Russische Zentralbank nach Leitzinserhöhung im Gegenwind

Russische Zentralbank nach Leitzinserhöhung im Gegenwind

Die verarbeitende Industrie ist nicht mehr der Motor des BIP-Wachstums. Laut einer Analyse von Ökonomen des Instituts für nationale Wirtschaftsprognosen (INP) der Russischen Akademie der Wissenschaften verlangsamt sich das Wachstum in vielen Wirtschaftssektoren.

Nach ihren aktuellen Prognosen wird Russland das Jahr mit einem BIP-Wachstum von 3,7 Prozent abschließen, was fast dem Vorjahreswert entspricht. Allerdings wird sich die Lage der Wirtschaft aufgrund der extrem teuren Kredite verschlechtern.

Inzwischen kritisieren Vertreter nicht nur der kleinen und mittleren Unternehmen, sondern auch der mächtigsten Staatskonzerne offen die Leitzinsentscheidungen der Zentralbank und die Wachstumsaussichten von 23 Prozent. Die Warnungen vor einer drohenden Pleitewelle werden immer lauter, denn selbst „der Waffenhandel wirft nicht so viel Gewinn ab“, um die Zinsen zu decken.

Der Chef des Staatskonzerns Rostec, Sergei Tschemesow, warnte vergangene Woche auf einer Sitzung des Föderationsrates, dass „eine konservative Finanzpolitik zu Stagflation führen kann“, wenn die Produktion gleichzeitig mit dem Konsum sinkt und die Inflation steigt. Bei solchen Zinssätzen sei es für Unternehmen unrentabel, Kredite aufzunehmen: „Wenn wir so weitermachen, werden die meisten Unternehmen bankrott gehen.“

Sergei Sawerisky, Leiter der analytischen Forschungsabteilung des Instituts für komplexe strategische Studien, ist sich sicher, das Inflationsproblem könne nicht allein durch das Anziehen der Kreditschraube gelöst werden. „Nach 15 Monaten Zinserhöhungen und harter Rhetorik ist bereits zu beobachten, dass sowohl der allgemeine Inflationshintergrund als auch die Inflationserwartungen steigen. Gleichzeitig werden die hohen Zinsen selbst immer mehr zu einem Inflationstreiber“, erklärte er in einem Interview mit der russischen Zeitung Expert.

Die Anhebung des Leitzinses auf 21 Prozent bedeutet eine deutliche Verschärfung der monetären Bedingungen bis 2025, so Andrei Melaschtschenko, Ökonom bei Renaissance Capital. Für die Banken bedeutet dies einen Anstieg der Kreditrisiken. Dementsprechend ist im nächsten Jahr mit einer deutlichen Verlangsamung des Wachstums des Kreditportfolios zu rechnen.

Der Vorsitzende der Partei Gerechtes Russland hat den Rücktritt der Zentralbankchefin wegen der Erhöhung des Leitzinses gefordert. „Diese Frau bedroht unsere Wirtschaft.“  Er betonte, dass Russland den achthöchsten Leitzins der Welt habe und nun in Bezug auf den Zinssatz zwischen dem Libanon und dem Iran liegt. „Schädlich, aber Nabiullina kann nichts dafür. Nur ihr Rücktritt wird helfen“, so Sergei Mironow.

Die Zentralbankchefin selbst sieht keine Gefahr von Massenpleiten und rechnet mit einer Umverteilung der Ressourcen zugunsten effizienterer Unternehmen. Für sie gäbe es keine Grenze für die Anhebung des Leitzinses – möglicherweise schon im Dezember auf 23 Prozent.

Das kommende Jahr wird zeigen, ob es ungewöhnlich reich an Fusionen und Übernahmen sein wird. Nabiullinas Dilemma wird bleiben: Die Zentralbank, die für die Inflation verantwortlich ist, muss die Zinsen erhöhen, um den Preisanstieg zu bremsen. Und die Regierung nutzt Ausgaben und Subventionen, um sie zu beschleunigen.

 

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