„Situation der rechtlichen Unbestimmtheit“: Risiken bei der Nutzung sozialer Netzwerkein RusslandPyatunina, Elizaveta

„Situation der rechtlichen Unbestimmtheit“: Risiken bei der Nutzung sozialer Netzwerkein Russland

Anfang März 2022 hat Roskomnadzor den Zugang zu den sozialen Netzwerken Facebook* und Instagram* des amerikanischen Konzerns Meta* in Russland gesperrt. Jedoch haben die Nutzer der Plattformen nicht auf deren Nutzung verzichtet und umgehen das Sperren mithilfe einer VPN-Verbindung. VPN (Virtual Private Network) ist ein Dienst, der die Sicherheit der Internetnutzung erhöht sowie Ihre personenbezogenen Daten und Informationen darüber, was und wo Sie im Internet getan haben, versteckt und verschlüsselt. Außerdem erlaubt eine VPN-Verbindung, Zugang zum Inhalt zu erhalten, der in Ihrem Aufenthaltsland gesperrt ist. Das heißt, trotz der Einschränkungen ist der Zugriff auf Facebook* und Instagram* in Russland weiterhin möglich.

Am 21. März fand jedoch eine Gerichtssitzung statt, in der Meta* als extremistische Organisation eingestuft wurde. Obwohl der Gerichtsbeschluss noch nicht in Kraft getreten ist, ist es unwahrscheinlich, dass er durch die Berufungsinstanz und die nachfolgenden Instanzen aufgehoben wird. Ist die Nutzung dieser sozialen Netzwerke in Russland jetzt also möglich oder nicht?

Die Aktivitäten auf diesen Plattformen führen für sich genommen zu keiner Haftung. Diese Rechtsmittel schränken nicht die Nutzung von Meta*-Software durch natürliche und juristische Personen ein, die an keinen gesetzlich untersagten Aktivitäten teilnehmen“, lautet der Gerichtsbeschluss. Die Regierung beabsichtigt nicht, Belangung für die VPN-Nutzung zu verhängen.

Interessant ist, dass Russland im Ranking der Länder mit der größten Anzahl der Instagram*-Nutzer (39 Millionen) den fünften Platz belegt. Nach der Sperrung ist die Anzahl der Nutzer um 16 Prozent gesunken und verringert sich weiter. Einige Nutzer verzichten auf das soziale Netzwerk wegen Verbindungsprobleme, und die anderen verlieren ihre Followers und damit potenzielle Einnahmen.

Aus juristischer Sicht sind die Nutzer der sozialen Netzwerke Facebook* und Instagram* in eine Situation der rechtlichen Unbestimmtheit geraten. Gemäß Teil 2 Artikel 282.2 des Strafgesetzbuches kann die Teilnahme an der Tätigkeit einer extremistischen Organisation zu einer strafrechtlichen Belangung in Form eines Freiheitsentzugs für bis zu sechs Jahren führen. Natürlich erscheint diese Sachlage absurd, und die Behörden sind der Auffassung, dass einfache Nutzer nicht strafrechtlich belangt werden müssen. Es liegen jedoch formale Gründe dafür vor, weil eine „Teilnahme an der Tätigkeit“ durch das Oberste Gericht der Russischen Föderation weit ausgelegt wird.

Andererseits weisen Facebook* und Instagram* keine Merkmale einer organisatorischen Einheit auf, weil es sich um globale Internetplattformen handelt, deren Nutzer über die ganze Welt verstreut sind und keine gemeinsamen Ziele haben. Offensichtlich ist, dass die Nutzer zu solchen Plattformen hauptsächlich in ihrer Freizeit kommen. Somit ist es ziemlich schwierig, an der Tätigkeit dieser Organisationen „teilzunehmen“, weil deren Tätigkeitsrichtungen nicht eindeutig festgelegt sind. Das Verfassungsgericht der Russischen Föderation hat in seinem Entscheid Teil 2 Artikel 282.2 StrafGB RF kommentiert und darauf hingewiesen, dass das Gesetz „eine strafrechtliche Belangung nicht für jegliche Handlungen vorsieht, sondern nur für solche, die im Rahmen eines Vereins in Übereinstimmung mit seinen Zielen und Plänen unter einheitlicher organisierter Leitung und mit der Absicht begangen werden, die durch einen Gerichtsbeschluss verbotene Tätigkeit des Vereins zu unterstützen, falls der Schuldige von diesem Verbot im Voraus wusste“. Somit ist es schwer, einfache Beiträge, Likes, geteilte Beiträge, Kommentare und andere Aktivitäten auf Facebook* und Instagram* als eine Teilnahme an der Tätigkeit dieser Organisationen einzustufen, und dementsprechend können solche Aktivitäten nicht als eine Straftat eingestuft werden. Jedoch bleibt eine solche Möglichkeit russischen Gerichten formal vorbehalten.

Neben der Teilnahme an der Tätigkeit von extremistischen Organisationen stießen russische Internetnutzer auf das Risiko einer strafrechtlichen Belangung wegen Verstöße gegen das neue Gesetz über Falschnachrichten. So nennen die Medien das Föderale Gesetz Nr. 32-FZ „Über die Einbringung von Änderungen in das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation und Teile 31 und 151 Strafprozessordnung der Russischen Föderation“ vom 4. März 2022.

Im Unterschied zur Situation mit Einstufung von Meta* als extremistische Organisation, wo wir bislang keine Fälle der strafrechtlichen Belangung beobachten konnten, wurden über zehn Strafverfahren auf Grundlage der neuen Artikel des Strafgesetzbuches bereits eingeleitet.

Es ist zu berücksichtigen, dass man für einen Beitrag, der lange vor der Verabschiedung der Änderungen erstellt wurde, auch strafrechtlich belangt werden kann. Dies hängt damit zusammen, dass ein solcher Beitrag unabhängig vom Datum der Erstellung für viele Personen während einer unbestimmten Zeit sichtbar bleibt. Wenn man die Informationen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verbreitet und dann gelöscht hat, wird durch diese formale Löschung nichts geändert, weil die Straftat bereits als begangen gilt.

Außerdem können die Nutzer von Instagram* und Facebook* unter Artikel 282.3 StrafGB RF über die Finanzierung der extremistischen Tätigkeit fallen. Gemäß diesem Artikel kann eine strafrechtliche Belangung bei Bereitstellung von Geldmitteln oder Erbringung von Finanzleistungen, die für Finanzierung bzw. Sicherstellung der Tätigkeit einer extremistischen Organisation bestimmt sind, erfolgen. Das bedeutet, dass die Leistung irgendwelcher Zahlungen an die als extremistisch eingestuften Plattformen Facebook* und Instagram* mit Freiheitsentzug bis zu acht Jahren bestraft werden kann. Zum Beispiel gilt ein Kauf der Werbung auf diesen Plattformen als eine solche Zahlung.

Wer eine Werbung von Bloggern kauft, sollte sich keine Sorgen machen, weil die Geldmittel in diesem Fall nicht an verbotene Organisationen, sondern an Dritte im Austausch für die von ihnen veröffentlichten Werbematerialien überwiesen werden. Dies gilt nicht als Finanzierung der extremistischen Tätigkeit im Unterschied zum Kauf der zielgerichteten Werbung direkt von verbotenen Plattformen.

Diese Einschränkung ist wahrscheinlich die strengste, da sie vielen russischen Marken und Handwerkern die Möglichkeit nimmt, ihre Waren und Dienstleistungen zu fördern. Als aktive Instagram-Nutzerin habe ich bemerkt, dass fast alle Werbeanzeigen auf der Plattform verschwunden sind. Das soziale Netzwerk untersagte russischen Werbungsgebern auch, Anzeigen in allen Ländern zu erstellen und zu platzieren, und ausländische Business-Konten können unser Land nicht mehr als Region für die Anzeige ihrer beworbenen Beiträge auswählen.

* in Russland als extremistische Organisation eingestuft und verboten

Pyatunina, Elizaveta, associate, Rödl & Partner

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