Nord Stream 2: Pächter der Fortuna verweigern Beteiligung an FertigstellungSymbolfoto

Nord Stream 2: Pächter der Fortuna verweigern Beteiligung an Fertigstellung

Das Rohrverlegungsankerschiff Fortuna, das mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 verbunden ist, „beteiligt sich nicht an den Verlegungsarbeiten der Pipeline und beabsichtigt auch nicht, sich daran zu beteiligen“, teilte das Unternehmen Mezhregiontruboprovodstroy (MRTS) mit. Das Unternehmen sei „nicht Eigentümer der Fortuna, sondern pachtet sie im Rahmen eines Chartervertrags zur Verwendung in anderen Projekten“.

Am 3. Juli hatte die Fortuna von der dänischen Aufsichtsbehörde die Erlaubnis erhalten, „sowohl separat als auch in Kombination mit Schiffen mit dynamischer Positionierung“ zu operieren. Das Schiff selbst ist für die Tiefseeverlegung wenig geeignet und ist nicht mit einem dynamischen Positionierungssystem ausgestattet, was die Fortuna-Rohrverlegung sehr langsam machen und zusätzliche Genehmigungen erfordern würde.

Sowohl die Fortuna als auch das Rohrverlegeschiff Akademik Chersky waren in den letzten Monaten im deutschen Hafen von Mukran stationiert, dem Logistikzentrum des Projekts. Beide Schiffe sollten im Tandem die Verlegung des letzten Abschnittes beenden, die nach den US-Sanktionen im Dezember 2019 gegen mit Nord Stream 2 verbundene Unternehmen unterbrochen wurde. Ende letzten Jahres verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das sekundäre Sanktionen gegen die Eigentümer Rohrverlegungsschiffe androhte. Unmittelbar danach wurde der Offshore-Bau der Pipeline von der schweizerisch-niederländischen Firma Allseas eingestellt. Seitdem ist offen, welche Schiffe den Bau der Gaspipeline abschließen werden. Nord Stream 2 hat, nachdem Allseas ausgestiegen ist, niemals bestimmte Schiffe benannt, die an der Fertigstellung teilnehmen könnten.

Auch die Akademik Chersky hat kürzlich ihren Besitzer gewechselt: Gazprom Flot (eine Tochtergesellschaft von Gazprom) hat dieses Verlegeschiff und zwei weitere Versorgungsschiffe aus ihrer Struktur zurückgezogen und gehört damit nicht mehr Gazprom.

Das Schiff gehört jetzt dem Samara Heat and Power Property Fund JSC (STIF) mit Sitz in Samara, und dieser Fonds war im zweiten Quartal nicht mehr auf der entsprechenden Liste der Gazprom-Gruppe aufgeführt. Wer der Endbegünstigte von STIF ist, ist unbekannt.

Nord Stream 2 hat die Arbeit in dänischen Gewässern noch nicht wieder aufgenommen (etwa 6 Prozent der Pipeline müssen dort noch fertiggestellt werden), kann jedoch nach Entscheidung der dänischen Energieagentur (DEA) seit dem 3. August mit dem Bau beginnen. Einen Monat zuvor hatte die dänische Regulierungsbehörde Nord Stream 2 ermächtigt, Rohre mit einem verankerten Positionierungsschiff zu verlegen, nicht nur mit dynamischen Positionierungsschiffen, wie dies zuvor zulässig war.

Die beiden Spezialschiffe Fortuna und Akademik Chersky könnten die ausstehenden Arbeiten in etwa 53 Tage beenden. „Wir werden umgehend über unsere Pläne und die Wiederaufnahme der Arbeit informieren“, so der Pressedienst von Nord Stream 2 am Dienstag.

Im Juli änderte das US-Außenministerium seine öffentlichen Leitlinien zur Anwendung von Artikel 232 der CAATSA, um sie auf das Nord Stream 2-Projekt anwenden zu können. US-Sanktionen bedrohen nun ausländische Unternehmen, die in Nord Stream 2 investieren und Schiffe für den Bau von Nord Stream 2 bereitstellen.

US-Präsident Donald Trump kritisiert Nord Stream 2 seit Jahren und wirft Deutschland vor, es lasse sich einerseits militärisch vor Russland schützen, verschaffe Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten. Kritiker werfen ihm vor, die Pipeline nur verhindern zu wollen, um mehr amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki verschärfte seine Kritik an dem Bau der russischen Pipeline. Die Mittel, die Europa in dieses Projekt investiert, verwendet Russland für die Rüstung. „Deshalb stellen Nord Stream und Nord Stream 2 eine solche Bedrohung für unsere Region dar. Deshalb kritisieren wir Deutschland.“ Darüber hinaus wird die neue Pipeline es Moskau ermöglichen, die Ukraine von der Gasversorgung nach Europa auszuschließen und dann mit diesem Land zu tun, was es will, so der polnische Premierminister.

Das ukrainische Außenministerium kündigte an, dass Kiew und Warschau gemeinsame Schritte unternehmen würden, um die Umsetzung von Nord Stream 2 doch noch zu verhindern. Der polnische Außenminister Jacek Czaputovich sagte, Polen, die Ukraine und Litauen würden sich bemühen, nicht „Gegenstand effektiver Erpressung“ durch Russland zu werden. Nach Ansicht der Außenminister dieser Länder stellt Nord Stream 2 „eine Bedrohung für die Energiesicherheit in ganz Europa dar“.

Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier setzt trotz aller Sanktionsdrohungen aus den USA m Streit um die Ostsee-Pipeline weiter auf Deeskalation. „Wir hoffen immer noch, dass es nicht zu diesen Sanktionen kommt. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass wir jederzeit für Gespräche zur Verfügung stehen, um eine Eskalation zu verhindern“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „In Norddeutschland sind wir dabei, Terminals zu bauen, wo dann auch Flüssiggas aus den USA angelandet und in Deutschland verkauft werden kann“, ließ Altmaier verkünden. Vor diesem Hintergrund sehe er keinen Grund für Sanktionen.

Ob das die USA beeindrucken wird? Sobald die letzten Differenzen zwischen Repräsentantenhaus und Senat ausgeräumt sind und Präsident Donald Trump den US-Militärhaushalt unterzeichnet hat, treten die Zwangsmaßnahmen des PEESCA (Protecting Europe’s Energy Security Clarification Act) in Kraft. Zudem haben, wie am Sonntag bekannt wurde, zuletzt bis zu zwölf Vertreter von drei US-Ministerien sich in Einzelgesprächen an europäische Unternehmen gewandt und ihnen mit Konsequenzen gedroht, sollten sie nicht aus Nord Stream 2 aussteigen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte, es habe „Kenntnis“ von den Gesprächen.

Auch aus Deutschland selbst droht neues Ungemach. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will Nord Stream 2 nachträglich die Betriebserlaubnis entziehen lassen. Nach Darstellung des Vereins tritt aus der Pipeline unkontrolliert das Treibhausgas Methan aus, das sehr viel stärker aufs Klima wirkt als Kohlendioxid (CO2). „Die DUH fordert das zuständige Bergamt Stralsund mit der Klage auf, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu unkontrolliertem Methanaustritt zu berücksichtigen und Lecks bei Förderung, Transport und Verarbeitung von Erdgas zu prüfen“, hieß es weiter. „Wir sind uns sicher, dass Nord Stream 2 mit den mittlerweile vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht genehmigt worden wäre“, sagte Constantin Zerger, der bei der DUH für Energie und Klimaschutz zuständig ist.

Das Nord Stream 2-Projekt ist eine Erweiterung der bestehenden Nord Stream von der russischen Küste durch die Ostsee nach Deutschland. Ihre Kapazität soll 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr betragen. Betreiber ist die Nord Stream 2 AG, der einzige Anteilseigner ist der Energiekonzern Gazprom, der die Hälfte der geplanten Gesamtkosten von 9,5 Milliarden Euro aufbringen soll. Die andere Hälfte finanzieren fünf europäische Energieunternehmen: Wintershall, OMV, Uniper, Shell und Engie. Die Gasleitung ist zu 93 Prozent verlegt.

[hrsg/russland.NEWS]

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