„Mehr als nur eine weitere Wirtschaftskrise“ – Wladimir Lisin über Regulierung und Sanktionen

„Mehr als nur eine weitere Wirtschaftskrise“ – Wladimir Lisin über Regulierung und Sanktionen

Einer der prominentesten Milliardäre Russlands, der NLMK-Eigentümer Wladimir Lisin, äußerte sich in der russischen Zeitung Kommersant zum ersten Mal zur aktuellen Wirtschaftslage im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine und den gegen Russland verhängten Sanktionen. Hier seine wichtigsten Aussagen:

Das zentrale Thema auf der Tagesordnung sei nicht die Entwicklung, sondern das Überleben des Unternehmens. „Die über Jahre entstandenen Lieferketten werden zerstört, Logistik, Zahlungsverkehr und Finanzinfrastruktur versagen. Und vor diesem Hintergrund ändern sich täglich die Spielregeln, neue Restriktionen tauchen auf. Unter Bedingungen hoher Unsicherheit ändern wir Geschäftsprozesse und versuchen, unseren sozialen Verpflichtungen nachzukommen.“

Was in der Wirtschaft passiert, gehe über eine bloße Krise hinaus, daher sollte die Regierung die Situation nicht durch schlecht durchdachte Regulierungen verschlimmern: „Die Geschwindigkeit muss der Genauigkeit und Angemessenheit weichen, damit die Folgen für die heimische Industrie, die Millionen von Menschen beschäftigt, nicht verheerend ausfallen.“

Als Beispiele solcher Initiativen nennt er die Erweiterung der Liste der Exportgüter, die für Rubel verkauft werden sollen. „Die Idee ist, dass Sie anfangen können, Düngemittel, Getreide, Öl, Metalle, Holz und etwas anderes für Rubel zu verkaufen. Ich weiß nicht, vielleicht klappt das ja mit Gas, aber der Rest? Logistische Probleme hätten bereits die Lieferung von Produkten an den Verbraucher erschwert. „Der Übergang zu Zahlungen in Rubel wird uns einfach aus den internationalen Märkten werfen“, so Lisin

Eine weitere schlechte Idee ist laut Lisin ein Gesetzentwurf zur Streichung der   Hinterlegungsscheine russischer Unternehmen von ausländischen Börsen. Damit würden die Rechte von Aktionären verletzt, die an Russland glauben und seit vielen Jahren auf dem russischen Markt investieren. Sie hätten nichts mit Politik zu tun und es bestünde die Gefahr, dass ihre Eigentumsrechte einfach verloren gehen. „Wie kann dies zur Stabilisierung der Wirtschaft beitragen?“

Als Beispiele für die „Verwaltung von Löchern“ nennt Lisin die Festsetzung der Preise für Stahlerzeugnisse auf dem Inlandsmarkt bei der Indexierung der Tarife der Russischen Eisenbahn und die mögliche Übertragung von Eisenbahnwaggons auf die Verwaltung des Monopols. „Wir sehen bereits, wie die Transportkosten steigen“, fügt Vladimir Lisin hinzu.  Im Allgemeinen wird die Idee, Transporttarife zu indexieren und Preise für alles andere festzulegen, dazu führen, dass nur Metall und Düngemittel auf der Schiene transportiert werden können, der Rest – nur per LKW. Für die Landwirtschaft wird es ein kompletter Kollaps.“

Für Lisin befindet sich die russische Wirtschaft zwischen zwei Feuern: den Regulierungsideen der Behörden einerseits und der ständigen Androhung westlicher Sanktionen, auch persönlicher Art andererseits. Nach seiner Einstellung zum Thema persönlicher Sanktionen gefragt, sagte der Unternehmer, „sie betreffen direkt oder indirekt sehr viele, die nun versuchen müssen, in einer neuen Realität zu arbeiten und zu leben“. Es sei ihm klar, dass „dies Anlass zur Sorge geben muss, denn Sanktionen können alles zerstören, was im Laufe der Jahre geschaffen wurde“. Dabei gehe es nicht so sehr um das persönliche Wohlbefinden, sondern um „eine Kaskade negativer Folgen für Zehntausende von Mitarbeitern und Zehn-, vielleicht Hunderttausende von Mitarbeitern verschiedener Partnerunternehmen und Kunden“, so Lisin.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen müssten die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung dafür sorgen, „nicht in einen globalen Konflikt abzugleiten, der zu einer Katastrophe für alle werden könnte“.

[hrsg/russland.NEWS]

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