Russland im Wettbewerb mit chinesischen Autos

Russland im Wettbewerb mit chinesischen Autos

Im Jahr 2020 hatten chinesische Autohersteller nur einen Anteil von 3,6 Prozent am russischen Markt, im Premiumsegment waren sie gar nicht vertreten. Heute machen chinesische Marken mehr als 60 Prozent der Verkäufe aus, ihr Anteil im Premiumsegment  erreicht 80 Prozent.

Damit hat sich in Russland eine für einen nationalen Automobilmarkt paradoxe Situation entwickelt: Die meisten der verkauften Automarken sind den potenziellen Käufern praktisch unbekannt. Das gilt allerdings nicht für die Bestseller: Die drei bekanntesten chinesischen Marken sind auch die meistverkauften.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes ROMIR ergab , dass im Jahr 2024 fast die Hälfte der russischen Autofahrerinnen und Autofahrer den Kauf eines chinesischen Autos erwägten. Gleichzeitig konnten 79 Prozent der Befragten nicht mehr als drei chinesische Marken auf dem Markt nennen, jeder Zehnte konnte sich an keine einzige Marke erinnern. Die drei bekanntesten Marken sind diejenigen, die bereits vor 2022 auf dem russischen Markt präsent waren: Haval (45 Prozent), Chery (45 Prozent) und Geely (30 Prozent).

Die Umfrage hat auch gezeigt, warum Autofahrer sich weigern, ein chinesisches Auto zu kaufen. Der Hauptgrund ist das Misstrauen gegenüber der Qualität (30 Prozent), gefolgt von Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Teile (23 Prozent) und des Preises der Autos (20 Prozent). Jeder Zehnte, der kein chinesisches Auto kaufen würde, gab an, dass es keine Informationen über die Wartung gebe.

Vergleicht man die Daten der ROMIR-Umfrage mit den Verkaufsstatistiken, zeigt sich ein klares Muster: Was man kennt, wird gekauft. Derzeit gibt es in Russland rund 60 chinesische Marken. Die meisten Käufer entscheiden sich jedoch für nur drei Marken: Haval, Chery und Geely.

Tatsächlich kontrollieren die Unternehmen, die Autos unter diesen Marken herstellen, den Großteil des russischen Marktes. So werden beispielsweise Omoda, Exeed, Jetour und Jaecoo, die zu den zehn meistverkauften Marken gehören, von Chery kontrolliert, während Belgee Modelle von Geely unter eigenem Namen verkauft.

Mangelndes Wissen über chinesische Marken führt manchmal dazu, dass Käufer einfach nicht verstehen, wie sich eine Marke von einer anderen unterscheidet, welche zum Premium- und welche zum Billigsegment gehört. Eine im Frühjahr 2024 durchgeführte ROMIR-Umfrage ergab, dass fast 90 Prozent der Befragten die Marken Hyundai, Renault, Skoda, Mercedes-Benz, BMW und Audi visuell unterscheiden und sie dem Premium- oder dem Budgetsegment zuordnen konnten. Bei den chinesischen Marken waren jedoch nicht mehr als 10 Prozent der Befragten in der Lage, diese Aufgabe fehlerfrei zu lösen.

„Trotz dieser starken Expansion bleiben das Wissen über und das Vertrauen in chinesische Marken hinter ähnlichen Indikatoren für europäische, japanische und koreanische Wettbewerber zurück, was Kaufbarrieren schafft. Chinesische Marken werden im Massenbewusstsein einheitlich wahrgenommen, trotz radikaler Unterschiede in den Modellpaletten. Selbst chinesische Premiummarken werden nicht signifikant differenziert wahrgenommen“, so die Autoren der ROMIR-Studie.

Anfang Oktober hatte Maxim Sokolow, Präsident von AwtoWAZ vorgeschlagen, die Zölle auf chinesische Autos zu erhöhen, um den russischen Markt vor billigen ausländischen Autos aus China zu schützen.

Der Vizepräsident von AwtoWAZ, Dmitry Kostromin, sagte vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Zeitung Rossijskaja Gaseta bekannt, dass fast das gesamte Geld, das die Russen für neue Autos ausgeben, nach China fließt: „Wenn man den Markt in Geldwerten misst, liegt der Anteil von Lada heute bei nur 11 Prozent. Mit anderen Worten, nur 11 Prozent des Geldes, das die Russen für den Kauf von Neuwagen ausgeben, verbleiben in der russischen Wirtschaft. Fast der gesamte Rest des Geldes wird aus Russland nach China gespült, wo sich die Wertschöpfungszentren befinden. Im Idealfall sollte es genau andersherum sein.“

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