Wladimir Michailowitsch, die Moskauer Handels- und Industriekammer wurde 1991 gegründet.
Wladimir Platonow: Wenn man mit Adam und Eva beginnen sollte, stellt sich heraus, dass es den Merkurstab – ein Symbol der Industrie- und Handelskammer als Symbol der Streitbeilegung – schon vor Christus gab. Gekreuzte Flügel und zwei Schlangen – das sind wahrscheinlich zwei Unternehmer, die einen Streit regeln. Die erste IHK wurde 1599 in Marseille gegründet. Im vorrevolutionären Russland hatten wir eine Vereinigung von Kaufleuten mit eigenen Traditionen und Regeln. Sogar in der Sowjetzeit gab es eine IHK, obwohl das Unternehmertum verboten war. 1988 wurde ein Gesetz verabschiedet, das es den Sowjetbürgern erlaubte, „in ihrer Freizeit unternehmerisch tätig zu werden“. Und bereits 1991 wurde die Moskauer IHK gegründet. In diesen 30 Jahren haben wir einen langen Weg zurückgelegt und Erfahrungen im Ausland gesammelt. Allerdings, gibt es bei uns zu wenige Deutsche, um deutsche Erfahrungen eins zu eins zu übernehmen.
Wer ist heute Mitglied der IHK?
Wladimir Platonow: Das russische Unternehmertum ist ziemlich fragmentiert, also sind wir den Weg des Ausprobierens und des Fehlermachens gegangen. Zum Beispiel haben wir keine Pflichtmitgliedschaft, Geschäftsleute kommen freiwillig zu uns. Wir haben mehr als 3.800 Mitglieder – von Einzelunternehmer bis zu Großunternehmen. Wir arbeiten mit allen Organisationen und Strukturen zusammen und bemühen uns gemeinsam um die Entwicklung der Marktwirtschaft in unserem Land. Wir haben Glück – Betrüger kommen nicht zu uns, sie bleiben in der Schattenwirtschaft. Niemand hat mehr Interesse an Geschäftstransparenz als die Unternehmer selbst. Wir überprüfen unsere Mitglieder, überwachen ihre Aktivitäten.
Eine der Prioritäten der Moskauer Industrie- und Handelskammer ist die Entwicklung des Handels und der wirtschaftlichen Beziehungen der Moskauer Unternehmen mit ausländischen Unternehmen.
Wladimir Platonow: Natürlich sind Moskauer Unternehmer am Zugang zu ausländischen Märkten interessiert. Unser Vorteil ist, dass es in mehr als 140 Ländern der Welt eine IHK gibt. Wir haben vielleicht verschiedene Statuten, aber uns eint ein Ziel. Allerdings haben wir keine Schlüssel zu den Märkten anderer Staaten. Im Rahmen der Moskauer IHK gibt es Kommissionen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern. Es gibt eine solche Kommission auch für die außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft. Deshalb beteiligen wir uns aktiv an den internationalen Verbänden der IHK, zum Beispiel an C7. Das sind die IHK von Moskau, Berlin, Wien, London, Paris, Peking und São Paulo. Wir haben den Leitern der Kammern der großen Megastädte vorgeschlagen, sich zusammenzuschließen, um einen Rat der Präsidenten der jeweiligen IHK der Wirtschaftszentren des euro-asiatischen Wirtschaftsraums zu bilden. Es umfasst Moskau, Bratislava, Istanbul, Eriwan, Petersburg, Krasnojarsk, Jakarta. Wir wissen aber genau, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, nur Vereinbarungen zu unterzeichnen und sich einmal im Jahr zu treffen. Wir müssen mit der Zeit gehen.
Deshalb haben wir vor eineinhalb Jahren auf dem Moskauer Stadtforum die Gründung einer elektronischen internationalen Plattform für Geschäftsangebote angekündigt: den „Geschäftsmarkt“. Das ist ein Prototyp des Inlandsmarkts für das globale IHK-System. Grenzen, Entfernungen, Sprachen sollten keine Hindernisse sein. Das Hauptziel dieser Plattform ist die Förderung der Entwicklung interregionaler und internationaler Geschäftsbeziehungen durch den Austausch von Angeboten der teilnehmenden Unternehmen. Unsere neuen Mitglieder – das sind unsere Einnahmen.
Das Projekt der Moskauer Handelskammer hat es bis zum Finale des Wettbewerbs des Weltverbandes der Handelskammer in Rio de Janeiro geschafft. Dies ist kein kommerzielles Projekt, und das ist unser Trumpf. Wir investieren in seine Entwicklung, aber unser einziges Ziel ist es, die Vereinigung seriöser Unternehmer auf der Grundlage der IHK auszubauen.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit deutschen Geschäftspartnern beschreiben?
Wladimir Platonow: Ich bin seit 1993 in der Politik. Und ich erinnere mich noch an die humanitäre Hilfe aus Deutschland. Dies waren die ersten Kontakte auf politischer Ebene, die sich zu gewinnbringenden freundschaftlichen Beziehungen auswuchsen. Heute sind meines Erachtens die besten Voraussetzungen für Unternehmer aus Deutschland in Moskau geschaffen worden. Wir arbeiten eng mit der AHK in Moskau zusammen. Deutsche Unternehmen helfen uns beispielsweise bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zum Thema Compliance. Unser nächster Schritt ist das Thema Soziale Verantwortung und die Soziale Mission des Unternehmens. Wir sind ein Service für Unternehmer, wenn sie Probleme haben. Schließlich können wir auch Abgeordnete der Staatsduma, Stadtminister und Vertreter der Bundesregierung zu uns einladen. Wir sind da, um Geschäftsleute und die Politik zu verbinden.
Im April haben Sie am Münchner Wirtschaftsforum „Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung der russischen Wirtschaft teilgenommen. Die Notwendigkeit, den Dialog in schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten“ teilgenommen.
Wladimir Platonow: Meine Hauptaufgabe war es, zunächst unsere Kammer bekannt zu machen. Es scheint, dass wir nicht so weit voneinander entfernt sind, aber leider kennt man uns kaum. Vielleicht besteht unser einziger Unterschied zu einer deutschen IHK darin, dass wir keine obligatorische Mitgliedschaft haben. Deswegen müssen wir alles tun, um Unternehmern zu gefallen. Und wir sind bereit zu kooperieren. Die Resonanz war großartig. Ich erinnere mich, wie ein Vertreter einer deutschen Anwaltskanzlei sagte: Habt keine Angst, in Russland zu arbeiten. Es war die beste Werbung für unser Land und unsere Stadt, die nicht aus meinem Mund kam.
Wie haben Sie die Sanktionen erlebt? Welche Reaktion der deutschen Wirtschaft beobachten Sie?
Wladimir Platonow: Die deutsche Wirtschaft war sehr enttäuscht, würde ich sagen. Bei ausgeschalteten Kameras und Mikrofonen beschweren sich viele über die Amerikaner und fragen, ob es wahr ist, dass unsere Landwirte mit den verhängten Sanktionen eher zufrieden sind. Ich scherze immer: Unsere Unternehmer auf dem Gebiet der Landwirtschaft sammeln Geld für ein Denkmal für einen unbekannten Politiker, der sich die Sanktionen ausgedacht hat. Und ernsthaft gesprochen muss man sagen, dass unser Markt sehr schnell reagierte. Ein halbes Jahr lang fuhr ich laktosefreie Milch aus Deutschland nach Russland, und jetzt kann man in Moskauer Geschäften verschiedene Sorten von einheimischen Herstellern auswählen. Die Rückkehr in den russischen Markt wird sehr schwierig sein. Natürlich sind Sanktionen sehr störend. Dies, um eine Tatsache beim Namen zu nennen, ist ein Wirtschaftskrieg. Aber Kriege enden und danach werden die Verluste kalkuliert. Unternehmer werden nie einen unrentablen Weg gehen. Aufgabe der IHK ist es, diese Verluste zu minimieren und gegebenenfalls auch nach Wegen zu suchen, um die Sanktionen zu umgehen.
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]
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