Die aktuell hohen Gaspreise haben zu einer Diskussion darüber geführt, ob Russland durch die bewusste Verknappung von Gaslieferungen Druck auf die EU ausüben will, die fertig gestellte Ostseepipeline Nord Stream 2 zügig zu genehmigen. Dazu sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes:
„Derzeit kursieren Vorwürfe, Russland versuche über hohe Gaspreise die schnelle Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 erzwingen. Nach dem massiven Preiseinbruch im Corona-Jahr 2020 sind aktuell enorme Preissteigerungen auf dem Gasmarkt zu beobachten. Es gibt dafür neben der weltweiten Konjunkturerholung eine Reihe von Erklärungen, wie notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten bei europäischen Pipelines und die große LNG-Nachfrage in Asien.
Gazprom erfüllt seine Lieferverträge. Russisches Pipelinegas ist aktuell deutlich günstiger als Gas auf dem Spotmarkt. Dies schirmt Europa ein Stück weit gegen die hohen Weltmarktpreise ab. Es würde aber zur Beruhigung der Marktsituation beitragen, wenn Gazprom wo möglich zusätzliche Liefermengen anbieten würde. Extrem hohe Gaspreise können langfristig nicht im Interesse von Gazprom sein, weil die Konkurrenz durch LNG-Anbieter oder andere Energieträger zunehmen würde. Dann wird etwa Kohlestrom infolge steigender Gaspreise Angebotslücken füllen, was aus Sicht des Klimaschutzes problematisch wäre.
Über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 erwarten wir keine kurzfristige Entlastung. Dieses Projekt muss nach den Regeln der EU und völlig unabhängig von der gegenwärtigen Preislage zertifiziert werden. Sorgfalt geht hier ganz klar vor Eile. Es ist im Interesse der Betreiber, dass diese Milliardeninvestition juristisch unangreifbar genehmigt und für sie ein dauerhaft tragfähiges Nutzungskonzept gefunden wird.
Unabhängig davon unterstützen wir die gegenwärtigen Bemühungen der Bundesregierung, den russisch-ukrainischen Transitvertrag über das Jahr 2024 hinaus zu verlängern. Wir treten auch dafür ein, dass die Ukraine Erdgas aus Zentralasien über ihr Leitungsnetz nach Westen vertreiben kann. Wünschenswert wäre auch, dass die EU eine strategische Erdgasreserve in der Ukraine anlegt, um Angebotslücken auf dem europäischen Markt auszugleichen.“
Über den Ost-Ausschuss:
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (gegründet 1952) fördert die deutsche Wirtschaft in den 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens. Der deutsche Osthandel steht insgesamt für rund ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels und ist damit bedeutender als der Handel mit den USA und China zusammen. Der Ost-Ausschuss hat rund 350 Mitgliedsunternehmen und -verbände und wird von sechs Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDI, BGA, Bankenverband, DIHK, GDV und ZDH – getragen.
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