Arbeitskräftemangel in Russland: Automobilindustrie besonders betroffen

Arbeitskräftemangel in Russland: Automobilindustrie besonders betroffen

 Zu Beginn des Sommers waren fast alle Sektoren der russischen Industrie mit einem Mangel an qualifiziertem Arbeitskräften konfrntiert, so eine Studie von Experten der Higher School of Economics, über die die Zeitung RBK berichtet. Vor allem die Automobilindustrie, die Hersteller von Elektrogeräten und Erdölprodukten klagen über einen Mangel an Fachkräften. Der akute Personalmangel droht mit weiter steigenden Löhnen, einer Beschleunigung der Inflation und einer erneuten Leitzinserhöhung durch die Zentralbank im September.

Experten zufolge war der Arbeitskräftemangel in der ersten Jahreshälfte in den meisten Branchen hoch oder kritisch. Im zweiten Quartal verschlechterte sich die Situation jedoch: Im Mai-Juni konnten sich nur ein oder zwei Branchen rühmen, nicht in die Zone des hohen Fachkräftemangels gefallen zu sein.

Lediglich die Holzverarbeitung wies im Juni eine neutrale Gefährdungslage auf. Im ersten Sommermonat wiesen 15 von 29 Branchen des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes ein kritisches oder hohes Niveau des Fachkräftemangels auf. Die Automobil-, Elektro- und Elektronikindustrie wird nach Einschätzung der Experten im Jahr 2023 stark gefährdet sein.

Im Juli erreichte das Ausmaß des Personalmangels in der Industrie einen neuen Rekord, wie aus einer Umfrage des Gaidar-Instituts hervorgeht. In 42 Prozent der Industrieunternehmen wurde ein Personalmangel festgestellt. Im April hatte nur ein Drittel der Unternehmen darüber geklagt. Das Problem des Personalmangels war bereits im Januar 2022 vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung nach der Covidpandemie akut und hat sich durch den Krieg verschärft.

Im Einzelhandel suchen Arbeitgeber am häufigsten nach Verkäufern und Kassierern – sie machen 66 Prozent der offenen Stellen aus. Logistikunternehmen beklagen den Mangel an Truckern. Der Branche fehlen etwa 60.000 Lkw-Fahrer, in den letzten fünf Jahren sei der Personalmangel um 6 Prozent gestiegen. Weiterhin fehlen Bauarbeiter und Kfz-Mechaniker

Ein weiteres „Symptom“ des Personalmangels ist die steigende Nachfrage der Wirtschaft nach der Arbeitskraft von Strafgefangenen, berichtete gestern Wedomosti unter Berufung auf Angaben des Föderalen Strafvollzugsdienstes.

Laut Rosstat erreichte die Arbeitslosigkeit im Juni zum fünften Mal seit Jahresbeginn einen historischen Tiefstand. Gleichzeitig verzeichneten die Zentralbank und das Gaidar-Institut im zweiten Quartal einen historischen Rekord bei der Auslastung der Produktionskapazitäten vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels.

Der Arbeitskräftemangel könnte zur wichtigsten makroökonomischen Geschichte der Jahre 2023 und 2024 werden und sich auf alle Sektoren auswirken, das Wachstum der Löhne und des Konsums bestimmen und damit auch die Höhe der Inflation, der Zinssätze und des Wechselkurses, heißt es im RuNet.

Das russische Innenministerium schlug gestern Alarm. „Der Personalmangel ist sehr groß. Ich würde sagen, er ist bereits kritisch. Letzten Monat haben wir 5.000 Mitarbeiter entlassen. Das ist eine schwierige Situation“, so Innenminister Wladimir Kolokoltsew.

Zentralbankchefin Elwira Nabiullina hatte den Arbeitskräftemangel bereits im Januar 2022 als eines der Hauptrisiken für die russische Wirtschaft bezeichnet. Die Verschärfung dieses Problems im August könnte ein weiteres Argument für eine weitere Leitzinserhöhung im September sein.

[hrsg/russland.NEWS]

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