Putin mischt auch bei Entsorgung von Müll aus Moskau mit

Putin mischt auch bei Entsorgung von Müll aus Moskau mit

Der russische Präsident Wladimir Putin forderte eine Lösung für das Problem des Baus von Deponien unter Berücksichtigung der Meinungen der Bewohner der Siedlungen, neben denen sie gebaut werden, wie Interfax berichtet. Der Präsident war überrascht über die Entscheidung, sie an solchen Orten zu errichten, und versprach, dieses Thema mit dem Gouverneur der Region Archangelsk, Igor Orlow, und dem Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, zu erörtern. „Sie können es nicht im Geheimen lösen, ohne die Meinung von Menschen zu erfragen, die in der Nähe dieser Deponien leben“, sagte Putin.

Moskau könne nicht „im Müll versinken“, aber die Behörden sollten darauf achten, in anderen Regionen keine Folgeprobleme zu schaffen. Putin ist der Ansicht, dass die Bewohner der Region Archangelsk zu Recht über den Bau einer Deponie in ihrer Region besorgt sind. Abfallentsorgungsanlagen sollten nach internationalen Standards gebaut werden, um Menschen nicht zu schädigen.

Der Präsident erinnerte daran, dass die Müllentsorgung in der Region Archangelsk von Moskau aus eine vorübergehende Lösung ist, bevor moderne Abfallverarbeitungsanlagen gebaut werden. Aber auch Zwischenentscheidungen sollten unter Berücksichtigung der Interessen der Menschen getroffen werden.

Kurz bevor die russischen Medien das Thema am 16. Mai aufgriffen, hatten die Projektbetreiber auf ihrer offiziellen Webseite den Baustopp Mitte Juni anders interpretiert. Es handele sich um den Abschluss der Vorbereitungsphase, die am 15. Juni enden wird – um keine Aussetzung des Projekts selbst, sondern um einen geplanten Übergang zur zweiten Phase, in der alle erforderlichen Untersuchungen und öffentlichen Anhörungen durchgeführt werden. Man gehe davon aus, dass die Arbeiten fortgesetzt werden.  Auf der Website ist die Inbetriebnahme des Umwelttechnikparks weiterhin für Februar 2020 geplant.

Dementsprechend intensivierten die Bauherren in letzter Zeit ihre Aktivitäten vor Ort. Tonnenweise Sand und Treibstoff wurden eingelagert. Als am 10. Mai Anwohner die Lieferung von Treibstoff per Hubschrauber verhindern wollten, kam es zu massiven Zusammenstößen zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften.

Laut Angaben der Anwohner, die die Baustelle beobachtet haben, hat der Hubschrauber seitdem mehr als 15 Flüge durchgeführt und insgesamt rund 40 Tonnen Dieselkraftstoff nach Schies gebracht. Vom 14. bis 15. Mai entluden die Arbeiter zwei Züge mit Sand. Im Bereich des Bahnhofsgebäudes wurden Stahlbetonplatten verlegt und am Zaun ein Videoüberwachungssystem angebracht.

Das Unternehmen Technopark, das das Projekt im Rahmen von Vereinbarungen zwischen der Moskauer Regierung und der Region Archangelsk umsetzt, hat zugesagt, dass der Bau des Umwelttechnikparks Schies erst nach Erhalt aller erforderlichen Genehmigungen und nur bei positiven Gutachten beginnen wird. Am Ende, so heißt es im Unternehmen, werde die Region Archangelsk ein ökologisches High-Tech-Objekt erhalten, neue Arbeitsplätze erhalten, in die Industrie investieren und eine führende Position auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft einnehmen. Das Betriebsdauer des Umwelttechnikparks Schies ist auf 20 Jahre angelegt. Die Arbeiten in der Nähe des Dorfes Urdoma begannen im vergangenen Jahr.

Im Kreml wird man den demokratischen Populismus von Wladimir Putin mit Besorgnis verfolgen, hat er sich doch zeitgleich in den Kirchenkonflikt von Jekaterinburg eingemischt.

Noch am Mittwoch hatte sein Sprecher Dmitri Peskow das Vorgehen der Polizei verteidigt und die Demonstranten als „Provokateure“ abgetan. Putin hingegen zeigte sich kompromissbereit: „Eine Kirche soll die Menschen einen und nicht entzweien“, sagte er tags darauf und schlug vor, eine Befragung zu der Angelegenheit abzuhalten.

Die Reaktion von Peskow klingt relativierend. „Der Präsident hat nicht eingegriffen. Er wurde von Journalisten gefragt, und er habe darauf mit ihnen gesprochen. Sie stellten ihm eine Frage, aber er griff nicht ein.“ Jede andere Interpretation sei eine „Verzerrung“. Es gäbe keinen Grund, die Handlungen der Behörden von Jekaterinburg für unwirksam zu halten. „Die lokalen Behörden führten vor der Erklärung des Präsidenten einen Dialog mit den Einwohnern Jekaterinburgs. Es ist nur so, dass der Präsident klarer formuliert hat, und in diesem Fall hören sie als regionale Behörde auch auf die Meinung des Staatsoberhauptes“, so Peskow.

Des Kremls Begeisterung über Putins Ideen einer Demokratie von unten hält sich demnach in Grenzen. Chef Putin vertraut auf demokratische Grundsätze – die Verlierer müssen sich mit der Entscheidung der Mehrheit abfinden. Sollte in Archangelsk und Jekaterinburg tatsächlich des Volkes Stimme zu Gehör kommen, käme dies für die örtlichen Behörden eine Ohrfeige gleich – wäre „für die Demokratie allerdings ein großer Gewinn“.

Dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder käme diese Entwicklung gelegen. Endlich wäre zumindest ein Anschein dessen zu sehen, was er einst, auf Anfrage, dem russischen Präsidenten attestierte: Ein Durchscheinen lupenreiner demokratischer Denkweise.

[hub/russland.NEWS]

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