Wirtschaftsboss Tschemesow bekommt politisches Profil

Wirtschaftsboss Tschemesow bekommt politisches Profil

Präsident Vladimir Putin hat diese Woche seinen engen Mitarbeiter Sergei Tschemesow fast heimlich zum Helden der Russischen Föderation gemacht. Der Titel ist Russlands höchste Auszeichnung und wird in der Regel für besondere Verdienste um den Staat verliehen.

Seit über einem Jahrzehnt ist Tschemesow CEO des Staatskonzerns Rostec, der Milliarden von Dollar aus Verträgen mit der Armee und Sicherheitsdiensten verdient. Aber Tschemesow ist auch einer der wenigen Menschen in Putins innerem Kreis, die sich zu den jüngsten Protesten gegen den Kreml in Moskau geäußert haben und es gibt Gerüchte, dass er in unabhängige Medien investiert.

Keiner weiß genau, was Tschemesow getan hat, um diese Ehre zu verdienen. Es gab keine öffentliche Ankündigung der Nachricht. Der Titel wurde laut einem von der Zeitung Wedomosti zitierten Beamten der Präsidialverwaltung für „kumulative Verdienste“ in der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Verteidigungstechnologie und für seine Arbeit bei Rostec verliehen.

Tschemesow gilt als einer der einflussreichsten und widersprüchlichsten Figuren in der russischen Elite. Er ist einer von Putins ältesten Freunden Sie trafen sich, als Putin in den 1980er Jahren für den KGB in Dresden arbeitete. In den 1990er Jahren waren die beiden Männer in der Präsidialverwaltung von Boris Jelzin beschäftigt.

Später wurde Tschemesow Chef von Rosoboronexport, dem staatseigenen staatlichen Vermittler für den Import und Export von Militärtechnologie. Heute ist Rosoboronexport ein Teil von Rostec, dessen CEO Tschemesow im Jahr 2007 wurde. Anfangs beschäftigte sich Rostec hauptsächlich mit Verteidigungsgütern, hat sich aber inzwischen zu einem multinationalen branchenübergreifenden Riesen entwickelt, der Unternehmen wie den Luftfahrtkonzern OAK (United Aircraft Company) und den Lastkraftwagenhersteller KamAZ kontrolliert. Rostec hält auch eine Mehrheitsbeteiligung an dem Waffenhersteller Kalashnikov. Tschemesows immense Fähigkeit als Lobbyist ist legendär und ein bekannter Experte nannte ihn einmal den „Schattenminister der Verteidigungsindustrie“.

Trotz alledem ist Tschemesow die einzige Person im engeren Kreis Putins, die mit der Opposition sympathisiert. Im August zeigte er unerwartet Verständnis  für Demonstranten in Moskau. Er mahnte, die Menschen seien „wirklich verärgert“, warnte vor Stagnation und hielt eine gesunde Opposition für eine politische Notwendigkeit. Eine interessante Intervention, zumal sich Tschemesow nur sehr selten öffentlich äußert. Im Jahr 2016 gab es Gerüchte, er sei Investor bei dem unabhängigen Fernsehsender RTVi. Andere sagen, dass Tschemesow der Schirmherr der Nowaja Gaseta sei, einer bedeutenden Nachrichtenagentur, die für ihre kritische Berichterstattung über die Regierung bekannt ist.

Wie seine kritischen Kommentare mit seiner Karriere in Einklang zu bringen sind, ist ebenso schwer zu ergründen, wie ob er aus Sympathie mit liberalen Kräften eine Art Botschaft an die Kreml-Machthaber geschickt hat, oder ob er in Sympathie mit Putin eine Botschaft vom Kreml überbracht hat. Eines scheint klar. Tschemesow ist einer der einflussreichsten Menschen in Russland, obwohl er viel weniger bekannt ist als zum Beispiel der CEO von Rosneft, Igor Sechin. Trotz seines Alters (67) gehört Tschemesow ab jetzt bis zum Machtwechsel im Jahr 2024, wenn Putins Amtszeit als Präsident endet, auch zu den Figuren, die es zu beobachten gilt.

Seinen heutigen [Herzlichen Glückwunsch Herr Präsident!] Geburtstag feiert Putin mit Verteidigungsminister Sergei Shoigu fernab in der Taiga, wie 50 Fotos auf der Kreml-Webseite illustrieren.

Ob das eine Botschaft Putins an Tschemesow ist? Vielleicht interessant – aber hier und jetzt nicht.

[hrsg/russland.NEWS]

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