chinesischen Herstellern nicht mithalten. Russische Fabriken könnten gezwungen sein, ihre Produktion um bis zu 50 Prozent zu drosseln und ihre Mitarbeiter müssten auf Einschichtbetrieb umstellen. Zudem „sind chinesische Marken nicht daran interessiert, ihre Produktion in Russland zu lokalisieren“, so Sokolow. AwtoWAZ veröffentlichte Anfang April eine spezielle Pressemitteilung, in der Sokolow ein Programm zur Eindämmung der chinesischen Autoindustrie vorstellte.
Die Moscow Times spricht von einer „De-facto-Besetzung des russischen Marktes“, die es den chinesischen Autoherstellern ermöglicht hat, die Preise in den ersten Monaten des Jahres 2024 um fast 10 Prozent zu erhöhen. Der Durchschnittspreis eines chinesischen Neuwagens in Russland lag umgerechnet bei rund 36.000 Euro.
Experten des Industrie- und Handelsausschusses der Staatsduma kamen zu dem Schluss, die russische Autoproduktion könnte wegen des Imports von Autos chinesischer Marken um die Hälfte sinken. Die Staatsduma hofft, dass die Erhöhung der Abwrackprämie chinesische Hersteller dazu bewegen könne, ihre Produktion nach Russland zu verlagern.
Mitte März berichtete Kommersant, wie sich Autos aus China bei Frost und Schneefall zeigten/bewährt haben. Sie hätten den Winter in Russland relativ gut überstanden, aber Schwächen bei den Witterungsbedingungen gezeigt. Insbesondere gab es Beschwerden über den Motorstart, die Batterieleistung und die Elektronik.
Anfang April listete die offizielle Parlamentszeitung die Mängel chinesischer Autos auf: unzureichender Korrosionsschutz, zu dünne Windschutzscheiben, schwache Aufhängungsmechanik und Federung, veraltete Getriebe mit einer geringen Anzahl von Gängen und ungeeigneten Übersetzungsverhältnissen, überfrachtete Elektronik, komplizierter Garantieservice sowie das Problem fehlender Originalersatzteile, da die chinesischen Hersteller alle drei bis fünf Jahre die Modellpalette ändern und die Produktion von Ersatzteilen für frühere Autos einstellen.
Zur Ehre der chinesischen Hersteller schreibt die Parlamentszeitung, dass sie sich sehr aktiv entwickeln, enorme Summen in die Produktion investieren und darüber hinaus oft Ingenieure, Designer und Konstrukteure aus Europa oder den USA anziehen. Die chinesischen Autos werden in etwa zehn Jahren alle Kinderkrankheiten erfolgreich überwunden haben.
Eine große Regierungsdelegation mit Putin an der Spitze hält sich derzeit zu einem Staatsbesuch in China auf. Es ist die erste Auslandsreise des wiedergewählten Präsidenten seit seinem offiziellen Amtsantritt. Der Besuch begann mit russisch-chinesischen Gesprächen in Peking am 16. Mai. Nach den Gesprächen in Peking sagte der russische Präsident: „Wir begrüßen die aktive Ausweitung der Präsenz chinesischer Automobil- und Haushaltsgerätehersteller auf dem russischen Markt.“ Die chinesische Autoindustrie baue ihren Anteil in Russland durch fairen Wettbewerb aus, so Putin. „Wir begrüßen die Zusammenarbeit und werden sie weiter ausbauen.“
Der Leiter des Zentrums für Fernoststudien in St. Petersburg, Kirill Kotkow, sieht die Situation weniger optimistisch. Die Freundschaft mit China erhöhe die Gefahr für die russische Industrie. „Überall, wo China auftaucht, machen die Unternehmen nur eines: Sie ruinieren den lokalen Markt, vernichten die lokalen Produzenten und hinterlassen verbrannte Erde. Dann erhöhen sie die Preise“, so der China-Experte.
[hrsg/russland.NEWS]
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