Russlands Trucker zwischen Realität und Hoffnung© ai/russland.news

Russlands Trucker zwischen Realität und Hoffnung

Auch in Russland herrscht ein akuter Mangel an Lkw-Fahrern. Die Fahrer empfinden die Bezahlung für ihre harte Arbeit zunehmend als ungerecht. Lkw-Fahrer verlassen den Beruf und wechseln in andere Branchen. Aufgrund der Probleme mit den Fahrern stehen nach eigenen Angaben 10 bis 15 Prozent der Flotte der größten Transportunternehmen still.

Niemand ist bereit, das Lohnniveau in der Branche ernsthaft anzuheben, und niemand ist bereit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Bislang setzen die Vertreter der größten Transportunternehmen auf die Anwerbung von Migranten aus Zentralasien und dem Transkaukasus. Qualifizierte Fahrer aus diesen Regionen bevorzugen allerdings lieber einen Job in europäischen Ländern, wo die Löhne höher und die Arbeitsbedingungen besser sind – und ebenfalls ein Mangel an kompetenten Truckern besteht.

Laut dem Rekrutierungsportal HeadHunter wünschen sich 89 Prozent der Fahrer suchenden Arbeitgeber von Bewerbern eine gute körperliche Verfassung und die Fähigkeit, längere Zeit ohne Schlaf auszukommen. Weitere wichtige Eigenschaften sind Stresstoleranz sowie Kenntnisse über das Fahrzeug und die Straßenverkehrsordnung.

Ein Fahrer fährt nicht nur einen LKW, die Transportunternehmen brauchen auch Speditionsfahrer, die in der Lage sind, die Ladung entgegenzunehmen, zu sichern, die Bedingungen für die Ladungssicherheit zu schaffen, die Ladung korrekt an den Empfänger zu übergeben und alle Dokumente auszustellen.

Unter den Fahrern, die sich mit niedrigen Löhnen abfinden, befinden sich nicht wenige Menschen, denen es an ernsthaften Kenntnissen und Fähigkeiten mangelt, um ein gewinnbringender Mitarbeiter eines Transportunternehmens zu sein.

Die Wirtschaftlichkeit des Straßengüterverkehrs beruht auf zwei Parametern: den Kosten pro gefahrenen Kilometer und den Kosten pro Arbeitsstunde von Fahrzeug und Fahrer. Und nicht nur die Arbeitsstunden, sondern auch die Standzeiten.

Für Transportunternehmen ist es schwierig oder fast unmöglich, die Kosten für ihre Dienstleistungen zu erhöhen – der nach wie vor stark zersplitterte Markt ist sehr hart, die Spielregeln werden kaum kontrolliert, die Professionalität der Transportunternehmen ist gering und der Einsatz moderner Technologien zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ist sehr begrenzt. Das wichtigste Instrument zur Gewinnmaximierung ist daher die Senkung der Kosten.

Der Markt ist gekennzeichnet durch:

  • Akkordlohn nach gefahrenen Kilometern, Volumen oder Tonnage der Ladung oder als Prozentsatz der Transportkosten;
  • Nichteinhaltung der Arbeitszeiten und des Wechsels zwischen Arbeits- und Ruhezeiten;
  • Dienstreisen von drei Wochen oder länger;
  • Fahrleistungen von 800 Kilometer und mehr pro Tag;
  • Verantwortung des Fahrers für die Ladung und deren Sicherung;
  • Arbeitszeiten mit Be- und Entladen am Tag und Fahren in der Nacht ohne Zuschläge für Nachtarbeit und Wochenendarbeit;
  • Fahrverbote tagsüber in Großstädten, bei inversiver Wetterlage usw.;
  • beengte Schlafverhältnisse in den Fahrerkabinen, fehlende Standklimaanlage;
  • Entgeltminderungen aufgrund des Kraftstoffverbrauchs;
  • Durchführung von Reparaturarbeiten durch den Fahrer;
  • Bezahlung für unverschuldete Ausfallzeiten erst ab dem zweiten Tag;
  • keine Anforderungen an Bildung und Berufsausbildung – Führerschein genügt;
  • hohe Wahrscheinlichkeit eines teilweisen oder vollständigen Lohnausfalls und
  • stundenlange starre Körperhaltung hinterm Lenkrad.

Diese Arbeitsbedingungen sind für Lkw-Fahrer wenig attraktiv. Ein freiwilliger Massenzusammenschluss von Transportunternehmen auf der Basis von Appellen zur Einhaltung der Spielregeln ist bei der Zersplitterung des Marktes mehr als unwahrscheinlich.

So ist der russische Staat ist gefordert, wenn der Mangel an Lkw-Fahrer behoben werden soll. Die Entlohnung in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke oder der Menge der beförderten Güter sollte verboten werden. Auf regionaler Ebene müsste ein verbindlicher Mindeststundenlohn eingeführt werden – und ein Register für Transportunternehmen, in das nur professionelle, finanziell gesunde und zuverlässige Transportunternehmen aufgenommen werden.

Dadurch würden gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen, die Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessert und ihre sozialen Interessen geschützt. Als Nebeneffekt könnte sich die Straßenverkehrssicherheit erhöhen.

 [hrsg/russland.NEWS]

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